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Fußballsport, Politik und Großinquisitor:

Der FIFA WORLDCUP 2018 Russia vermittelte weltweit einen enormen Imagegewinn für Russland. Der FIFA WORLDCUP 2018 Russia vermittelte weltweit einen enormen Imagegewinn für Russland. © Pixabay

Lothar Matthäus und ein Händedruck mit Präsident Putin

Die Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland neigt sich dem Ende. Sollte auch in den zwei letzten Tagen alles friedlich weiterlaufen, dann lässt sich jetzt schon sagen, dass mit der WM 2018 ein großartiger Erfolg und Imagegewinn für das Gastgeberland erreicht wurde. Kurz vor dem Ende der WM vermitteln positive Bewertungen wie z.B. hervorragend organisiert, wunderschöne Stadien oder viel Lob über die russische Gastfreundschaft weltweit ein neues Russlandbild. Führende Repräsentanten der internationalen Fußballwelt und ganz normale Fans waren sich einig: Der „FIFA WORDCUP Russia 2018“ gehört zu den besten Weltmeisterschaften seit Jahrzehnten. Dies sagte auch Deutschlands Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, 150 Länderspiele für Deutschland, in seinem kurzen Statement bei einem Empfang im Kreml.

Russlands Präsident Wladimir Putin lud ehemalige Fußballgrößen (neben Matthäus u.a. noch Marco van Basten, Diego Forlan, Peter Schmeichel) ein. Es ging um die Frage, wie der Fußballsport in Russland weiterentwickelt werden kann. Die Anerkennung der gelungenen WM in Russland durch Matthäus hat Gewicht; er war bei fünf Weltmeisterschaften als Spieler aktiv dabei. Matthäus legt auch Wert darauf, dass sein Lob auch nichts mit Putin zu tun hat: Es sei nicht Putins WM gewesen, sondern eine russische. Freilich hat Putin erkannt, welch einen enormen Stellenwert Fußball inzwischen auch in der russischen Öffentlichkeit hat. Hinzu kam natürlich das bravouröse Abschneiden der russischen Mannschaft.

Großinquisitor

So weit, so gut, könnte man eigentlich sagen. Aber welch eine Ungeheuerlichkeit ist bei der Einladung im Kreml passiert? Lothar Matthäus hat doch tatsächlich als Gast dem Gastgeber Putin bei der Begrüßung die Hand geschüttelt. Diese Selbstverständlichkeit gefiel dem Chefredakteur von BILD überhaupt nicht. Er geißelte Matthäus in einem Kommentar, weil der Rekordinternationale „keine blutigen Hände schütteln“ sollte. Und, so die „Aufklärung“ des Großinquisitors von der BILD, wir seien bei der WM „Gast bei einem Mörder, bei Wladimir Putin“. Mit so einem geschriebenen Geschwafel einer subjektiven Meinung wird die dringend notwendige Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen beschädigt und dies ist eigentlich nicht die Aufgabe eines Chefredakteurs. Als Begründung der gehässigen persönlichen Anwürfe gegen den russischen Präsidenten, die auch die deutsche Politik und wichtige Wirtschaftsführer irritierten, wurden u.a. die Bombardements in Syrien durch die russische Luftwaffe genannt.

In bester BILD-Gesellschaft – Ursache und Wirkung

Ganz abgesehen davon, dass sich aber Matthäus beim Händedruck mit Putin ausgerechnet sogar in bester BILD-Gesellschaft (u.a. mit dem ehemaligen BILD-Chefredakteur Kai Diekmann und Nikolaus Blome, Mitglied der BILD-Chefredaktion, bei einem früheren Interview mit Putin) befindet, ist die ungeheuerliche Beleidigung und Schuldzuweisung an Putin bzw. Russland durch Julian Reichelt – so heißt der gute Mann an der Spitze der BILD-Redaktion – schlicht falsch. Vergessen hat er scheinbar, wie der Bürgerkrieg in Syrien durch eine bewusste Destabilisierung des Landes entstand und wer die „Rebellen“ in Syrien angestachelt und mit Waffen versorgt hat. Russland und Putin jedenfalls waren es nicht … Da verwechselt Reichelt Ursache und Wirkung. Die Destabilisierung der Region – sie wurde „Arabischer Frühling“ genannt – umfasste mit den folgenden dramatischen Entwicklungen mit Todesfällen sogar Ägypten, wo ohnehin kein russisches Militär im Einsatz war. Auch dort führte die Destabilisierung zunächst zum Chaos im Lande, verbunden mit dem Sturz von Präsident Mubarak, der immerhin ein Garant für den Frieden mit Israel war. Nur so viel: Einen interessanten Aufsatz zum Thema Destabilisierung in Nordafrika (und wer dafür verantwortlich ist) hat der jüdisch-amerikanische Historiker Eric Zuesse veröffentlicht: https://www.globalresearch.ca/the-u-s-is-destroying-europe/5467920. Deutlicher kann man Reichelt nicht widerlegen.

Die aktuelle Häme gegen Putin – jetzt mit dem Beispiel Lothar Matthäus – ist übrigens nicht neu. Betroffen vom Urteil selbsternannter Scharfrichter (seinerzeit durch Klaus Kleber vom ZDF) war auch schon Siemens-Konzernchef Joe Kaeser im März 2014, als dieser einer Einladung Putins folgte und deswegen böse im ZDF gerüffelt wurde. Wer sich um eine ausgewogene Sicht bemühte, war plötzlich abqualifizierend ein „Putin-Versteher“. Dabei ging es Kaeser um Großaufträge für Siemens beispielsweise für die russische Eisenbahn. Damit waren und sind immerhin deutsche Arbeitsplätze verbunden. Heute sind wir um jeden „Putin-Versteher“ dankbar. Leider hat es auch der ehemalige US-Präsident Obama nicht überwunden, dass Putin Russland wieder zu einem selbstbewussten Partner, zugegeben auch auf militärischer Augenhöhe, machte. Wir brauchen Russland aus den verschiedensten Gründen dringend. Nicht zuletzt stellt das größte Flächenland der Erde für die deutsche Wirtschaft einen riesigen Markt dar.

Haben wir keine anderen Themen

Eigentlich wäre der Händedruck zwischen Matthäus und Putin nicht erwähnenswert, angesichts der Tatsache, dass wir derzeit in Deutschland ganz andere Sorgen haben. Deutschland ist innenpolitisch in einer enormen Polarisierung und die Gesellschaft droht zu zerreißen. Die Einigkeit der EU und möglicherweise auch der NATO steht auf dem Spiel, Zoll- und Handelsauseinandersetzungen zeigen eine bedrohliche Entwicklung auch für deutsche Schlüsselindustrien und die Migrationspolitik spaltet Europa. Amerika stellt sich globalpolitisch neu auf und verschiebt das Koordinatensystem, Putin und Trump treffen sich in Helsinki – vor diesen Hintergründen wird ein Händedruck von Matthäus mit Putin zur Staatsaktion dramatisiert. In Anlehnung von mein Gott Walter kann man da nur sagen „Mein Gott Julian“. Wenn wir in Deutschland keine anderen Sorgen haben – wie schön für unser Land: Tu felix Germania!

Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag