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Berlin nach der Wahl

Hängepartie im Roten Rathaus in Berlin. Hängepartie im Roten Rathaus in Berlin. © Pixabay

Das Gemauschel wird wohl weitergehen 

Am 12.2.2023 fand in Berlin die Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus statt. Doch wer die Stadt in den nächsten Jahren regiert und ob sich (dies ist viel wichtiger für die Berliner) die links-grüne ideologische Bevormundungs-, Verkehrs- und Sicherheitspolitik des bisherigen rot-grün-roten Senats ändert, darf bezweifelt werden.

So klar, wie die CDU behauptet, ist ihr „Wahlsieg in Berlin“ keineswegs. Die linksgewendete CDU redet sich lediglich stark. Wer die Partei in der Hoffnung wählte, dass sich alles bei ihrem Sieg ändert, könnte sich am Ende getäuscht sehen. Die CDU umwirbt jetzt in Berlin für ein jeweiliges Zweierbündnis die Grünen und die SPD. Weshalb sollten aber die Grünen Juniorpartner der CDU werden, wenn sie als gleichstarke Partei gegenüber der SPD einen deutlich höheren Einfluss hat? Nachdem die „Berliner Verhältnisse“ seit Jahren mit ausgeklüngelten Koalitionen zum fragwürdigen Modell wurden, nimmt die „Nichtwählerpartei“ auch in der Bundeshauptstadt weiter zu. Jetzt, nach den Abgeordnetenhaus-Wahlen, bilden sich Koalitionen nur für einen Zweck: den Machterhalt oder die Machteilhabe um jeden Preis und sei er noch so hoch.

Was sollte sich schon bei einer CDU, die ihren Markenkern längst verleugnet hat, auch ändern, wenn sie etwa mit den Berliner Grünen, die stark fundamentalistisch aufgestellt sind oder alternativ mit der besonders linken Berliner SPD, eine Koalition bildet? Als die CDU noch wirklich eine bürgerlich-konservative christliche Partei gewesen ist, war eines klar: CDU-Koalitionen mit den Grünen waren in der Denke der Partei deckungsgleich mit der Liebe des Teufels zum Weihwasser.

Wer wird „Regierender Bürgermeister“

Wie geht es jetzt in Berlin nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus weiter? Das Amt des „Regierenden“ kann durchaus weiterhin – warum auch nicht – mit einer Frau besetzt werden. Offensichtlich ist für ein Regierungsbündnis fast alles in Berlin möglich. Es könnte auch sein (und vieles spricht bei der Machtbesessenheit der Ideologen dafür), dass Rot-Grün-Rot mit einer neuen Spitzenfigur aus den Reihen der SPD weitermacht. Es muss daher keineswegs zu einer Koalition unter Führung der CDU kommen, denn Rot-Grün-Rot kann in der Tat auch künftig den Senat mit einer Mehrheit bilden. Ob dies sinnvoll ist, das ist eine andere Frage. Immerhin erhielt die ideologische Front von SPD, Grünen und Linkspartei 49% oder die absolute Mehrheit der Mandate. Insofern könnte das CDU-Ergebnis ein „Sieg ohne Wert“ sein.

Die CDU strotzte zwar noch in der Wahlnacht vor Selbstbewusstsein, hat dabei aber übersehen, dass ihr Wahlergebnis von 28,2% im Umkehrschluss bedeutet, dass die überwältigende Mehrheit mit 71,8% der Partei ihre Stimme eben nicht gegeben hat. Lediglich 62,2% der Berechtigten haben übrigens gewählt und bezieht man die 428.100 CDU-Stimmen auf die Anzahl der Wahlberechtigten und nicht auf die Wählenden, so haben in Wahrheit gerade einmal 17,6% schwarz angekreuzt. Gemessen an den früheren CDU-Wahlsiegen zum Berliner Abgeordnetenhaus, etwa mit den Spitzenkandidaten Richard von Weizäcker oder Eberhard Diepgen (Ergebnisse 48 bzw. 46,4%) ist es schon vermessen, jetzt, im Februar 2023, von einem hohen Sieg der CDU unter Kai Wegner zu reden. Hohe Siege sehen anders aus.

CDU ist zum Steigbügelhalter geworden

Es wird sich jetzt in Berlin nach den Abgeordnetenhaus-Wahlen politisch nicht viel verändern, weil die Parteien austauschbar wurden. Es werden weiterhin in Berlin Rechtsbrüche verharmlost und toleriert werden. Insbesondere die CDU hat nicht nur in Berlin systematisch das wertkonservative Bürgertum in der Bevölkerung durch ihren linksgewendeten Kurs verloren. Sie entwickelte sich immer mehr (siehe einige Bundesländer) zum Steigbügelhalter von SPD oder Grünen. Die Partei wurde längst durch einen angeblich „modernen Konservativismus“ unterwandert und hat die große Chance vertan, über ihre wertkonservative  Werteunion zum Sammelbecken für neue Wählerschichten zu werden. Dies sind große Teile in der Bevölkerung, die weder in rot-grün-roten noch schwarz-grünen bzw. grün-schwarzen Koalitionen ein Zukunftsmodell für Deutschland oder jetzt in Berlin  sehen.  Anstelle über die Werteunion eine Rückbesinnung zu ihren Wurzeln anzustreben, ekelt die CDU Werteunion-Mitglieder aus der Partei. Warum eigentlich?

Offensichtlich will die CDU im Gegensatz zur bayerischen CSU das frühere christlich-konservative Leitbild vernachlässigen. Sie will zum Schein einen „modernen Konservatismus“ pflegen, was immer sich hinter dieser Worthülse verbirgt. Die Bürgerlichen sollten, von Bayern abgesehen, in den restlichen Bundesländern über eine Parteigründung nachdenken, die dem großen Heer der Nichtwähler wieder eine politische Heimat bieten könnte. Dann wären ideologische Koalitionen ein Gespenst.

Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag