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Bayern nach der Landtagswahl 2018

Im Maximilianeum in München – Sitz des Bayerischen Landtages – werden die politischen Karten neu gemischt. Im Maximilianeum in München – Sitz des Bayerischen Landtages – werden die politischen Karten neu gemischt. © Pixabay

Ein Beben – wo bitte? Bayern ist nach wie vor strukturell ein „schwarzes Land“

Nach den ersten Prognosen und Hochrechnungen zur Landtagswahl in Bayern überschlugen sich viele Medien. Ein politisches Beben sei durch den weiß-blauen Freistaat gefegt. Doch dies stimmt nur bei einem oberflächlichen Blick. Die CSU hat zwar erwartungsgemäß die Alleinherrschaft verloren, aber Bayern bleibt tiefschwarz, wenngleich die CSU lediglich noch 37,2% Zuspruch erhielt. Aber nicht nur die CSU wurde abgestraft. Schlimmer traf es die einst stolze und traditionsreiche bayerische Sozialdemokratie. Die Partei eines Wilhelm Hoegner (er war der einzige von der Sozialdemokratie gestellte Ministerpräsident Bayerns) und Volkmar Gabert, der 1966 mit 35,8% das beste SPD-Ergebnis in Bayern erreichte, verkümmert jetzt in Bayern mit beschämenden 9,7% eigentlich zur unbedeutenden Sektiererpartei. Die SPD, traditionell immer die zweitstärkste Kraft im Bayerischen Landtag, nimmt jetzt nach der 18. Landtagswahl seit Ende des 2. Weltkrieges nur noch den beschämenden fünften Platz im Maximilianeum ein. An einer derartigen Entwicklung können selbst die traditionellen politischen Konkurrenten – z.B. die CSU – nicht interessiert sein.

Auf der anderen Seite hat sich in Bayern – politisches Beben hin oder her – strukturell nichts verändert. Auch nach den Wahlergebnissen vom 14. Oktober 2018 bleibt der weiß-blaue Freistaat eindeutig schwarz. Es genügt ein Blick auf die politische Landkarte. Von 91 Stimmkreisen im mit 70.600 qkm größten Bundesland, holte die CSU 85 Direktmandate. Lediglich in München mit seiner besonderen Charakteristik und in Würzburg konnten die Grünen 6 Stimmkreise gewinnen. Die nach wie vor schwarze Dominanz ist auch insofern bemerkenswert, als Bayern mit 13 Millionen Einwohnern die entsprechende Einwohneranzahl Österreichs deutlich übertrifft. Keine Partei im Nachbarland Bayerns dominiert so stark wie die CSU den weiß-blauen Freistaat. Und selbstverständlich würde die Schwesterpartei CDU in anderen Bundesländern bei einem Stimmenenteil von 37,2% Hurra schreien. Vom südöstlichen Berchtesgaden zum nordwestlichen Aschaffenburg sind es ca. 510 Kilometer. Wenn in einem so großen Land alle Wahlkreise homogen – vom erwähnten München und Würzburg abgesehen – quer durch das Land von der CSU gewonnen werden, dann kommt im Vergleich mit anderen Bundesländern nach wie vor eine politische Alleinstellung zum Ausdruck. Bei einem angelsächsischen Wahlrecht bestünde nach der aktuellen Landtagswahl in Bayern quasi ein demokratisches Einparteien-System.

Bayern bleibt mit klarer Mehrheit konservativ

Strukturell ist Bayern auch nach der jüngsten Landtagswahl konservativ geblieben. Das konservativ-bürgerliche Lager mit CSU, Freien Wählern – viele sagen eine Art Protest-CSU – und der AfD konnte 59,0% der Stimmen erreichen. Nimmt man noch die Wackelpartei FDP, die derzeit sich mal wieder mehr einen bürgerlichen Anstrich gibt, hinzu, so haben jetzt wieder 64,1% der Bayern linken und grünen ideologischen Tendenzen eine klare Absage erteilt. Das konservative Wählerspektrum, das wenig mit den Grünen und der Sozialdemokratie zu tun haben will, hat sich lediglich von der CSU auch auf Freie Wähler und AfD aufgefächert. Deshalb sind auch Gedanken einer schwarz-grünen Koalition in Bayern so absurd. Auch wenn diese durch einige grünangehauchte Redaktionen „herbeigeschrieben“ wird. Feuer und Wasser ergeben nun einmal kein neues chemisches Element. Daran ändert auch der Stimmenanteil der Grünen mit 17,5% nichts, den dieses Ergebnis speist sich durch ehemalige SPD-Wähler, die infolge ihrer Unzufriedenheit mit „ihrer“ Partei zu den Grünen abwanderten und durch die soziologische Sonderstellung der Stadt München. Allein in München konnten die Grünen 408.607 Stimmen erreichen. München zieht nach wie vor durch die wirtschaftlichen Erfolge Bayerns junge Hochschulabgänger aus ganz Deutschland an.

Ein Blick auf frühere Landtagswahlen-Ergebnisse relativiert ohnehin den „Erfolg“ der Grünen. Da konnte im Vergleich mit den Grünen die Sozialdemokratie als stärkste Oppositionspartei wesentlich mehr Stimmen auf sich vereinigen. Von den letzten Landtagswahlen abgesehen, war die SPD in Bayern wenigstens im knappen Drittelbereich der Stimmen. Davon sind die Grünen – die „Süddeutsche“ hat es richtig kommentiert – noch weit entfernt. Auch deshalb besteht kein Grund für eine schwarz-grüne Koalition, die von der CSU auch mit einer wesentlich stärkeren Bayern-SPD nie eingegangen wurde. Unsinnig sind auch theoretisch ermittelte Wanderbewegungen, mit denen Stimmung gemacht werden soll. Diese basieren auf der telefonischen Analyse einer bestimmten Anzahl der Befragten mit dem Wahlverhalten bei der letzten entsprechenden Wahl. Doch nach einer Yougov-Analyse wissen 39% der Wähler nicht mehr, was sie beispielsweise 2013 gewählt haben.

Ursachenforschung

Wie kam es zur Katastrophe bei der Bayern-SPD, wie erklärt sich der starke Einbruch bei der CSU? Sind die Grünen wirklich so stark im Freistaat und ein möglicher Koalitionspartner für die CSU? Die Bayern-SPD hatte in früheren Zeiten immer den Hauch einer königlich-bayerischen Sozialdemokratie. 2017 feierten die weiß-blauen Genossen den 125. Geburtstag. In der Geschichte nach dem 2. Weltkrieg waren an ihrer Spitze auch bundesweit bekannte Führungspersönlichkeiten wie Wilhelm Hoegner, der „Rote Baron“ Waldemar von Knoeringen, Volkmar Gabert, Hans-Jochen Vogel oder die allseits beliebte Renate Schmidt in jüngerer Zeit. Doch im Gegensatz zur damaligen Geschlossenheit der CSU gab es auch immer wieder heftige interne Auseinandersetzungen. In den letzten Jahren wurde die Bayern-SPD immer profilärmer, blass und blässer! Von Münchens Ex-OB Christian Ude abgesehen, blieben die Genossen in den letzten Jahren substanzlos – außerhalb Bayerns blieben sie unbekannt. Einher mit dieser Entwicklung gingen die dramatischen Stimmenverluste in den Landtagswahlen ab 2003. Höhepunkt der sich abzeichnenden negativen Entwicklung war für die Landtagswahl 2018 die Nominierung der Spitzenkandidatin Natascha Kohnen, die, man muss es leider sagen, den Charme einer schreienden „Schwertgosch“, wie man im Württembergischen sagt, hat. Hysterisches Geschrei mögen die Bayern nicht so und wenn es schon sein muss, dann wenigstens intellektuell verknüpft. Natascha Kohnen war einfach, vornehm formuliert, keine Sympathieträgerin. Vor allem hatte die SPD in Bayern keine Antworten zu den Ängsten der Menschen infolge einer überzogenen Migrationspolitik. Ähnliche Erfahrungen hat die SPD in ihrer alten Kernregion Ruhrgebiet gemacht. Wenn an Wahlständen selbst verdiente Parteimitglieder der Basis den SPD-Funktionsträgern die Migrationspolitik, die natürlich auch in Bayern ein Thema ist, um die Ohren schlagen, dann müssten doch alle Alarmglocken läuten. Die Genossen verstehen ihre Partei nicht mehr. Sie haben zum Teil die gleichen Ängste wie die Sympathisanten der gescholtenen AfD. Eine Überforderung durch eine nicht mehr steuerbare Zuwanderung zerreißt die Gesellschaft. Dies haben schon die verdienten Altgenossen Willy Brandt und Helmut Schmidt erkannt. Nachdem die SPD keinen Gegenentwurf zur nicht koordinierten Flüchtlingspolitik der Angela Merkel vorlegte, war sie für die Wähler jetzt auch kein Gegenmodell. Sie hätte aber eine Alternative sein können.

Doch die falsche Frontfrau und die bei den Bayern nicht ankommende SPD-Zuwanderungspolitik war nicht alles. Hinzu kam das Gezerre bereits nach der Bundestagswahl 2017, das natürlich Auswirkungen auf Bayern hatte. Erst wollte sich die SPD in der Opposition regenerieren, dann siegte dann doch wieder die Machtgier. Die SPD wurde zum Notnagel, weil die FDP keine schwarz-gelb-grüne Koalition auf Bundesebene mitmachte. Notnagel – dies kommt nie gut an! Schließlich operierte auch die neue Bundesparteivorsitzende Andrea Nahles in der Krise um den Verfassungsschutzpräsidenten äußerst unglücklich. Dies alles haben natürlich die Wähler auch in Bayern registriert. Und, auch deshalb erreichte die SPD keine Neuwähler, es gibt auch am Erscheinungsbild des Freistaates nichts zu bekritteln. Bayern hat hervorragende Wirtschaftsdaten und ist auf Wachstum programmiert. Den Bayern geht es überwiegend gut. Das Land nimmt bundesweit die Spitzenreiterposition ein. Die SPD konnte noch nicht einmal ihre Stammwähler mobilisieren, die überwiegend zu den Grünen abwanderten.

Hausgemachte Fehler der CSU

Bei der CSU herrscht ebenfalls Katzenjammer, wenn auch, wie erwähnt, fast alle Stimmkreise wieder an die Partei gingen. Doch für den dramatischen Einbruch bei den Wählerstimmen sind der Parteivorsitzende Horst Seehofer sowie Markus Söder und Co selbst schuld. Sie waren zu zerstritten. Die CSU war nämlich alles, nur nicht, im Gegensatz zu früheren Zeiten, geschlossen. Abgehalfterte Altgrößen wie Günther Beckstein, Erwin Huber, Theo Waigel – aber auch nach Brüssel abgeschobene Provinzpolitiker wie der blasse Manfred Weber – wollten alte Rechnungen mit Horst Seehofer begleichen. Seehofer, der zu Beginn der Flüchtlingskrise 2015 mit seiner Haltung, damals natürlich noch als bayerischer Ministerpräsident, eine hohe Zustimmung in der Bevölkerung hatte, entwickelte sich leider zum Dreh- und Wendehofer. Heute so, morgen so. Allerdings fielen sie ihm auch parteiintern in den Rücken. Von der im „Bayernplan“ versprochenen Ordnungsgarantie und der Integration „die nach dem Maßstab unserer Leitkultur erfolgen“ müsse, ist nicht viel zu sehen. Die ebenfalls versprochenen bundesweiten Volksentscheide in wichtigen politischen Fragen – ebenfalls im Bayernplan angekündigt – liegen in weiter Ferne und wurden noch nicht einmal angestoßen. Obwohl Bayern mit BMW, Audi, MAN (LKW und Busse), Schaeffler, Brose, Leoni, Dräxlmaier u.a. ein klassisches Autoland (Hersteller und Zulieferer) ist und die CSU seit Jahren, derzeit mit Andreas Scheuer, die Bundesverkehrsminister stellt, wurde die Dieseldiskussion durch die CSU regelrecht verpennt. Kraftmeierische Ankündigungen „mit uns wird es keine Fahrverbote geben“ (CSU-Mann Andreas Scheuer) blieben ohne Substanz. Dies führte jetzt bei den Wählern und Dieselfahrern in Bayern zu einer gewissen Verärgerung gegenüber der CSU. So kam eins zum anderen. Schließlich führten die ewigen Führungsstreitereien zwischen Markus Söder und Horst Seehofer zu einem weiteren Verdruss in der bayerischen Bevölkerung. Söder wechselte noch während des Wahlkampfs seine Meinung und Strategie wie das Hemd, z.B. gegenüber der EU. Die CSU fokussierte sich nur noch auf die AfD und übersah die viel schlimmere Gefahr durch die Verhinderungspartei der Grünen, die eigentlich im wesentlichen von ideologischen Intellektuellen und Fundamentalisten lebt. So kam es, wie es kommen musste. Viele strukturelle CSU-Wähler liefen in Scharen zu den „Verwandten“, den Freien Wählern und, ob man es gerne hört oder nicht, zur AfD über, weil sie befürchten mussten, dass auch die CSU ihre Stammklientel vergisst.

Über 70% der Bayern wollen eben die Grünen nicht

Die Grünen sind am Wahlabend aufgrund des Stimmenanteils von 17,5 % vor Glück fast ausgerastet. Dies mag verständlich sein. Doch das „bombige Ergebnis“ bei der Landtagswahl 2018, von dem der Grünen-Spitzenkandidat Ludwig Hartmann sprach, liegt noch Lichtjahre von den Landtagsergebnissen der Bayern-SPD aus deren guten Zeiten entfernt. Da müssen die Grünen noch viel zulegen. Wer von den Grünen von einer schwarz-grünen Koalition träumt, vergisst die Realität, dass mindestens 65% der konservativen Wähler in Bayern eben die Grünen nicht wollen und diese in erster Linie als eine Verhinderungspartei wahrnehmen, die eigentlich vom Schüren des Weltunterganges (Klima, Klima, Klima, „Dieselstinker“, Kohledreckschleudern, industrielle Landwirtschaft) lebt. Als ob Deutschland und konkret die Grünen die Welt retten könnten. Eine schwarz-grüne Koalition in Bayern wäre für die CSU reiner Selbstmord. Sie würde die Partei und ihre Mitglieder zerreißen, sollte sie grünen Lockrufen folgen. Es ist schon schlimm genug, dass die CSU offenbar den gleichen Fehler der Angela Merkel begeht, nämlich die Grünen aufzuwerten. So vergraulte bereits Merkel ihre Wählerklientel und entwickelte die CDU zu einer links-grün angehauchten Partei. Die Entwicklung ist bekannt. Für die CSU gibt es nichts mit den Grünen zu sondieren. Wie erwähnt, ergeben Feuer und Wasser kein neues chemisches Element…

Und die AfD? Sie hat immerhin aus dem Stand in Bayern 10,2% der Stimmen erhalten. Soviel Zuwachs haben die Grünen, im Vergleich mit ihrem Ergebnis bei der Landtagswahl 2013, nicht erreicht. So langsam überzeugen die Begriffe „Populisten“ oder gar Rassisten in Bezug zur AfD die Wähler nicht mehr. Die Partei schaffte immerhin seit 2014 zum Teil mit beeindruckenden Prozentzahlen den Einzug in 16 Länderparlamente, jetzt einschließlich Bayern. Bei der Bundestagswahl 2017 erzielte die AfD 12,6% und wurde somit die stärkste Oppositionspartei, deutlich vor der FDP, der Linken und den Grünen. Wenn eine Partei wie die AfD bei der Bundestagswahl bei 61,7 Millionen Wahlberechtigten 11,2 Millionen Stimmen (Erst- und Zweitstimmen) erhält, sind Begriffe wie rechtsextreme Partei kontraproduktiv. Es würde ansonsten explizit unterstellt, dass Millionen von Deutschen eben rechtsextrem seien. Mit einem derartigen Unsinn kann man eine politische Auseinandersetzung nicht führen, denn die Argumentation ist natürlich auch für die Wähler der AfD beleidigend. Die AfD ist eine konservative Partei, die auch jetzt zum Teil in Ostbayern – in der Oberpfalz, im Bayerischen Wald, in Niederbayern – grundsolide Menschen, für die Begriffe wie Heimat und Traditionspflege noch einen hohen Stellenwert haben, erreicht hat. Man wird daher aus der Sicht der anderen konservativen Parteien nicht umhinkommen, mit der AfD einen künftig vernünftigen Wettbewerb um die Wähler zu führen, den die Partei könnte noch zur Mehrheitsbeschaffung im bürgerlichen Lager bald gebraucht werden. Insofern ist eine Ausgrenzung nicht zielführend. Mit gleichen Rezepten wollte man seinerzeit die Grünen und nach der Wiedervereinigung die Nachfolgepartei der SED verhindern. Es blieb beim Versuch.

Freie Wähler – notwendiges Regulativ für CSU

Und die Freien Wähler? Eigentlich ist diese ursprünglich reine Rathauspartei aus Frust zur Selbstherrlichkeit, Bevormundung und Arroganz der früheren CSU entstanden. Fast sind die Programme der Freien Wähler (FW) und der CSU deckungsgleich. Aber die FW ist in vielen Dingen realistischer und nimmt Abstand von größenwahnsinnigen Projekten der CSU. Man ist schlicht bodenständiger. Im Gegensatz zu den Grünen, für die der Begriff Stolz auf die Heimat fast ein Relikt vergangener Zeiten ist, bekennen sich die Freien Wähler in Bayern auf die bayerische Lebensart mit einem Bewusstsein für die Brauchtums- und Heimatpflege. Naturgemäß bekennen sich die Freien Wähler zur bayerischen Landwirtschaft. Auch die Sicherheit nimmt einen hohen Stellenwert ein. In der Zuwanderungspolitik setzt die Partei auf Einwanderungskontrollen und legt klare Maßstäbe dafür an, wer als Zuwanderer bleiben darf. In der Familienpolitik will die Partei junge Familien durch kostenlose Kindergarten-Plätze entlasten. In der Energiepolitik setzen die Freien Wähler auf eine verbrauchernahe Stromerzeugung. In vielen Fragen muss man schon mit der Lupe hinschauen, um Unterschiede zur CSU zu erkennen. Sowohl die CSU als auch die FW haben bereits kurz nach dem Schließen der Wahllokale ihre Präferenz für eine Koalition zum Ausdruck gebracht. Einstweilen haben sich die Freien Wähler für das Vertrauen beim Wähler mit einem „Vergelt’s Gott“ bedankt. Typisch Bayern.

Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag