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Hambacher Forst wurde zum Politikum

Reizthema Kohlekraftwerke muss dringend versachlicht werden. Reizthema Kohlekraftwerke muss dringend versachlicht werden. © Leag, Andreas Franke

Feindbild Kohle

Der Hambacher Forst wurde zu einem leider auch fundamentalistisch geprägten Symbol des Kampfes gegen das nach der Kernenergie neue energiepolitische Feindbild Kohle. Die Kernenergie wurde in Deutschland durch eine grüne Ideologie letztendlich nach Fukushima „besiegt“ – jetzt ist die „dreckige Kohle“ dran, die für alles Klimaübel dieser Welt verantwortlich sein soll. Es ging beim Protest im Hambacher Forst nicht primär um den Erhalt von 200 Hektar Wald, es ging um das neue Feindbild Kohle. Mit Klimaschutz und Ängsten lässt sich gar trefflich Stimmung beim Thema der Stromerzeugung durch die Kohle machen. Wer will schon kein gutes Klima? Die Kohle allgemein und Kohlekraftwerke im besonderen haben es in einer aufgeheizten Stimmungslage schwer. Beide wurden in die Defensive gedrängt. Sie sind im Verständnis fundamentalistischer Klimaretter, die am liebsten in unserer Wohnkultur Kamine und Kachelöfen verbieten würden, „Dreckschleudern“, Klimakiller und Luftverpester. Dies sind sie aber ausdrücklich nicht. Moderne Kohlekraftwerke sind umweltpolitisch vertretbar und Hightech pur. Wer andere Thesen vertritt, sollte einmal ein modernes Kohlekraftwerk besichtigen.

Wer die vielen teilweise hysterischen Szenarien liest, könnte den Eindruck gewinnen, dass die Rettung unseres Planeten weitgehend von Deutschland abhänge. Getan wird so, als ob unser Land mit der Kohleverstromung – sei es mit der Braun- oder Steinkohle – die Zukunft der Welt gefährde. Aber am deutschen Wesen kann und wird die Welt nicht genesen. Deutschland ist energiepolitisch im Weltmaßstab nur ein ganz kleiner Akteur. Die „Umwelt“ ist insbesondere in Deutschland im Vergleich zu frühindustriellen Zeiten längst hervorragend. Der einst von Willy Brandt geforderte „blaue Himmel über der Ruhr“ wurde Realität. Nun ist in der Tat für die Deutschen der Wald weit über seine Symbolkraft für Natur und Romantik nicht unbedingt geeignet, für die Energiegewinnung geopfert zu werden. Wald ist für die überwiegende Anzahl der Menschen ein positiv besetzter Begriff. Den Tagebau Hambacher Forst – dies wird gerne verschwiegen – hat die rot-grüne Vorgängerregierung in NRW aus struktur- und beschäftigungspolitischen Gründen genehmigt. Auf der anderen Seite gibt es auch weltweit ökonomische Zwänge . Die Entwicklung der Volkswirtschaften mit mehr Lebensqualität für die Menschen ist mit gewissen Eingriffen auch in die Natur verbunden. Eine stark und schnell zunehmende Weltbevölkerung (insbesondere in aufstrebenden Schwellenländern) braucht Wohnungen, Nahrung und als Grundlage dafür elektrische Energie. Dies alles, Wohnungen und Infrastruktur, ist zum Teil mit einer Versiegelung von Flächen verbunden. Dies kann man bedauern. Teilhabe an elektrischer Energie als Basis für Lebensqualität muss aber, wie auch immer, produziert werden. Trotz zahlreicher ideologischer Fantastereien kommt man an der konventionellen Stromerzeugung nicht vorbei, weil die Natur ihre eigenen Gesetze hat. Regenerativ erzeugte Energie ist recht und schön, weniger schön und sinnvoll ist der Stromtransport vom hohen Norden in den energieintensiven Süden (Baden-Württemberg und Bayern) mit Stromleitungen, die den Thüringer Wald zerschneiden. Eine Umweltpolitik der ganz besonderen Art… Auch folgt die Welt deutschen Kriterien noch lange nicht.

Satellitenbilder entlarven China

Während wir in Deutschland über die Kohle streiten, haben jüngst Satellitenbilder ergeben, dass der Bau neuer Kohlekraftwerke in China offensichtlich nicht eingestellt wurde, wie dem neuen „Global Coal Plant Tracker“ entnommen werden kann. Auch das „Handelsblatt“ berichtete über den enormen weltweiten Zubau von Kohlekraftwerken. Dies steht in China zwar im Widerspruch zu den im Pariser Klimaabkommen zugesagten Zielen der Chinesen, aber offensichtlich ist der steigende Energiebedarf im aufstrebenden Reich der Mitte doch so groß, dass auch die Zentralregierung in Peking den Ausbau doch wieder billigt. Inzwischen belegen neueste Daten einen Anstieg der chinesischen CO2 – Emissionen um 3% gegenüber dem 1. Halbjahr 2018. Derzeit im Bau befindliche Kohlekraftanlagen sind z.B. die Anlagen Huadian Nanxiong (700 MW), Zhoukou Londa (1.320 MW), Tianming (2000 MW) und Tianyuan Mangan (700 MW). Weitere Kohlekraftwerke sind kurz vor der Fertigstellung oder umgekehrt in der Planung.

Man muss aber nicht nur die chinesischen Kohleplanungen sehen. Auch unser Nachbarland Polen setzt weiter auf die Braun- und Steinkohle. Das Land ist zu 85% energiepolitisch von der Kohle abhängig. Über 100.000 Arbeitsplätze sichert der polnische Bergbau und die Energiewirtschaft mit ihren Kraftwerken. Aktuell sind fünf hochmoderne Kohlekraftwerke wie Kozienice (1.075 MW) oder im deutsch-polnischen Grenzgebiet in Turów in der Abnahmeendphase oder im Bau. Dies unterstreicht die Fragwürdigkeit der deutschen Ausstiegspläne aus der Kohle bzw. deren Verstromung. Auch in Griechenland entsteht – sogar mit deutscher Finanzhilfe über die bundeseigene KfW-Bank – ein Kohlekraftwerk der neuesten Generation im nordgriechischen Revier Ptolemaida. Klimapolitische Fragen können nicht in Deutschland mit seinem vergleichsweise sehr geringen Verbesserungsvolumen gelöst werden. Dies wäre Aktionismus pur. Der Hinweis auf das „gute Beispiel Deutschland“, das unser Land vorleben müsse, nützt nicht viel. Das Ausland, siehe vor allem der Hauptemittent China, verfolgt eigene Strategien. Hambach wurde leider zum durchsichtigen Politikum – ein Aktionismus, der die Welt nicht besser macht, aber vor Ort viele Arbeitsplätze kostet.

Letzte Änderung am Dienstag, 16 Oktober 2018 10:04
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag