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Voreilige Dämonisierung Russlands und seines Präsidenten:

Voreilige Dämonisierung Russlands und seines Präsidenten: © Pixabay

Erstaunlich einseitige deutsche Medien

Wir erleben derzeit – nicht nur im unmittelbaren Umfeld der Ukraine-Frage – eine einmalige Medienschelte gegen Putin und Russland, die teilweise hysterische Merkmale aufweist. Da ist es bemerkenswert, wenn jetzt in Amerika von angesehenen Politologen und ehemaligen Repräsentanten der amerikanischen Administration kritisch hinterfragt wird, ob der Westen Fehler in der Lageeinschätzung in der Ukraine beging und mit zweierlei Maß das Geschehen bewertet.

Immerhin hat jetzt Paul Craig Roberts, unter Präsident Ronald Reagan Berater im amerikanischen Finanzministerium, in einem Interview mit der „Stimme Russland“ moniert, dass Extremisten und Nationalisten in der neuen Führung der Ukraine zur Verschärfung der Lage beitragen. Er nannte z.B. das, wenn auch auf Druck des Westens zunächst wieder zurückgestellte, Verbot des Russischen als zweite Amtssprache nach dem Putsch in der Ukraine, obwohl der Anteil der Russen – von der Krim ganz zu schweigen, wo die Russen die Mehrheit stellen – in den östlichen Regionen der Ukraine sehr hoch ist. Unsinnige Sprachenregelungen fördern aber eine Spaltung der Ukraine. Auch würden, so der amerikanische Ökonom, die strategischen Interessen Russlands durch die neuen Machthaber in Kiew durchaus bedroht.

Offen sprach er davon, dass der Staatsstreich vom Westen provoziert worden sei. Tatsächlich waren in der heißen Phase des Aufstandes auf dem Maidan-Platz führende politische Repräsentanten u.a. aus der EU und Deutschland, etwa Ex-Außenminister Westerwelle, präsent. Der Westen ist in der Ukraine Partei. Dies sieht man auch an der täglichen Berichterstattung. Durch das Assoziierungsabkommen mit der EU, das jetzt schnell unterzeichnet werden soll, wurde ein überzogener Erwartungshorizont bei der ukrainischen Bevölkerung aufgebaut. Es fließt aber kein goldener Honig von der EU! Dies muss man den Ukrainern sagen! Auch wird das Vorhaben in einzelnen EU-Ländern kritisch gesehen, denn die Ukraine ist für die EU eine enorme finanzielle Herausforderung und könnte ein zweites Griechenland werden. Schlimm sind einige EU-Phantasten, die jetzt vor dem Scherbenhaufen ihrer Ukraine-Strategie stehen und nun in ihrer Verzweiflung nach Sanktionen gegen Russland rufen, weil der Ukraine ein Auseinanderfallen droht. Es kann nicht verwundern, dass die EU immer unattraktiver bei der Bevölkerung in vielen Ländern wird.

Was lief schief zwischen den USA und Russland?

Was ist im Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Russland schiefgelaufen? Denn noch nach dem furchtbaren Anschlag auf das WTC in New York am 11. September 2001 war Putin einer der ersten, der Unterstützung und Solidarität den Amerikanern bei der internationalen Terrorbekämpfung anbot. Im Mai 2002 wurde gar in Rom der Vertrag für den „NATO-Russland-Rat“ geschlossen. Der damalige amerikanische Präsident George W. Bush lobte die enge Zusammenarbeit mit Russland. Der Vertrag definiert Kooperationen in der Terrorbekämpfung und bei der gegenseitigen Rüstungskontrolle. Man war also im Vertrauen zueinander schon sehr weit. Russland bot dem Westen logistische Unterstützung wie Überflugrechte beim Afghanistan-Einsatz. Was, um Himmels Willen, ist dann im Verhältnis schiefgelaufen? Es wäre angebracht, darüber nachzudenken?

Es gab viele Nadelstiche, die Russland kränkten und seine Führung vor vollendete Tatsachen stellten. Ein Land wie Russland, immer noch eine starke Atommacht, will in die Entscheidungen eingebunden und nicht wie ein dummer August „vorgeführt“ werden. Es gibt einige Beispiele des Übergehens. Dazu gehörte der im März 2003 begonnene Krieg der USA gegen den Irak, ohne Mandat der UNO und unter dem Vorwand versteckter Massenvernichtungswaffen. Saddam Hussein war ein Tyrann und Schlächter – aber die angeblichen Massenvernichtungswaffen wurden nie gefunden! Es kam zum Zerwürfnis der USA mit den Willigen und Unwilligen in Europa. Die Deutschen gehörten zu den Unwilligen! 2008 – die EU hat jetzt in der Ukraine aus dem Georgien-Debakel nichts gelernt – schlugen sich die EU und die USA auf die Seite des Georgiers Michail Saakaschwili, als dieser sich in völliger Verkennung seiner Möglichkeiten mit Russland anlegte und einen Krieg begann. Auch da erfuhr Russland wüste Beschimpfungen durch den Westen. Ebenfalls 2008 erklärte sich der Kosovo mit der US-Rückendeckung einseitig für unabhängig von Serbien und prompt erkannten die USA den Kosovo völkerrechtlich an. Die Russen – traditionell mit Serbien befreundet – durften zuschauen … Diese Demütigung sitzt in Moskau tief.

Dann war der Iran Vorwand der Amerikaner, in osteuropäischen Staaten ein Raketenabfangsystem zu planen, das die Russen als Bedrohung in unmittelbarer Nähe ihrer Grenzen sehen. Russland wieder als Zuschauer! Wenn zwei das Gleiche tun, ist es – diese Erfahrung machen jetzt die Russen – leider doch nicht das Gleiche! Als die Sowjets seinerzeit auf Cuba Raketen installierten, haben die Amerikaner zurecht darauf hingewiesen, dass sie vor ihrem Hauseingang eine derartige Bedrohung nicht dulden. Wenn jetzt die Ukraine – dies war auch in Georgien geplant – in einer 2. Stufe NATO-Mitglied wird, befürchtet Russland eine Bedrohung seiner Sicherheitsinteressen. Wo liegt der Unterschied zu Cuba? Immerhin fragt jetzt die „Washington Post“, weshalb aktuell die Amerikaner den Russen moralische Belehrungen erteilen müssen, wo man doch, sei es in Grenada oder in Panama gewesen, durchaus beim Einmarsch nicht zimperlich war, als die USA ihre Interessen berührt sahen.

Mehr Psychologen wären nützlich

Dass Russland zutiefst bei der Beurteilung der Lage in der Ukraine verletzt ist, kann man durchaus verstehen. Am 21. Februar 2014 wurde von den Außenministern Deutschlands, Polens und Frankreichs und den Vertretern des Maidan in Kiew ein Abkommen mit dem noch amtierenden Präsidenten der Ukraine unterzeichnet. Es hat bis zum nächsten Kirchturmläuten gehalten, weil der Maidan weiter rebellisch war. Die eigenen Leute von der damaligen ukrainischen Opposition wurden dann auch prompt auf dem Maidan ausgepfiffen. Der amtierende Präsident musste fluchtartig das Land verlassen. Die noch gültige Verfassung der Ukraine wurde gebrochen. Verständlich, dass Russland aufgrund der Ereignisse in Kiew kein Vertrauen mehr in die jetzige Führung des Landes hat. Russland ist immer noch oder wieder eine Weltmacht – keineswegs nur im Energie- bzw. Rohstoffbereich.

Seit gut zwei Jahren wird der russische Präsident Putin im Westen dämonisiert. Einmal sind es die Menschenrechte, die verletzt würden, dann wieder das fehlende Demokratieverständnis. Schließlich wurde ständig das Olympiaprojekt Sotschi auch in den deutschen Medien negativ dargestellt. Vor dem Hintergrund aber, dass die Amerikaner befreundete Regierungschefs wie die Bundeskanzlerin abhörten, ist die westliche und deutsche Kritik an Putin freilich in einem anderen Licht zu sehen. Es wäre sehr wünschenswert, wenn wieder an das einmal vorhandene vertrauensvolle Klima – siehe Vertrag NATO-Russland-Rat – zwischen den USA und Russland angeknüpft würde.

Russland will ernstgenommen und rechtzeitig in Entscheidungen, die Interessen des Landes berühren, eingebunden werden. Als nach dem Untergang der Sowjetunion Russland sehr geschwächt war, entstand eine gewisse Siegermentalität des Westens. Dies prägte die verletzte russische Seele. Jetzt sitzt Russland wieder selbstbewusst auf enormen Devisen. Und erkennt getreu dem Leitspruch von Zar Alexander III (1881 – 1894 russischer Zar), demnach Russland nur zwei Verbündete habe, nämlich die Armee und die Flotte, dass es mit der Aufrichtigkeit des Westens so weit nicht her ist. Deshalb lässt sich das wieder selbstbewusste Land nicht alles gefallen. Eigentlich ist dies schon wieder verständlich. Vielleicht bräuchte man im Westen mehr Psychologen!

 

Letzte Änderung am Donnerstag, 27 April 2017 14:18
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag