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Der G7-Gipfel, die EU und China

Voith Antriebstechnik für Wassertrecker in Shanghai – das Familienunternehmen Voith bekennt sich zu China. Voith Antriebstechnik für Wassertrecker in Shanghai – das Familienunternehmen Voith bekennt sich zu China. © Voith

Die Welt braucht ein koordiniertes Handeln – kein kontraproduktives China-Bashing

Die großen globalen Herausforderungen unserer Zeit, nämlich die Bekämpfung der Corona-Pandemie, die nach Covid-19 notwendige Reparatur der Wirtschaft, das Ziel einer global weitgehend klimafreundlichen Welt und schließlich der Abbau des Protektionismus als Friedensprojekt: all dies erfordert ein international abgestimmtes Handeln und zwar unter Einschluss Chinas.

Megatrends können nur mit China gelöst werden

China, das bevölkerungsreichste Land der Erde und zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt (gemessen am Bruttoinlandsprodukt), wird für die Bewältigung der genannten Megatrends dringend gebraucht. Ohne China können die großen Weltprobleme nicht gelöst werden. Deshalb sind intransigente Äußerungen gegen das Land bzw. ein China-Bashing kontraproduktiv. Die Amerikaner haben ihre Haltung „tough on China“ unter dem neuen Präsidenten Joe Biden sogar noch verschärft. Er will China den Weg zur führenden Wirtschaftsmacht versperren. Das immer bedeutender werdende Land sei „die größte wirtschaftliche und militärische Herausforderung“ für die Demokratien, sagte Biden. China teile nicht „unsere Werte“.

Doch was heißt „unsere Werte“? Soll sich China mit seinem Modell „Sozialismus chinesischer Prägung“ (eine Kombination mit der Marktwirtschaft) den Vorstellungen der Vereinigten Staaten, der EU und der NATO unterwerfen? Dies kann niemand von einem souveränen und erfolgreichen Staat verlangen. China hat seit der Gründung der Volksrepublik China vor über 70 Jahren im eigenen Land 850 Millionen Menschen aus der Armut geführt. Dies sind beeindruckende „Werte“; China will keine Belehrungen aus den USA, deren Administration befreundete Regierungschefs  abhörte. Waren das die zu akzeptierenden Werte?

Wer bestimmt die Richtigkeit „unserer Werte“?

Wer definiert „Menschenrechte und Werte“? Russlands Präsident Putin hat jetzt in Genf darauf hingewiesen, dass auf der US-Basis Guantanamo/Cuba laut Amnesty Gefangene ohne gerichtliche Grundlage festgehalten werden. China lehnt die Xinjiang-Frage als angeblichen Beleg für die Verletzung der Menschenrechte ab. Es würden, so der chinesische Standpunkt, Menschenrechte, Religionsfreiheit und Minderheitenpolitik mit Terrorismus und Separatismus verwechselt. 64 Länder haben eine Stellungnahme abgegeben und die Position Chinas unterstützt.

Auch die angebliche chinesisch-militärische Herausforderung, die NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezüglich der Militärausgaben Chinas nannte, ist nicht überzeugend. Laut SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) haben 2020 allein 6 NATO-Partner, nämlich die USA, United Kingdom, Frankreich, Deutschland, Italien und Kanada 995 Milliarden US-Dollar für Rüstung ausgegeben. Davon entfallen 778 Milliarden US-Dollar auf die USA. Zählt man im asiatischen Raum das mit den USA über militärische Beistandspakte verbündete Japan mit 49,1 Milliarden und Südkorea mit 45,7 Milliarden US-Dollar Rüstungsausgaben hinzu, wird mit weit  über 1.000 Milliarden US-Dollar Militärbudget die tatsächliche Differenz gegenüber China -  Militäretat 2020 ca. 252 Milliarden US-Dollar – deutlich. Mit anderen Worten: Im Vergleich mit den USA und der NATO sind die Rüstungsausgaben Chinas bescheiden. Selbst das benachbarte  Japan hat, bezogen auf die Einwohneranzahl, ein wesentlich größeres Rüstungsbudget als China.

Erkennbar geht es den Vereinigten Staaten nicht um „westliche Grundwerte“, sondern um die globale militärische Vorherrschaft und Absicherung als dominierende Wirtschaftsmacht! Davon ist nicht nur China betroffen, sondern auch Russland, wie der US-Widerstand gegen das Projekt der   Gaspipeline Nord Stream II zeigt. Deutschland soll auf Druck der USA kein russisches Gas kaufen, sondern das umweltpolitisch bedenkliche US-Fracking-Gas.

Chinas Erfahrungen

China hat in seiner Geschichte mit dem Westen – auch mit Japan – schlechte Erfahrungen gemacht. 1842 wurde Hongkong vom dominierenden britischen Empire unter Druck „für immer und ewig“ annektiert. Der 2. Opiumkrieg vom 1856 bis 1860 endete mit dem Ausraub des Sommerpalastes in Peking. Während des chinesischen „Boxeraufstands“ (1899 bis 1901) beim europäisch-amerikanischen Imperialismus, war sogar das deutsche Kaiserreich mit einem Expeditionskorps bei der Niederschlagung beteiligt. Im 2. Weltkrieg wurde China durch Japan überfallen. Insofern sieht die chinesische Führung westliche Belehrungen sehr reserviert.

Jetzt hat sich auch die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock beim China-Bashing eingereiht. Sie verlangt mehr „Härte“; es sei eine Debatte notwendig. Überhaupt gehe von dem Land mit seinem Mega-Projekt Belt & Road (Die neue Seidenstraße) eine Gefahr durch Abhängigkeiten aus. Dies sehen z.B. die Griechen völlig anders. Seit China mehrheitlich den Hafen Piräus im Rahmen von Belt & Road übernommen hat, blüht der Hafen auf, China investiert weiter und schafft Arbeitsplätze: Die Bevölkerung und der griechische Staat sind zufrieden.

Von einer Win-Win-Situation scheint Baerbock noch nichts gehört zu haben. China war auch im vergangenen Jahr mit einem Handelsvolumen von 212,2 Milliarden Euro Deutschlands größter Handelspartner und zweitwichtigster Kunde für deutsche Produkte. Ohne den chinesischen Markt wäre die deutsche Automobilindustrie in einer kritischen Situation, denn 38,2% der weltweit abgesetzten deutschen Fahrzeuge gingen 2020 allein nach China. Weitere deutsche Branchen – etwa die chemische Industrie – hätten ohne den wachsenden Absatzmarkt China Probleme.

Chancen und Absatzmärkte mit Belt & Road

Auch für familiengeführte deutsche Industrieunternehmen und Hidden-Champion eröffnet „Belt & Road“ (BRI) Absatzmärkte. Komponenten und Systeme deutscher Hersteller werden z.B. in chinesischen Hochgeschwindigkeitszügen eingebaut. Das Neumarkter Unternehmen Max Bögl liefert innovative Magnet-Nahverkehrssysteme nach China. Diese Beispiele sind typische Win-Win-Geschäfte für chinesische und deutsche Unternehmen. Deshalb sind deutsche oder EU-Sanktionen gegen China, die von der Politik vorgeschlagen werden, unsinnig und schädlich für die deutsche Wirtschaft. Dies gilt auch für Boykottandrohungen bei der Winterolympiade 2022 in Peking durch die USA. Der Sport darf nicht politisch instrumentalisiert werden.

2022 wird das 50jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und China gefeiert. Die 1972 aufgenommene Zusammenarbeit entwickelten sich zur wechselseitigen  Erfolgsstory. Diese soll auch künftig fortgeschrieben werden. Ein China-Bashing ist daher nicht zielführend.

Letzte Änderung am Donnerstag, 24 Juni 2021 15:54
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag