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Chinas neue Seidenstraße – Chancen für Europa

China wurde zum größten Handelspartner Deutschlands. Unternehmen wie Voith – Bild PSW Guangzhou – haben dort zahlreiche sichtbare Großprojekte realisiert. China wurde zum größten Handelspartner Deutschlands. Unternehmen wie Voith – Bild PSW Guangzhou – haben dort zahlreiche sichtbare Großprojekte realisiert. © Voith Hydro

Am Investitionsvolumen partizipieren

Als im Herbst 2013 Chinas Präsident Xi Jinping die Initiative „Neue Seidenstraße One Belt – One Road“ proklamierte, hat die westliche Politik dieses Vorhaben nicht verstanden und als Nebensache einer Nostalgie zur Kenntnis genommen. Gewiss, so Meinungen im Westen, wolle China mit dem Projekt an seine große Vergangenheit erinnern. Doch dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas ging und geht es um mehr! Mit einem im Jahr 2018 erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 14.093 Milliarden $ ist China inzwischen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt (nach den USA mit 20.413 Milliarden Euro). Die erreichte Position will Xi Jinping durch die Erschließung neuer Märkte festigen und ausbauen. Das „Reich der Mitte“ knüpft mit der Seidenstraßen-Initiative an seine glorreiche Geschichte an. Doch die Gewinnung neuer Handelspartner soll behutsam erfolgen. Die chinesische Führung will nicht als bestimmender neureicher Staat auftreten. Man sei bei allen erreichten Erfolgen immer noch ein Land im Aufholprozess.

Eine neue Weltbank für das Jahrhundert-Projekt

Tatsächlich erinnert jetzt die Seidenstraße wieder an die große Epoche der Tang-Dynastie (607 bis 918). Es war eine Zeit, in der China eine globalpolitisch herausragende Rolle u.a. mit dem Stoffhandel spielte und dies bei einem gleichzeitig hohen Wohlstand. Zahlreiche Erfindungen wie der Buchdruck, das Porzellan oder die Wasseruhr dokumentieren die damalige führende Position des „Reichs der Mitte“. Heute will Chinas Staatschef Xi Jinping sicher auch mit einem der größten Infrastrukturprojekte – Eisenbahnverbindungen, Straßen, Hafenanlagen, Pipelines, Kraftwerke, Staudämme – die alten Handelswege und Handelspartner von China über Kleinasien nach Europa neu beleben. Es ist ein Investitionsprojekt mit einer Summe von ca. 1.000 Milliarden US-Dollar! Peking hat sogar für die Projektfinanzierung zusammen mit weiteren Ländern eine neue Bank gegründet, die „Asian Infrastrukturce Investment Bank“. Es handelt sich um eine multilaterale Entwicklungsbank mit Sitz in Peking mit inzwischen über 90 Staaten als Mitglieder – sozusagen eine weitere Weltbank. Chinas neue Seidenstraße ist somit – schon vom Volumen her – keine Restauration einer antiken Vergangenheit. Es ist ein hochaktuelles Gegenmodell zum leider wieder praktizierten Abschotten der Märkte, wenn nur an drohende Handelskriege etwa zwischen den USA und China erinnert werden darf. Xi Jinping sieht in der 1000 Milliarden Dollar schweren Initiative ein Projekt des Jahrhunderts, das über Wirtschaftskorridore zahlreiche Märkte – zum gegenseitigen Vorteil – entlang der Seidenstraße erschließen soll.

Obwohl die Initiative One Belt One Road auch ein riesiges Projekt der Entwicklungshilfe darstellt, wird die Kritik – interessanterweise auch aus Deutschland – immer lauter. Zunächst sahen die USA in dem Vorhaben neue Seidenstraße den Versuch der chinesischen Führung, Hegemonie-Bestrebungen auszubauen. Es ginge den Chinesen weniger um Hilfe. Vielmehr wolle das Land seinen Führungsanspruch in der Welt zementieren. China – so auch die EU in Brüssel – betreibe in asiatischen und afrikanischen Ländern eine Expansionspolitik zu Lasten finanziell abhängiger Staaten und mache somit die „Partner“ abhängig. Gleichzeitig versuche China die EU zu spalten. Doch die EU spaltet sich leider selbst, wie man am Beispiel Großbritannien, Italien und einiger osteuropäischer EU-Mitglieder erkennen kann.

EU-Wut gegenüber Italien

Hintergrund war die jüngst in Rom erfolgte Unterzeichnung des Seidenstraßen-Abkommens. Italien verkaufe sich, so plakativ Focus-Online, an China. Dies ist schon deshalb unsinnig, weil der „Kauf“ der drittgrößten Volkswirtschaft in der EU-Zone (das G7-Mitglied Italien ist nach Deutschland und noch vor Frankreich das zweitstärkste Industrieland Europas) die Kräfte Chinas überfordern würde. Vergessen wurde bei der wutschnaubenden EU-Kritik an Italien, dass bereits zahlreiche italienische Firmen im Rahmen des italienisch-chinesischen Moratoriums Großaufträge ergattern konnten. So wird die italienische Ansaldo Energia im Rahmen eines Großauftrages 30 Gasturbinen u.a. für das Kraftwerk Minhang liefern. Auch Griechenland machte sich keineswegs abhängig, als es für seinen Hafen Piräus chinesische Logistik-Investoren akzeptierte. Im Gegenteil. Seit dem Einstieg von COSCO Shipping wurde Piräus zu einem der modernsten Logistik- und Hafenzentren des gesamten Mittelmeerraumes ausgebaut, was die EU übrigens nicht erreichte. Das chinesische Engagement genießt in der griechischen Bevölkerung bereits hohe Anerkennung. Es wurde zahlreiche Arbeitsplätze nicht nur im Hafen geschaffen. Die Investitionen, so die Griechen, hätten zur wirtschaftlichen Erholung des Landes beigetragen. Auch wird zuweilen vergessen, dass gerade Großprojekte der Infrastruktur wie der Hafen in Piräus nicht später „wegtransportiert“ werden können.

Kurzsichtige deutsche Kritik

Insbesondere Bundesaußenminister Heiko Maas hat Italien nach seiner Entscheidung für die neue Seidenstraße scharf kritisiert. Wenn einige Länder glaubten, so Maas in der „Welt am Sonntag“, dass man mit den Chinesen „clevere Geschäfte machen“ könne, dann würden sich diese noch wundern und aufwachen, wenn sie abhängig würden. Dabei vergisst Maas, dass viele deutsche Firmen bereits die chinesischen Aufträge dringend benötigen. Die oft chinakritische deutsche Non-Profit-Organisation „Mercator Institute for China Studies“ warnte, ganz im Sinne von Maas, rechtzeitig vor dem EU-China-Gipfel vor staatlichen chinesischen Subventionen, mit denen die Weltmärkte erobert werden könnten. Man fragt sich, was diese Kritik – auch die jetzt in den Medien wieder plötzlich postulierte Vernachlässigung der Menschenrechte in China – eigentlich soll. Natürlich kann ein Land wie China mit 1,4 Milliarden Einwohnern (zum Vergleich Deutschland mit 83 Millionen Einwohnern auf 358.000 Quadratkilometer) und fast 9,6 Millionen Quadratkilometer nicht nach Maßstäben der „Werte“ der EU regiert werden. Hans von Helldorff, Sprecher des neugegründeten „Bundesverband Deutsche Seidenstraßen Initiative (BVDSI)“, brachte es so treffend in einem Gespräch mit dem Autor dieses Beitrages auf den Punkt: Wer auch immer die Menschenrechte Chinas zitiert, möge auch einmal bedenken, wie China heute aussieht. Die chinesischen Führer nach Mao, insbesondere aber Deng Xiaping in seiner Amtszeit von 1979 bis 1997 , hätten das Riesenland wirtschaftlich geöffnet und – so von Helldorff – letztendlich die Grundlage dafür geschaffen, um „Millionen Menschen aus der Armut zu führen“. Dies relativiert die vermeintlichen Menschenrechte ganz erheblich. Gleiche Angriffe zum Thema Menschenrechte gab es übrigens jüngst auf dem Gipfel der EU mit der Arabischen Liga in Ägypten. Der ägyptische Präsident As-Sisi verbat sich jedoch westliche Belehrungen. Die sozioökonomischen Bedingungen in den arabischen Ländern – so die Ägypter auf dem Gipfel – könne man nicht mit Europa vergleichen. Ägypten wäre mit zwei blutigen Revolutionen (2011 und 2013) konfrontiert worden.

Die deutsche Kritik an China ist aus wirtschaftlichen Gründen kontraproduktiv und eigentlich sogar ausgesprochen dumm. Man vergrault nicht seine besten Kunden. China ist inzwischen nach den Zahlen für 2018 der größte Handelspartner Deutschlands mit einem Handelsvolumen (Export und Import) von 200 Milliarden Euro. Das entsprechende Volumen mit den USA beträgt 178 Milliarden Euro. Deutschland hat im vergangenen Jahr Waren im Wert von 93,1 Milliarden Euro nach China exportiert. Somit ist China der drittstärkste Abnehmer deutscher Produkte nach den USA und Frankreich. Laut Außenwirtschaftsportal Bayern entfielen vom deutschen Exportvolumen nach China allein 24,7 Milliarden Euro auf Fahrzeuge der deutschen Automobilindustrie. Anders formuliert: Ohne den Kunden China hätte die deutsche Autoindustrie als Schlüsselbranche einige Probleme mehr. Aber auch die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer profitieren durch chinesische Aufträge. So setzt Voith, das bereits in den letzten Dekaden und Jahren Großaufträge in seinen Bereichen Wasserkraftwerke und Papiermaschinen in China realisieren konnte, jetzt verstärkt auf Eisenbahntechnik (Kupplungen und Antriebstechnik) für chinesische Zuganbieter. Umgekehrt sollen in Thüringen 1000 Arbeitsplätze in einer entstehenden Fabrik für Batterien der E-Mobilität durch das chinesische Unternehmen CATL entstehen.

Deutscher Mittelstand ante portas

Es sind keineswegs nicht nur die großen deutschen Weltfirmen wie Siemens oder die BASF, die in China aktiv sind. BMW will z.B. Batteriezellen beim chinesischen Hersteller CATL im Volumen von vier Milliarden Euro kaufen. Aber auch die deutsche mittelständische Wirtschaft – insbesondere familiengeführte Unternehmen – ist an einem engeren Dialog mit China interessiert. Die Firmen wollen schlicht an den sich bietenden Chancen der neuen Seidenstraße partizipieren. Deshalb sei, so von Helldorff, auch der BVDSI gegründet worden. Der Verband sei eine „Kompetenzplattform in Sachen Identifizierung und Wahrung neuer Wertschöpfungspotenziale, die den Schrittmacher jeder wirtschaftlichen Entwicklung darstellen“, sagte von Helldorff weiter. Umgekehrt haben sich chinesische Investoren bei deutschen Unternehmen beteiligt. Nachdem soeben, wie Medien berichten, US-Präsident Trump eine „gewaltige Einigung“ mit seinem Kollegen Xi Jinping ankündigte, sollte auch in der EU und in Deutschland wieder mehr Gelassenheit beim Thema der neuen Seidenstraße einkehren.

Letzte Änderung am Dienstag, 23 April 2019 15:56
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag