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Unionsparteien brauchen jetzt Charakter

Wer springt aus dem Schatten? Wer springt aus dem Schatten? © Pixabay

Nicht um jeden Preis mit der SPD

Bei der kritischen Nachbetrachtung des Bonner SPD-Sonderparteitages (Thema war eine evtl. erneute „Große Koalition) kann das Ergebnis nur lauten: Freunde auf beiden Seiten, also Unionsparteien und SPD, lasst die Finger davon! Die Sozialdemokratie ist gespalten und ein unsicherer Kantonist geworden; es ist noch eine offene Frage, ob die Parteibasis einem Koalitionsvertrag ihrer Parteioberen überhaupt zustimmt! Aber auch bei den Unionsparteien, auch beim Rest des wegen des Kurses der Kanzlerin immer kleiner werdenden konservativ-bürgerlichen Wählerspektrums der Union, hält sich die Zustimmung zu einer neuen GroKo in Grenzen. Der Präsident des einflussreichen Wirtschaftsrates der CDU, der Unternehmer Werner M. Bahlsen, hat bei einer neuen Koalition mit dem labilen Partner SPD seine berechtigten und begründeten Zweifel. Die SPD ist unter ihrem Vorsitzenden Martin Schulz in der Tat weder zuverlässig noch berechenbar; heute so, morgen so und übermorgen wieder anders! Und längst ist die Sozialdemokratie – das Abstimmungsergebnis in Bonn zeigte es – auch ideologisch auseinandergedriftet. Aber es sind nicht nur die berechtigten Bedenken des CDU-Wirtschaftsrates zur wankelmütigen SPD, die eine neue GroKo fragwürdig erscheinen lassen.

Eine etwaige neue Koalition der Union mit der SPD ist bereits jetzt schon atmosphärisch persönlich belastet, wenn nicht sogar vergiftet. Da ist die Bezeichnung „der blöde Dobrindt“ (Andrea Nahles auf dem Parteitag) nur ein Beispiel. Der neue CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat zwar die beleidigende Attacke mit bewundernswerter Noblesse überspielt, vergessen ist sie nicht… Und die Giftpfeile wurden ja nicht nur von Nahles abgeschossen. Die „ Frohnatur“ Ralf Stegner, stellvertretender SPD-Vorsitzender, ist ja auch für jede Beleidigung der Union gut. Man könnte weitere Genossen benennen. Thorsten Schäfer-Gümbel etwa.

Aber gravierender sind die „Kampfansagen der SPD“ in der Sache. Da haben sie, Unionsparteien und SPD, wochenlang sondiert und schließlich ein umfangreiches Papier veröffentlicht. Jetzt soll dieses Protokoll Makulatur sein und aus Sicht der SPD kräftig nachgebessert werden. Da fragen sich doch die Bürger, weshalb man solange „sondiert“ hat. Schlimm dabei: wer die immer schwächer werdende und am Amt klebende Angela Merkel kennt, weiß, dass sie inzwischen jede Kröte der SPD schluckt, nur um wieder Bundeskanzlerin zu werden. Dies ist das eigentliche Drama! Sie wird zum Bettvorleger der Genossen. So vergrault man die letzten treuen Unions-Wähler! Bereits im Sondierungspapier liefen viele Forderungen der SPD auf eine Umverteilungspolitik mit Belastungen der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hinaus (siehe auch den Beitrag Endzeitstimmung um Angela Merkel).

Scheckbuch-Politik

Auch die von Martin Schulz und der SPD so euphorisch gelobten Vorstellungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, die Deutschland nach Lesart der SPD weitgehend im Koalitionsvertrag übernehmen soll, sind de facto eine Transferunion, bei der Deutschland in erster Linie Zahlmeister sein darf. Was soll die Macron-Worthülse „Neugründung Europa“, wenn derzeit Polen, Ungarn, Tschechien, die Slowakei und jetzt auch Österreich bereits die EU-Flüchtlingspolitik ablehnen?

Es ist kein Zufall, wenn Macron für eine Große Koalition in Deutschland plädiert. Die derzeit nur noch geschäftsführende Kanzlerin kommt blauäugig Martin Schulz, der sich innerlich immer noch nicht vom Amt des Präsidenten des EU-Parlamentes freimachen konnte, in der Europa- und auch in der Flüchtlingspolitik entgegen. Scheckbuch-Politik nennt man das! Bereits im Sondierungspapier lässt ein Schachtelsatz Schlimmes ahnen: „Auch spezifische Haushaltsmittel für wirtschaftliche Stabilisierung und soziale Konvergenz und für die Unterstützung von Strukturreformen in der Eurozone“ sollen bereitgestellt werden. Wie solche „Haushaltsmittel“ des deutschen Steuerzahlers versickern, sieht man seit Jahren in Griechenland. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Europa an Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung verliert.

Ein weiterer Stolperstein, so die CSU und hier insbesondere Horst Seehofer nicht wieder „umfallen“, dürfte die Flüchtlingspolitik und der Familiennachzug werden. Bereits im Sondierungspapier wurde die von der CSU „garantierte“ Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr durch einen sogenannten „Korridor“ – 180.0000 bis 220.0000 Flüchtlinge ohne Einschränkung des Asylrechts plus Familiennachzug von 1.000 genehmigten Fällen pro Monat – aufgeweicht. Im CSU-Wahlprogramm zur Bundestagswahl, Bayernplan genannt, wird auf den Seiten 16 und 17 den Wählern anderes garantiert. Jetzt will die SPD den Familiennachzug im Gegensatz zur CSU unbeschränkt festschreiben. Die Kosten spielen offenbar keine Rolle; wir haben ja eine starke Wirtschaft, die man notfalls anzapfen kann. Es dürfte also noch spannend werden. Sollte die CSU wieder umfallen, könnte sie in einigen Monaten bei den Landtagswahlen im Freistaat die Quittung durch die Wähler erhalten.

Minderheitsregierung und neue unverbrauchte Gesichter

Alles in allem wären die Unionsparteien gut beraten, jetzt bei den abschließenden Koalitionsverhandlungen Standvermögen zu zeigen. Die Unionsparteien haben nach wie vor die Option einer Minderheitsregierung – vorzugsweise mit der FDP. Sie wäre die bessere Lösung! Eine Große Koalition ist mit zu vielen Risiken behaftet, weil die SPD wirklich sehr labil geworden ist. Eine Minderheitsregierung funktioniert in vielen Staaten sehr gut. Es käme also auch in Deutschland auf einen Versuch an. Ob die geschäftsführende und „Noch-Vorsitzende“ der CDU da mitmacht oder nicht? Dies darf für die Unionsparteien kein Kriterium sein. Auch eine Parteivorsitzende ist parteiintern abwählbar. Es gibt inzwischen eine WerteUnion innerhalb der Union, es gibt den oben erwähnten Wirtschaftsrat der CDU mit zahlreichen einflussreichen Unternehmern und es gibt den Berliner Kreis der Union. Alle drei Gruppierungen stehen für eine CDU/CSU , in der die abgewanderten Unionswähler wieder eine Perspektive und politische Heimat hätten. Aber Wirtschaftsrat, WerteUnion und Berliner Kreis müssen die Interessen bündeln und noch mehr für ihre Überzeugungen „trommeln“.

Angela Merkels Zeit, und die ihrer geneigten „Hofschranzen“ Peter Altmaier, Volker Kauder und Ursula von der Leyen, ist abgelaufen. Dies gilt auch in der Schwesterpartei CSU für Horst Seehofe; bei der SPD für den ohnehin weit überschätzten Martin Schulz. An der Spitze der Unionsparteien und der SPD kämpfen eine Frau und zwei Männer nur noch um das politische Überleben. Deutschland braucht deshalb frische Köpfe. Und die wollen die Deutschen auch sehen. Friedrich Merz, ein Merkel-Opfer, könnte man z.B. für die Politik reaktivieren. Man könnte ihn in die patriotische Pflicht nehmen. Karl-Theodor zu Guttenberg und übrigens auch der dynamische Markus Söder wären weitere Alternativen für oberste Personalien. Michael Kretschmer ist schließlich für höhere Aufgaben in Berlin geeignet. Die Union hat durchaus politische Alternativen.

 

Letzte Änderung am Montag, 29 Januar 2018 10:46
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag