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Adieu für die konventionelle deutsche Stromerzeugung?

Wird das traditionsreiche und immer noch produzierende Walchenseekraftwerk – seit 1983 ein geschütztes Industriedenkmal – finnisch? Wird das traditionsreiche und immer noch produzierende Walchenseekraftwerk – seit 1983 ein geschütztes Industriedenkmal – finnisch? © E.on

Das Beispiel Uniper

Elektrische Energie – in der Allgemeinheit als „Strom“ ein gängiger Begriff – ist keine normale Allerweltsware, sondern ein außerordentlich wichtiges strategisches Produkt sowohl für die privaten Haushalte als auch für die Wirtschaft. Ohne die gesicherte Teilhabe am Strom läuft buchstäblich nichts. Strom erleuchtet nicht nur die Wohnungen und die Straßen; elektrische Energie treibt die verschiedenen Haushaltsgeräte einschließlich elektrischer Zahnbürsten und Rasierapparate an. In der Wirtschaft ist die Elektrizität ein zentraler Produktionsfaktor: Maschinen, Anlagen und logistische Einrichtungen stünden ohne Strom still ebenso wie Aufzüge oder Eisenbahnen bzw. Nahverkehrssysteme. Ohne Elektrizität keine Funktionsfähigkeit in den Krankenhäusern, kein Internet und keine Kommunikation. Und sollte dem automobilen Elektroantrieb tatsächlich der Durchbruch gelingen, wird die Stromerzeugung noch erheblich an Bedeutung gewinnen. Irgendwoher muss der Strom für den Antrieb der Fahrzeuge ja kommen.

Umso mehr verwundert es, dass die Stromerzeugung insbesondere zum ideologischen Spielfeld vieler Fundamentalisten wurde – so, als ob die konventionelle deutsche Stromerzeugung, die auch funktionieren muss, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, für alles Böse etwa beim Klimawandel verantwortlich sei. Plakative negative Botschaften sichern jedoch die Stromversorgung nicht. Die Wirklichkeit ist eine andere. Es ist richtig: es gibt – temporär – Tage, an denen rechnerisch und statistisch die regenerativ erzeugte Strommenge ausreicht, Deutschland komplett mit Strom zu versorgen. Aber es gibt – und dies ist die überwiegende Mehrheit – Tage und Wochen, an denen es ohne „Volldampf“ der konventionellen Kraftwerke im wahrsten Sinne des Wortes dunkel wäre – immer dann, wenn Windräder stillstehen und die Photovoltaik keine Energie produziert.

Elektrizität ist also für die gesamte Volkswirtschaft auch ein strategisches Gut! Deshalb ist die elektrische Energie sicherheitsrelevant und darum gibt es z.B. auch die Bundesnetzagentur, die nicht nur für einen funktionierenden Wettbewerb sorgen muss. Bei der Erzeugung von Elektrizität ist immer – direkt und indirekt – die Politik mit im Spiel und somit gefragt. Es kann der Öffentlichkeit und der Politik nicht gleichgültig sein, wer die Kontrolle über die Funktionsfähigkeit der Stromerzeugung einnimmt. Nach der Liberalisierung der Strommärkte haben auch ausländische Energieunternehmen Verantwortung in Deutschland übernommen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, solange die Unternehmen berechenbar in ihrer unternehmerischen Strategie sind.

Erfahrungen der Vergangenheit

Aber gerade Deutschland hat nicht immer in der jüngeren Energiegeschichte gute Erfahrungen mit ausländischen Investoren gemacht. 2010 kaufte das Land Baden-Württemberg die vom französischen Energieriesen EDF (Électricité de France) gehaltenen Anteile am Energieunternehmen EnBW Baden-Württemberg zurück. Zwar war das formelle Verfahren des damaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Stefan Mappus, ohne Einschaltung des Landtages umstritten und führte auch zu juristischen Auseinandersetzungen, doch der sicherheitsstrategische Ansatz von Mappus war richtig. Warum? EDF strebte immer deutlicher nach der vollkommenen Mehrheit bei EnBW. Auch war die Atmosphäre zwischen der EDF und EnBW auch auf der Führungsebene immer schwieriger geworden – die Unternehmenskultur war zu unterschiedlich. Die Strategien drifteten auseinander und daran konnte Baden-Württemberg als führender Wirtschaftsstandort nicht interessiert sein. Der entscheidende Punkt für den Rückkauf der EnBW-Anteile war, dass die Mehrheit an einem zentralen Unternehmen der Infrastruktur in baden-württembergischen Händen liegen sollte.

Ein weiteres Beispiel war 2002 die Übernahme der HEW (Hamburgische Electricitäts-Werke AG) durch den schwedischen Vattenfall-Konzern. Bereits 2006 wurde der Markenname HEW gelöscht, der Standort Hamburg verlor stark an Bedeutung; 2014 wurde dann das durch Vattenfall ausgegliederte Stromnetz in Hamburg wieder rekommunalisiert.

Aktuell steht die Uniper SE, die nach der Aufsplittung des E.ON-Konzerns 2016 als eigenständige Gesellschaft entstand, in der besonderen Optik der Kapitalmärkte. Bei Uniper verblieben die konventionelle Stromerzeugung (Kohle, Gas und die traditionsreiche Wasserkraft) sowie das Gasgeschäft und Dienstleistungen für die Energiewirtschaft. E.ON blieb mit 46,65% Anteil Kernaktionär bei Uniper. Mit 40 Gigawatt Erzeugungskapazität gehört Uniper zu den führenden Stromerzeugern in Deutschland und weiteren europäischen Ländern inklusive Russland. Nachdem E.ON mit dem finnischen Regionalversorger Fortum (mehrheitlich im Besitz des finnischen Staates) eine Transaktionsvereinbarung über den Verkauf seiner Uniper-Anteile abschloss, haben die Finnen im November 2017 ein offizielles Übernahmeangebot auch an die anderen Uniper-Aktionäre vorgelegt, das aber von Uniper (Aufsichtsrat und Vorstand) einstimmig abgelehnt wurde.

Ist Fortum berechenbar?

Unabhängig von den finanz- und betriebswirtschaftlichen Überlegungen stellen sich aber auch die eingangs erwähnten Überlegungen: Bleibt Uniper unter finnischer Hoheit als zuverlässiger Partner längerfristig im Hinblick auf die staatlichen deutschen Interessen für eine zuverlässige Stromversorgung berechenbar? Hier ist die Bundesnetzagentur gefragt und gefordert. Elektrizität – es wurde eingangs erwähnt – ist keine Ware wie jede andere! Schließlich ist Fortum im Vergleich mit Uniper relativ klein. Während die Finnen gerade einmal einen Umsatz von 3,6 Milliarden Euro (2016) erreichten, beträgt die entsprechende Kennziffer von Uniper allein in den drei ersten Quartalen 2017 ca. 52,9 Milliarden Euro. Bereits dieses Größenverhältnis lässt aufhorchen. Zwar ist Fortum mit knapp über 50% im finnischen Staatsbesitz, doch gerade weil Finnland nicht Alleinbesitzer ist, gibt der finnische Staat keine Garantieerklärung für Fortum ab.

Widersprüche von Fortum

Der Verdacht liegt nahe, dass Fortum nach der Übernahme Uniper zerschlagen will. Auf der Strecke oder in der Unsicherheit würden dann auch die 13.000 Uniper-Beschäftigten verbleiben. Zwar betont Fortum-Chef Lundmark die Rolle seines Unternehmens als langfristiger Partner für Uniper, doch in einem Gespräch mit der „WirtschaftsWoche“ erteilte er der Kohleverstromung eine Absage. Kohlekraftwerke hätten keine Zukunft. Deshalb stellt sich die Frage, weshalb Fortum an einem Unternehmen Interesse hat, das auch ganz wesentlich mit modernsten Anlagen (Stichwort Datteln IV) die Kohle verstromt. Nicht wenige Beobachter sehen das Interesse von Fortum im Uniper-Geschäft mit Gas sowie den Aktivitäten von Uniper außerhalb Deutschlands. Allenfalls die deutschen Wasserkraftwerke (Waldeck I und II und das berühmte Walchenseekraftwerk als Beispiele) könnten für Fortum von Interesse sein. Aber gerade das Walchenseekraftwerk hat z.B. für den Freistaat Bayern eine besondere historische Bedeutung. Das Kraftwerk war über 50 Jahre direkt und indirekt als bayerische Institution, mit der die Elektrifizierung des Landes begann, im Besitz Bayerns – z.B. über die frühere Bayernwerk AG. Heute ist dieses immer noch imposante Wasserkraftwerk seit 1983 ein geschütztes Industriedenkmal. Für viele Beobachter ist es nur schwer vermittelbar, dass gerade das Walchenseekraftwerk finnisch werden soll.

Kann überhaupt ein so kleines Unternehmen wie Fortum eine Übernahme von Uniper finanziell „stemmen“, ohne nach der Uniper-Übernahme Teile des Unternehmens verkaufen zu müssen. Hier muss die Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) als Kontrollorgan für Wertpapiergeschäfte genau hinsehen. Auch die Kartellbehörden werden – insbesondere in Russland – die Fortum-Ambitionen bei Uniper kritisch hinterfragen. Sowohl Uniper als auch Fortum sind in Russland nennenswert in der Stromproduktion engagiert. Auch darf nicht das Interesse Russlands an der bisherigen Zuverlässigkeit seines Partners Uniper beim Gasgeschäft unterschätzt werden.

Es wurde bereits eingangs erwähnt. Die konventionelle Stromerzeugung – auch durch Kohlekraftwerke – wird im Interesse des Gelingens der deutschen Energiewende noch lange eine wichtige Rolle einnehmen. Der Bundesnetzagentur – vertretend für Deutschland – kann es daher nicht gleich sein, in wessen Händen die Stromerzeugung liegt.

 

Letzte Änderung am Mittwoch, 17 Januar 2018 13:34
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag