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Selbstgemachte Glaubwürdigkeits­probleme der Medien

Selbstgemachte Glaubwürdigkeits­probleme der Medien Pixabay

Presserat und Täterschutz

Gedruckte Medien und hier insbesondere die Tageszeitungen haben es im Zeitalter der sozialen Netzwerke schwer. Vor allem junge Menschen greifen immer weniger zur klassischen Regionalzeitung, der die Abonnenten weglaufen. Das Wort „Lügenpresse“ hätte in Deutschland durchaus zum Wort des Jahres werden können – weit vor dem gestelzten Begriff „Postfaktisch“. Es nützt den Redaktionen nichts, wenn sie das Attribut Lügenpresse zurückweisen. Die Zeitungen haben ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil die Redaktionen nach wie vor nichts dazu lernen und oft ihrem Betroffenheitsjournalismus frönen: Es darf nicht sein, was nach der Lesart vorgefasster Journalistenmeinungen nicht sein darf.

Die vermeintliche „Lügenpresse“ zeigt sich nicht nur in der Verbreitung von Nachrichten und Kommentaren; sie zeigt sich auch im bewussten Weglassen oder Verschweigen von Meldungen. Davon kann aktuell die ARD mit ihrer Tagesschau ein Lied singen, die erst über einen spektakulären Mord in Freiburg berichtete, als dieser durch die sozialen Medien zum Politikum wurde. Auch der Presserat schießt ein gefährliches Eigentor wenn er etwa bei Straftaten den Täterschutz vor den Opferschutz stellt. Der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer fordert bei Straftaten gerade in unseren aufgeregten Zeiten die Nennung der Täter und deren Herkunft. Scheuer in der Tageszeitung Die Welt: „Um Fakten und Unwahrheiten zu trennen, müssen seriöse Medien heute alle bekannten Fakten veröffentlichen, um damit auch wilden Spekulationen Einhalt zu geben.“ Da hat Scheuer im Gegensatz zur Meinung des Presserates vollkommen Recht, denn warum wollen die Medien und konkret der Presserat unangenehme Meldungen, die vom „Mainstream“ abweichen, vertuschen? Der Presserat will auch weiterhin insbesondere bei Flüchtlingen, die Straftaten begehen, deren Herkunft verschweigen. Weshalb eigentlich?

Hintergrund der Intervention von Andreas Scheuer waren der aktuelle Mord in Freiburg an einer Studentin und Vergewaltigungen in Bochum. Man wolle, so die Erwiderung des Presserates, die Herkunft und die Täter – Asylflüchtlinge – nicht nennen, um Ausländer nicht zu diskriminieren, sagten maßgebende Stimmen des Presserates. Diese Begründung der angeblichen Diskriminierung ist gelinde gesagt Dünnbier! Und dann verschanzen sich andererseits die Redaktionen scheinheilig hinter undurchsichtigen „Leserbefragungen“. Demnach würden die Leser(innen) durchaus die Meinung vertreten, dass der Anteil von Ausländern – immer konkret Asylsuchende – bei Straftaten stark überschätzt würde. Eine aktuelle Anfrage in Österreich kommt jedoch zu völlig anderen Ergebnissen. Wie das österreichische Innenministerium bestätigte, ist der Anstieg der Straftaten respektive der Vergewaltigungen enorm und hängt sehr wohl mit der Entwicklung des Anstieges der Flüchtlingszahlen zusammen.

Tübingens grüner OB wird zum „Bösewicht“

Dies, der enorme Anstieg auch krimineller Straftaten, wird hinter vorgehaltener Hand auch in Deutschland zugegeben und Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer („Ausländer sind krimineller als Deutsche“) hat das vor wenigen Tagen auch in einer Talkshow drastisch bestätigt. Zwar relativierte er seine Aussage dann, indem er meinte, man müsste in die Kriminalitätsstatistik für Flüchtlinge bzw. Migranten „Korrekturfaktoren“ berücksichtigen. So sei dieser Täterkreis vorwiegend männlich, jung, eher arm und ungebildet. Soll dies also heißen, dass Migranten „nur“ wegen den genannten Kriterien Strafen begehen? Fakt ist, Boris Palmer rutschte der Satz von Ausländern, die krimineller seien als Deutsche vor einem Millionen-Fernsehpublikum nun einmal heraus. Und noch peinlicher für die Beschöniger und Beschwichtiger in den veröffentlichten Meinungen: Boris Palmer ist ausgerechnet prominentes Mitglied der Grünen … Warum wollen die Medien partout die Entwicklungen verschweigen?

Wie soll die Bevölkerung bei Straftaten der Polizei bei der Ermittlung helfen und Hinweise geben bzw. zur Vorsicht gewarnt werden, wenn das Erkennungsprofil nicht genannt wird? Wie im übrigen Statistiken „geschönt“ werden können, darüber lässt sich Rainer Wendt, immerhin Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG), in seinem Buch „Deutschland in Gefahr“ aus. Schon Winston Churchill wollte ja nur Statistiken glauben, die er selbst gefälscht hat … Weil Oberbürgermeister Palmer und Wendt als Funktionsträger prominent sind, kann man sie nicht ignorieren – ansonsten tauchen die Medien bei nicht genehmen Nachrichten im Umfeld der Flüchtlinge ab. Aber dies nützt ihnen nichts, weil jede Straftat durch die Opfer über die sozialen Medien verbreitet wird mit einem dann eintretenden Multiplikatoreneffekt, von denen die Zeitungen nur träumen können.

Der Presserat soll eigentlich das Ansehen der Presse wahren. Aber schon in seiner Struktur ist er mehr ein in sich geschlossener Insiderkreis, bei dem die Kunden der Medien, die Leser(innen), eine untergeordnete Rolle spielen. Die Gremien des Presserates werden durch Vertreter der Zeitungen und Zeitschriften und durch den Deutschen Journalisten-Verband und der gewerkschaftsnahen (verdi) „Dju-Deutsche Journalistinnen und Journalisten Union“ gestellt. Man ist sozusagen unter sich. Auf die Idee, einen Beitrat u.a. auch mit Leser(innen) zu bilden, kam der selbstgefällige Presserat nicht. Dagegen ist die Kurie in Rom noch transparent. Die tödliche Gefahr bei der Auflagenentwicklung ist leider – wir sagen dies, weil wir an das gedruckte Wort glauben – offenbar beim Presserat ein Fremdwort.

Wirtschaftliche Bedeutung der Verlage

Die berechtigte Forderung des CSU-Generalsekretärs Scheuer konnte bei der ideologischen Ausrichtung des Presserates keinen Erfolg haben, weil sich dort einige Leute für viel wichtiger nehmen, als sie es sind. Zum Glück für die Presse gibt es noch wenige Ausnahmen. Die „Sächsische Zeitung“ gehört dazu und nennt bei Straftaten die Täter – egal welcher Herkunft. Vielleicht hat die Zeitung auch gelernt. Die Entwicklung der Auflage der Zeitung nach unten ist dramatisch. Nur diese Sprache verstehen Redakteure, wenn sie den Ast, auf dem sie sitzen, durch unterlassene Berichterstattung absägen. Freuen kann sich über diese Entwicklung niemand. Immerhin sind auch Zeitungs- und Zeitschriftenverlage über ihre publizistische Rolle auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor (zumindest war dies so). Sie „fütterten“ die Papierindustrie und die Hersteller von Druckmaschinen (MAN, König & Bauer, Wifag Bern) mit Aufträgen. Die Verlage waren immer auch bedeutende Investoren – eine Zeitungsrotationsmaschine oder eine Tiefdruckanlage ist teuer. Dies gilt auch für die Anlagen der automatisierten Einsteck- und Versandanlagen. Schließlich war die Technik der Zeitungs- bzw. Zeitschriftenherstellung immer ein wichtiger Arbeitgeber für hochqualifizierte Beschäftigte. Gedruckte Botschaften hätten sehr wohl noch lange eine Berechtigung. Wir brauchen noch lange das gedruckte Wort auch als Kulturauftrag. Es müsste halt glaubwürdig sein.

Letzte Änderung am Dienstag, 16 Mai 2017 10:29
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag