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Die überschätzte Kanzlerin

Die überschätzte Kanzlerin CDU/Laurence Chaperon

Führungsstärke war einmal

Am 22. November 2005 wurde Angela Merkel erstmals zur Bundeskanzlerin gewählt! Sie wird in diesem Jahr zehn Jahre im Amt sein. Sollte nicht etwas ganz Außergewöhnliches, wie ein Rücktritt, passieren, wird sie nach dem Ende der derzeitigen Legislaturperiode 12 Jahre deutsche Regierungschefin sein. Ob sie jedoch Helmut Kohl (16 Jahre Kanzler) und Konrad Adenauer (14 Jahre im Amt) überholt, darf bezweifelt werden. Zunächst einmal müsste sie dann nochmals im Herbst 2017 bei der nächsten Bundestagswahl antreten. Aber im Gegensatz zu Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, der schon einmal verkündete, eine absolute Mehrheit für die Unionsparteien sei möglich, hat gerade die Kanzlerin in letzter Zeit doch stark an Strahlkraft verloren.

Sie wirkt in vielen Entscheidungen führungsschwach und delegiert gerne auf die Ministerebenen, wenn gerade ihre Führungskraft erforderlich wäre. Vorbei sind die Zeiten, in denen sie, wie nach einer „Stern“-Umfrage (2012), als führungsstark galt. Wie kam das? Verschiedene Ereignisse wären zu nennen. Da ist einmal die fast groteske Unterwürfigkeit gegenüber Obama beim NSA-Skandal. Ausspionieren unter Freunden, dies geht gar nicht (Merkel) – dies war als Reaktion mehr als dürftig. War dies die einzige Antwort zu einer nicht enden wollenden Abhöraffäre? Von einer deutschen Bundeskanzlerin, selbst laut Spiegel und anderen Medien abgehört und immerhin Chefin der viertwichtigsten Macht im NATO-Bündnis, hätte man gegenüber dem Verbündeten USA deutlichere und energischere Worte erwarten dürfen.

Dann der G 7-Gipfel von Elmau, bei dem sie als Gastgeberin die Möglichkeit versäumte, wesentlich stärkere Impulse zu so wichtigen Fragen wie die Verschiebung der geopolitischen Weltlage oder die Herausforderungen durch die dramatisch ansteigenden Flüchtlingszahlen zu setzen. Wo zeigt denn die Bundeskanzlerin Überzeugungskraft zur Flüchtlings- und Asylpolitik der EU? Hier könnte sich übrigens einmal die EU profilieren!

Dann das Thema Ukraine und Russland. In einer fast schon peinlichen Nibelungentreue zu Obama trug sie schon im Vorfeld der Ukraine-Krise mit dazu bei, entsprechend den Vorstellungen der USA die Ukraine für die EU und auch für die NATO zu gewinnen und anzuwerben, was schließlich ganz zwangsläufig zur großen politischen Krise mit Russland führen musste. Man muss im Nachhinein dankbar sein, dass die EU-Ambitionen mit der Ukraine nicht zum Tragen kamen, wenn man nur daran denkt, welche Probleme ein EU-Mitglied Ukraine – im Vergleich mit dem kleinen Griechenland – verursacht hätte.

Hier hätte von Anfang an die Kanzlerin – damals war noch Westerwelle Außenminister in der schwarz-gelben Koalition – auch in Richtung der damaligen Außenbeauftragten der EU deutliche Worte verkünden müssen. Was haben wir heute? Eine völlig unsinnige und kontraproduktive Sanktionspolitik gegen Russland, die dazu führte, dass die Allianz Russland mit China immer bedeutender wird. Entgegen der Meinung auch einiger geneigter Medien ist die Sanktionspolitik auch für die deutsche Wirtschaft ein Eigentor. Wenigstens hat die Kanzlerin eine deutsche Waffenhilfe für die Ukraine, lau zwar, aber immerhin, abgelehnt. Ein Bundeskanzler Schröder hatte noch den Mut, 2001 den USA zu verdeutlichen, dass sich Deutschland an einer militärischen Operation im Irak nicht beteiligen würde.

Griechenland-Debakel

Dann jetzt das erneute Finanzdebakel mit Griechenland. Nicht wenige Abgeordnete der eigenen Fraktion haben Merkel die Gefolgschaft verweigert. Als sie merkte, dass Frankreichs Staatspräsident Hollande Griechenland von den Deutschen weder aus der EU noch aus dem Euro drängen ließ und auch Merkels „Quasi-Oberchef“ im Weißen Haus signalisierte, dass Griechenland eine wichtige strategische Rolle in der NATO spiele, übergab sie die Verhandlungsrunden – ihr selbst war dies wohl zu heiß – vorwiegend ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble. Der Alemanne räumte prompt offen Differenzen mit der Kanzlerin bei der Bewertung Griechenlands ein. Schäuble durfte die Grobarbeit tun, die Kanzlerin spielte im Hintergrund die Retterin Europas. Zurecht hat sie der „Spiegel“ als Trümmerfau auf der Titelseite des Magazins bezeichnet. Roger Köppel, Chefredakteur der renommierten Zürcher „Weltwoche“ brachte es offen auf den Punkt: „Sie wurstelt sich durch, so gut es eben geht“.

CDU oder SPD-Light?

Inzwischen schielt offensichtlich die Bundeskanzlerin nur noch auf den Medien-Main-Stream eines Massenblattes und biedert sich an, anstelle wirklich Führungsstärke zu zeigen. Viele Stammwähler der CDU fragen sich inzwischen, für was die Kanzlerin, die ja auch Parteivorsitzende der CDU ist, eigentlich steht. Verkörpert die Merkel-CDU noch christlich-konservative Grundwerte oder ist sie politisch schon eine Art „SPD-Light“? Wo ist das Profil und die Abgrenzung einer immer mehr der SPD ähnelnden CDU in Richtung SPD-Light? Selbst führende Repräsentanten der Wirtschaft, rümpfen gelegentlich die Nase. Und selbstständige erfolgreiche Großunternehmer (die nicht aufgrund ihrer Unabhängigkeit kuschen müssen) wie Heiner Weiss, der mit seiner SMS Group 14.000 Arbeitnehmer(innen) beschäftigt, kritisierte die Kanzlerin mit deutlichen Worten wie „Frau Merkel schafft es mit ihrer Wohlfühlpolitik, die Bürger blind für die Zukunft zu machen“. Immerhin war Weiss sogar einmal Präsident des mächtigen Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrates. Weiss trat schon vor längerer Zeit aus der CDU aus.

Kritik an der Kanzlerin kommt verstärkt auch aus den Reihen der Schwesterpartei CSU. Peter Gauweiler, nie ganz pflegeleicht und mit einem klaren Profil und Standvermögen, gab leider wegen der Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung sein Bundestagsmandat zurück. Auch Gauweiler sieht leider eine Vernachlässigung der bürgerlichen Stammwähler der Union unter der Kanzlerschaft Merkel. Die Unionsparteien können von Glück reden, dass Gauweiler keine eigene Partei gegründet hat. Sie wäre zu einem Sammelbecken der unzufriedenen konservativen Wähler geworden.

Auch der frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist mit dem Merkel-Kurs überhaupt nicht zufrieden. Das Erstarken gewisser Strömungen, hänge als Folge damit zusammen, dass die Unionsparteien „mit der Frage nach der Identität unseres Volkes und unserer Nation zu leichtfertig umgegangen“ sind. Friedrich kritisierte insbesondere die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft und die Wirtschaftspolitik der CDU unter Merkel. Schließlich sieht sich auch der langjähriger Verkehrsminister Peter Raumsauer bei seiner Kritik nicht als „Bauchredner der Kanzlerin“.

Letzte Änderung am Donnerstag, 20 April 2017 15:59
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag