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Wirtschaftssanktionen sind immer ein riskantes Spiel

Wirtschaftssanktionen sind immer ein riskantes Spiel © Siemens

Kleine Feuer können Flächenbrände verursachen

Die Ereignisse in der Ukraine sind außer Kontrolle geraten, weil dort die politische Entwicklung aufgrund der Bevölkerungsstruktur nicht so einfach ist, weil hierzulande so getan wurde, als ob der Maidan-Platz in Kiew repräsentativ für die ganze Ukraine sei. Und genau dies ist nicht der Fall.

Auf der Krim sind z.B. fast 60% der Bürger Russen. Die Einwohner der weitgehend russisch sprechenden Ostukraine haben ein völlig anderes Weltbild und tendieren im Gegensatz zur Westukraine keineswegs zum Westen bzw. zur EU. Deshalb war es so töricht, nach dem „Machtwechsel“ in Kiew die russische Sprache als zweite Amtssprache in Frage zu stellen. Die jüngsten Demonstrationen in Charkow, Donezk, Odessa und anderen Orten zugunsten einer Orientierung eher nach Russland haben deutlich gemacht, dass die Ukraine kein homogener Staat ist. Leider haben dies westliche Politiker, die auf dem Maidan Partei für die revolutionäre Opposition einnahmen, nicht erkannt. Die Dinge haben sich daher verselbstständigt. Die Ereignisse auf der Krim sind eine Folge der Entwicklung auf dem Maidan in Kiew. Dies wurde leider dort und auch im Westen nicht bedacht.

Darauf wies jetzt auch Altkanzler Gerhard Schröder hin. Die EU-Spitze habe „nicht im Entferntesten kapiert, dass die Ukraine ein kulturell gespaltenes Land ist und dass man mit einem solchen Land so nicht umgehen kann“, so Schröder auf einer Veranstaltung der Wochenzeitung „Die Zeit“. Man habe den Fehler gemacht, ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine unter dem Motto „Entweder oder“ abschließen zu wollen, meinte der frühere Bundeskanzler. Auch „Altroutinier“ Henry Kissinger hat als ehemaliger US-Außenminister das Umfeld der Entscheidungen in der Ukraine-Krise und vor allem die Dämonisierung Putins, die keine Strategie sei, kritisiert: „Der Westen muss verstehen, dass die Ukraine für Russland niemals nur ein fremdes Land ist“, schreibt Kissinger in einem Gastbeitrag in der renommierten „Washington Post“.

Jetzt ist guter Rat teuer. Dabei gibt es Vorbilder! Warum kann man in der Ukraine sich nicht die ehemalige Tschechoslowakei zum Vorbild nehmen, wo es friedlich und vorbildlich reifen Politikern gelang, die langjährige Ehe sauber zu scheiden und zwei Staaten zu bilden: Tschechien und die Slowakei, die längst wieder eng befreundet sind. Die Bevölkerung der Krim will offensichtlich zu Russland. Was spricht dagegen, wenn die Wünsche des Souverän gelten sollen? Die Krim wird nicht mehr für Kiew zu halten sein. Dies ist auch der Preis für das törichte Agieren der Verantwortlichen des Maidan, die die Kunst des Möglichen leider nicht akzeptieren wollen. Sie haben nicht viel, und das Wenige, das sie haben, zerstören sie noch! Man muss nur die Bilder des Maidan-Platzes jetzt sehen. Der Westen bzw. die EU darf Kiew wieder aufbauen.

Russland wird die Krim in die Russische Föderation aufnehmen und da helfen auch keine wilden und wüsten Sanktionsdrohungen gegen Russland. Wollen die Schürer für „mehr Härte“ (auch in verschiedenen Medien) einen Krieg? Kein vernünftiger Mensch will wegen der Krim einen Krieg, aber einige tun alles, um die Stimmung kräftig „für ein hartes Vorgehen“ gegen Moskau anzuheizen. Nur hat niemand der „Stimmungsanheizer“ ein Patentrezept gegen das mehrheitliche Aussprechen der Krim-Bevölkerung zugunsten der Russischen Föderation – außer der Forderung nach „harten“ Sanktionen gegen Russland. Was heißt aber hart, was soll denn „weh“ tun? Auch Journalisten haben eine hohe Verantwortung. Wer ständig etwa Putin in die schlimme Ecke stellen will, darf sich nicht wundern, dass solche Dinge, nicht nur von ihm, registriert werden.

Isolierer schotten sich immer auch selbst ab

Wir hören jetzt unsinnige Vorschläge für Sanktionen, die in ihrer Naivität nicht mehr zu überbieten sind. Russland soll die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 genommen werden. Wir befinden uns jetzt bitteschön im Jahre 2014. Die Fußballweltmeisterschaft in wenigen Wochen hat in Brasilien noch nicht begonnen. Da sollte die WM 2018 aber wirklich jetzt kein Thema sein. Und nebenbei ist die Entscheidung für ein Austragungsland keineswegs Sache der Politik. Dann, auch eine nicht intelligente Forderung, soll Russland isoliert werden. Wer isolieren will, isoliert sich aber auch immer selbst. Und was würde ein Isolieren Russlands, so es überhaupt zu organisieren ist, bringen? Wenig, denn die USA und die EU sind nicht die Welt. China als inzwischen – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zeigt im Gegenteil Verständnis für Russlands Haltung zu den Themen Ukraine und Krim. Russlands Präsident Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping betonen ihre tiefe – auch persönliche – Freundschaft. China wird die europäischen Abnahmevolumen für russisches Öl und Gas leicht kompensieren können. Geopolitisch wollen Russland und China noch enger zusammenarbeiten. Auch Indien als wichtiger Markt – das Land hat mit 1,2 Milliarden Einwohnern nach China die höchste Bevölkerungsanzahl der Welt – ist für Russland ein bedeutender Kunde und denkt im Traum nicht daran, Russland an den Pranger zu stellen. Brasilien will seine Beziehungen zu Russland weiter ausbauen. Alle BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) wollen gemeinsam die globalen Herausforderungen angehen. Das Projekt EURASIEN ist dabei ein wichtiger Baustein. Also mit einem Isolieren Russlands ist es nicht weit her, wenn die bevölkerungsreichsten Staaten nicht mitmachen.

Sanktionen schaden Deutschland

Auch „Strafsanktionen“ wären insbesondere für Deutschland völlig kontraproduktiv, denn Russland ist keineswegs nur – aber ein sehr wichtiger – Lieferant für Erdgas. Von über 240 Staaten, mit denen Deutschland Handel treibt, gehört Russland zu den wichtigsten Kunden für deutsche Produkte. Dabei darf man die Exporte nach Russland keineswegs linear sehen. Für einige wichtige deutsche Schlüsselbranchen – etwa der Maschinen- und Anlagenbau – ist Russland der viertgrößte Abnehmer deutscher Produkte. Fast alle wichtigen Adressen der deutschen Industrie produzieren inzwischen auch in Russland – zum Teil in großen Fabriken. Soll Russland so gereizt werden, dass die Anlagen als etwaige Gegenreaktion für ein „Einfrieren“ russischer Finanzen beschlagnahmt würden? Dies kann doch nicht zielführend sein! Auch die in Deutschland verbreitete Legende, Russland sei „nur“ Rohstofflieferant und auf deutsche Technologie angewiesen, stimmt ja so nicht. Das russische Unternehmen Rosatom ist beispielsweise inzwischen weltweiter Marktführer im Reaktorbau und hat für Kernkraftwerke einen Auftragsbestand aus dem Ausland von über 60 Milliarden Euro. Inzwischen gehören die Anlagen des Typs AE-S2006 zu den innovativsten Kraftwerken – made in Russia! Wer über eine ausgefeilte Technik in der Kernenergie oder in der Raumfahrt verfügt, ist keineswegs „nur“ Gas- und Öllieferant, wobei die Erschließung und Förderung von Gas und Öl in Sibirien durchaus Technologie vom Feinsten darstellt. Die Hightech-Röhren für South-Stream, ein weiteres Beispiel, liefern zu je 50% russische Stahlwerke und Salzgitter/Dillinger Hütte. Der Großauftrag sichert in Deutschland die Auslastung der Hersteller für zwei Jahre! Russland und Deutschland sollen gute Partner bleiben – als solche sitzen sie in einem Boot.

Was soll damit gesagt werden? Sanktionen sind zumindest für die deutsche Wirtschaft ein Eigentor. Auch in Frankreich gibt es inzwischen Ängste, Russland könne Großaufträge als Antwort für Sanktionen stornieren. Französische Werften arbeiten derzeit an russischen Großaufträgen. London wiederum fürchtet um seinen Finanzplatz. Und das „Einfrieren“ von Geldern? Will sich der Westen auf das Niveau von Dieben begeben? Wer erhebt Anspruch beim „Einfrieren“ auf russische Geldanlagen, die ihm nicht gehören? Was ist dies für ein Gebaren? Was wäre dann der Gegenzug von Russland? Das Land könnte für die Sicherheit des Westens sogar sehr wichtige Abrüstungsverträge, die eine globalstrategisch gemeinsame hohe Qualität haben, aufkündigen. Zusammengefasst hilft alles Wutgeschnaube in westlichen Medien und in der Politik nichts – die Probleme in der Ukraine müssen im Einvernehmen mit Russland politisch gelöst werden. Wir haben auf der Welt andere politische Probleme als die Ukraine, die nur in der Zusammenarbeit mit Russland gelöst werden können. Die EU hat ganz wesentlich zusammen mit den USA die Stimmung in Kiew angeheizt. Immer mehr politische Stimmen im Westen – siehe oben – geben dies inzwischen zu. Jetzt – wir wiederholen – ist guter Rat teuer!

Letzte Änderung am Donnerstag, 27 April 2017 14:11
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag