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Die Schwarzmaler und China

Die Schwarzmaler und China © Pixabay

Maßlose Übertreibungen

Zur Klarstellung: Wir haben – siehe „Der WirtschaftsReport“ vom Januar 2011 – immer vor dem zeitweise schon kulthaften China-Hype – auch und gerade in den Medien – gewarnt. Getan wurde so, als ob das aufstrebende Land die gesamte Welt überrollen würde. China die neue Supermacht, von der die USA nur (das Wachstum betreffend) lernen könnten – dies war oft der Tenor! Ganze Themenschwerpunkte in den verschiedensten Magazinen zeichneten je nach Blickpunkt entweder ein beängstigendes oder bewundertes Szenario zur Entwicklung im „Reich der Mitte“.

Es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis China die USA überholen würde. Dies wird – keineswegs wegen der derzeitigen Kurseinbrüche an der Stock Exchange Shanghai – aus den verschiedensten Gründen nicht eintreten, vor allem aber, wenn man das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf zum Maßstab nimmt. Bei diesem realistischen Vergleich liegen geradezu noch Welten zwischen China (7.332 US-Dollar in 2014) und den Vereinigten Staaten (54.597 US-Dollar in 2014) – natürlich auch gegenüber Deutschland, das beispielsweise pro Kopf ein BIP von 41.995 US-Dollar im bisherigen Jahresverlauf 2015 (vorläufige Zahlen Statista) erwirtschaftete. Anders formuliert: China ist, bezogen auf die riesige Bevölkerung, ein relativ armes Land; da nützen auch die hochgezogenen futuristischen Türme in den glitzernden Megastädten des Landes nichts.

Hinzu kommt, dass trotz der enormen und anzuerkennenden Aufholjagd des Landes, China immer noch weitgehend einfachere Produkte herstellt, wiewohl inzwischen bei einigen Technologien – zum Beispiel in der Bahntechnik mit Hochgeschwindigkeitszügen – chinesische Konkurrenten schon aufgeschlossen haben. Siemens kann davon ein Lied singen. Auch in den Bereichen der weniger anspruchsvollen Anlagen und Maschinen wurde China inzwischen zum ernsten Wettbewerber u.a. für die deutschen Maschinenbauer. Für einige südamerikanische Kunden der Chinesen muss es ja nicht unbedingt eine mit Elektronik vollgestopfte und teure Hightech-Maschine aus dem Schwabenland sein. Fakt ist aber auch, dass China wiederholt jährlich mit zweistelligen Zuwachsraten beim Wirtschaftswachstum aufwartete. Für einzelne deutsche Automobilhersteller wurde China zum wichtigsten Abnehmer-Markt. Zusammengefasst: China ist zwar nicht das Nonplusultra, aber – dies muss neidlos anerkannt werden – inzwischen eine globale und wichtige Wirtschaftsmacht – für Deutschland ein enorm wichtiger Handelspartner. Die Wahrheit in der Bewertung Chinas (nach den jüngsten Börsenturbulenzen der Börse in Shanghai) liegt, wie so oft im Leben, in der Mitte. Aber das Land hat genug Ressourcen auf allen Gebieten, einschließlich der militärischen Fähigkeiten, um etwa zusammen mit Russland die geopolitische Lage entscheidend zu Gunsten des Gespanns Russland/China zu verändern.

Börsengurus und Schwarzmaler

Nun aber zeigen sich seit einigen Wochen Gewitterwolken; nun haben wieder Börsengurus und Schwarzmaler weltweit Konjunktur, nur weil sich der Composite Index Shanghai in einer wilden Achterbahnfahrt befindet. In China spiele sich ein Drama ab – im Gegensatz zu Griechenland drohe da eine echte Krise, meinte „Die Welt“. Gemach, gemach, liebe Kollegen. Droht tatsächlich aufgrund der aktuellen Börsenentwicklung in China eine neue Weltwirtschaftskrise? Dies wäre sicher übertrieben und zumindest für die deutsche Wirtschaft dürfte das aktuelle Geschehen überschaubar bleiben. Immerhin sind Frankreich, United Kingdom und die Vereinigten Staaten als deutsche Handelspartner noch klar vor China positioniert. Allerdings gab es an den Börsen auch außerhalb Chinas Einbrüche, die freilich von der Ratio her nicht begründbar sind. Aber so sind sie nun einmal, die Börsianer; gelegentlich etwas weltfremd. Denn generell bleibt ja China auf Wachstumskurs, wenn auch nicht mehr mit zweistelligen Zuwachsraten. Maß man deshalb „verrückt“ an den Börsen werden? Eigentlich nicht, denn die Wachstumsraten Chinas werden mit sechs oder sieben Prozent weiterhin immer noch beeindruckend sein.

Kein genereller Absturz

Wir haben es also nicht mit einem generellen „Absturz“ zu tun, sondern erleben ein „verlangsamtes, aber auch nachhaltigeres und gesünderes Wachstum“, sagte etwa Dieter Broszio von der besonders vom Anlagen- und Maschinenbau geprägten Region im Bezirk der IHK Bodensee-Oberschwaben gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“. Und diese Aussage trifft den Kern. Die Fundamentaldaten Pekings sind immer noch gut. Ein riesiger Binnenmarkt mit gut 1,4 Milliarden Verbrauchern sorgt noch lange für eine florierende Industrie. Der Nachholdbedarf der Bevölkerung in Richtung unseres Lebensstandards – siehe oben das erwähnte BIP pro Kopf – ist weiter hoch. Und vielleicht ist es auch für einige deutsche Unternehmen gut und ratsam, vielleicht sogar heilsam, nicht zu einseitig auf China zu setzen. Die Folgen des zu sehr forcierten chinesischen Marktes erlebt derzeit die VW-Gruppe, die aufgrund der chinesischen Erfolge den nordamerikanischen Markt zumindest, vorsichtig ausgedrückt, etwas vernachlässigt hat. Freilich können die Wolfsburger aber auch sagen, was man an Verkäufen in China „eingefahren“ hat, das hat man…

In Saldo wird China ein wichtiger Markt bleiben; die Bäume indessen wachsen natürlich auch dort nicht in den Himmel. Wenn schon eine Krise im Umfeld mit China zu registrieren ist, dann liegt diese nicht so sehr im wirtschaftlichen, sondern im politischen Bereich. Gemeint ist die Verschiebung des geopolitischen Weltbildes in Richtung einer immer enger werdenden Partnerschaft zwischen Russland und China mit der Folge, dass aufgrund der unsinnigen und kontraproduktiven Sanktionspolitik von Merkel & Co dem deutschen Anlagen- und Maschinenbau (und nicht nur diesem) der wichtige russische Markt wegbricht, den inzwischen freudig u.a. die Chinesen kompensieren. Die Sanktionspolitik gegenüber Russland wird sich in wenigen Jahren als eine der größten wirtschaftspolitischen Dummheiten zu Lasten der deutschen Industrie erweisen. Es ist erstaunlich, dass dies einige Kommentatoren in einigen der Bundeskanzlerin geneigten Zeitungen nicht verstehen oder verstehen wollen. Denn die deutsche Bundesregierung wird Russland nicht in die Knie zwingen können, wirtschaftlich nicht – da stehen China und andere asiatische Wettbewerber Deutschlands wie Südkorea oder Japan längst „ante portas“ zum Markteintritt Russlands – und militärisch ohnehin nicht.

Letzte Änderung am Donnerstag, 20 April 2017 15:55
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag