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Afrika braucht einen abgesicherten Marshall-Plan

Megaprojekt in Ägypten: Siemens realisiert dort mit drei Gas- und Dampfkraftwerken inklusive der Netzinfrastruktur mit 10 Mrd. Euro den größten Auftrag in der Firmengeschichte. Megaprojekt in Ägypten: Siemens realisiert dort mit drei Gas- und Dampfkraftwerken inklusive der Netzinfrastruktur mit 10 Mrd. Euro den größten Auftrag in der Firmengeschichte. © Siemens

Nachholbedarf für die deutsche Wirtschaft

An Afrika scheiden sich die Geister. Einerseits stellt der Kontinent aufgrund der enorm anwachsenden Bevölkerung einen wichtigen Markt dar; andererseits zeigt die deutsche Wirtschaft – Ausnahmen bestätigen die Regel – als Investor weitgehend Abstinenz. Spätestens seit dem starken Anwachsen der Flüchtlingsbewegungen stößt jedoch Afrika auf das zunehmende Interesse der Europäer. Zu lange lag Afrika aus der Sicht der Mitteleuropäer „weit“ weg, obwohl der Kontinent, lediglich durch das Mittelmehr getrennt, fast schon ein europäischer Nachbar ist. Immerhin hat die Bundeskanzlerin bei ihrem Afrika-Besuch im März 2017 die afrikanische Brisanz erkannt und Entwicklungshilfeminister Gerd Müller spricht sich jetzt für einen Marshall-Plan für Afrika aus.

Für die deutsche Wirtschaft war bzw. ist Afrika in erster Linie ein Absatzmarkt. Doch der Kontinent ist aufgrund der zunehmenden Anzahl der Verbraucher bzw. Konsumenten auch ein Wachstumsmarkt für die deutsche Industrie. Derzeit leben in Afrika ca. 1,3 Milliarden Menschen. Zum Vergleich: Der gesamte amerikanische Kontinent (Nord- und Südamerika) hat 950 Millionen Einwohner. In Afrika leben ca. doppelt so viele Menschen wie in der Europäischen Union. Bis 2050 wird Afrika, gemessen an der Bevölkerungsanzahl, weiter enorm zulegen. Diese Menschen müssen mit Gütern und Dienstleistungen aller Art versorgt werden. Der Kontinent benötigt für seine weitere Entwicklung eine funktionierende Infrastruktur, denn diese ist die Voraussetzung, um potentielle Investoren für Afrika zu gewinnen. Dies sind Chancen für die deutsche Wirtschaft.

So haben nach Auskünften der Bundesregierung wahrscheinlich nur 10 bis 15% der afrikanischen Bevölkerung nachhaltig einen täglichen Zugang zu elektrischer Energie; es fehlen weiter gute Verkehrswege, logistische Einrichtungen sowie eine Optimierung im Gesundheitswesen. Die Armut ist nach wie vor enorm. Die Bundesregierung wünscht daher, dass deutsche Unternehmen künftig mehr Präsenz in Afrika zeigen. Dies sei auch ein Beitrag der positiven Entwicklung und somit für die Linderung der enormen Armut in Afrika. Lediglich 1.000 deutsche Unternehmen, so die Bundeskanzlerin vor der Unionsfraktion, sind derzeit in Afrika vertreten. Und dabei handelt es sich größtenteils um kleinere Aktivitäten. Vergleichsweise sind in den Vereinigten Staaten (deren 325 Millionen Einwohner entsprechen lediglich 25% der afrikanischen Bevölkerung) bei der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer 3.500 deutsche Unternehmen, zum Teil mit riesigen Produktionsstandorten, gemeldet. Nun kann man natürlich die größte Wirtschaftsmacht der Welt nicht mit Afrika vergleichen – aber immerhin wird deutlich, dass ein erheblicher Aufholungsbedarf für die deutsche Wirtschaft in Afrika besteht.

Bescheidener Außenhandel – trotz Beispiel Siemens

Auch im Außenhandel mit Deutschland spielt Afrika eher eine untergeordnete Rolle: Vom Gesamtumfang (Export und Import) beträgt der afrikanische Anteil bescheidene 2,1%. Dabei ist zu berücksichtigen, dass davon allein auf Südafrika 24,3% entfallen. Es folgen Ägypten mit 19,6% vor Algerien mit 12,5% und Nigeria mit 8%. Deutschland importiert aus Afrika in erster Linie Rohstoffe. Exportiert werden Fahrzeuge, Maschinen und Chemieerzeugnisse. Dass Afrika durchaus für die deutsche Industrie interessant ist, zeigt das aktuelle Beispiel Siemens in Ägypten.

Dort konnte Siemens im vergangenen Jahr den größten Auftrag seiner Geschichte verbuchen. Mit drei riesigen Gaskraftwerken mit 14.000 MW – dies entspricht dem Anschlusswert von gut 7 großen Kernkraftwerken – einschließlich der dazugehörigen Netzinfrastruktur wird Siemens die gesamte elektrische Energiewirtschaft Ägyptens auf eine neue Grundlage stellen. Der Gesamtwert des Siemens-Auftrages in Ägypten beträgt 10 Milliarden Euro.

Der Nürnberger Kabelspezialist (z.B. für Bordnetze und Lösungen in der Medizintechnik), die Leoni AG, setzt andererseits auch auf den Produktionsstandort Nordafrika. In Tunesien sind die Nürnberger mit 12.000 Beschäftigten der größte private Arbeitgeber. Auch in Ägypten ist Leoni mit einem Produktionsstandort vertreten. Es ließen sich zahlreiche weitere Beispiele insbesondere aus Südafrika anführen. So erweitert BMW dort sein Werk in Rosslyn für die X3-Produktion mit 400 Millionen Dollar erheblich. Bereits seit drei Fahrzeuggeneration ist Daimler in Südafrika aktiv. Im dortigen Werk East London werden u.a. die C-Klasse produziert. Von den 1.000 in Afrika tätigen deutschen Unternehmen sind allein 600 in Südafrika mit 90.000 Beschäftigten aktiv.

Instabile Verhältnisse

Doch von Süd- und Nordafrika abgesehen, besteht wie schon erwähnt, im gesamten Kontinent ein erheblicher Nachholbedarf für deutsche Unternehmen. Haupthindernis für Investitionen sind nach wie vor die instabilen politischen Verhältnisse, die enorme Korruption, die mangelhafte Sicherheit durch Kriminalität und natürlich das Fehlen ausgebildeter Fachkräfte. So entfielen noch vor zwei Jahren die Hälfte aller kämpferischen Auseinandersetzungen weltweit auf Afrika! Ein großes Thema für deutsche Unternehmen sind daher die Garantien. Die Absicherung der Investitionen durch mittelständische Unternehmen ist nicht optimal. Kleinere und mittelgroße Firmen sind daher nicht bereit, in Afrika ein unkalkulierbares Risiko einzugehen. Hier wäre auch der Bund mit Hermes-Absicherungen gefragt. Und schließlich stellt sich die entscheidende Frage der Finanzierungen bei den großen Infrastrukturprojekten in Afrika. Der Bedarf ist da – aber wer finanziert?

Hilfreich wäre z.B. ein stärkeres Engagement der staatlichen KfW-Bank als deutsche öffentlich-rechtliche Förderbank. Notwendig wäre auch ein stärkeres Engagement der Europäischen Investitionsbank (EIB), bei der Deutschland einen starken politischen Einfluss hat. Wünschenswert ist schließlich eine bessere Zusammenarbeit mit afrikanischen Entwicklungsbanken. Und notwendig wäre auch mehr politischer Wille und Kooperationsbereitschaft einiger Regierungen in Afrika.

Allerdings muss auch ein stärkeres Controlling, vor allem in Zentralafrika, aufgebaut werden, denn guter Wille auf der Unternehmensseite allein genügt nicht, wenn Finanzzusagen – siehe Stichwort Korruption – versickern. Ein internationales Controlling wird nicht leicht sein, weil die afrikanischen Länder aufgrund ihrer Vergangenheit in den Kolonialzeiten natürlich sehr empfindlich gegenüber internationalen Vorgaben sind. Aber auch Afrika muss begreifen, dass es im Interesse des Kontinentes selbst liegt, für Investoren ein sicheres Klima zu schaffen. Europa bzw. die wirtschaftlich starken Länder außerhalb Afrikas müssen andererseits erkennen, dass Investitionen in den Kontinent auch ein Beitrag für das Eindämmen der Flüchtlingsbewegungen sind.

 

Grundsätzlich ist Afrika längst nicht nur ein Absatzmarkt. Hier liegen bei der Entwicklung und beim Aufbau eines riesigen gesamten Wirtschaftsstandortes mit Produktion enorme Chancen – auch bei der Optimierung des Gesundheitswesens und der schulischen und technischen Ausbildung. Ohne Qualifikation der Afrikaner wird alles nichts werden! Allein wird es Afrika nicht schaffen. Der Kontinent braucht in der Tat einen Marshall-Plan, der aber auch rechtlich abgesichert sein muss. Zuviel Geld ist in der Vergangenheit in Afrika durch Korruption und politisches Fehlverhalten versichert.

 

Letzte Änderung am Donnerstag, 20 April 2017 14:34