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Mission Ukraine mit Anbindung an den Westen gründlich gescheitert:

Mission Ukraine mit Anbindung an den Westen gründlich gescheitert: © Pixabay

Haarsträubende Fehleinschätzungen durch USA und EU

Seit nunmehr sage und schreibe sechs Monaten herrscht in der Ukraine Chaos. Am 21. November 2013 begann die „heiße Phase der Unruhen“ auf dem Maidan in Kiew, nachdem der Westen den Versuch unternahm, die Ukraine in seinen Einflussbereich zu bringen.

Es fiel auf, dass sich zahlreiche politische Repräsentanten des Westens – etwa der damalige deutsche Außenminister Westerwelle am 5. Dezember 2013 – offen auf dem Maidan für eine Anlehnung des Landes an den Westen einmischten. Man fragt sich, was Westerwelle (und nicht nur er) auf dem Maidan eigentlich zu suchen hatte. Was würde man in Großbritannien sagen, wenn der russische Außenminister in Edinburgh für die Abspaltung Schottlands vom Vereinigten Königreich werben würde? Der Aufschrei wäre groß. Aber genau diese Intervention geschah, in Abwandlungen, in der Ukraine. Die USA und die EU setzten sich für ein Abdriften des Landes in die EU über ein Assoziierungsabkommen ein, obwohl der amtierende Präsident der Ukraine, Viktor Janukowitsch, das Assoziierungsabkommen nicht unterschrieb. Getan wurde im Westen so (und es wurde uns über die Medien auch so einsuggeriert), als ob geschlossen die ukrainische Bevölkerung in die EU wollte, obwohl der Osten bzw. der russischsprechende Teil des Landes die Anlehnung an den Westen ablehnte. Es entstand fortan eine völlig unnötige Polarisierung in der ukrainischen Bevölkerung.

Seit sechs Monaten ist es der Ukraine und ihren derzeitigen Verantwortlichen in Kiew nicht gelungen, zu vernünftigen Strukturen zu gelangen, weil das Land nach dem Putsch keine „Regierung“ hat, die die Interessen aller Bevölkerungsgruppen der Ukraine berücksichtigt. Im Gegenteil; inzwischen führten die Ereignisse zu einem gefährlichen Konflikt mit Russland. Die Ukraine war ja nicht nur Teil der ehemaligen Sowjetunion; es bestand und besteht eine gewisse „geistige“, wirtschaftliche und historische Nähe zum heutigen Russland. Die Kiewer Rus gehört zusammen mit der Wladimirer Rus und der Moskauer Rus zu den Vorläufern von Russland und Weißrussland. Dies wollte aber in der Politik im Westen niemand wahrhaben. Der Konflikt entstand auch als engster Nachbar der Ukraine zu Russland – sozusagen im Vorhof von Moskau – und, ganz wichtig, weil die Ukraine keineswegs ein kulturell und sprachlich homogenes Land ist.

In weiten Teilen der Ukraine dominiert die russische Sprache

In weiten Teilen des Landes dominiert auch heute die russische Sprache, die Bürger fühlen sich dort in erster Linie Russland verbunden. Eine der ersten unsinnigen Entscheidungen der neuen Machthaber im Februar 2014 in Kiew war es (lange vor der Integration der Krim in die Russische Föderation), die russische Sprache als weitere Amtssprache der Ukraine abzuschaffen. Erst als der Westen die Brisanz erkannte und intervenierte, ließ man – vorläufig – von diesem Vorhaben wieder ab. Einen derartigen Unfug der Aberkennung der Sprache im russischsprechenden Teil der Ukraine war noch nicht einmal in Südtirol durchsetzbar, obwohl das Land politisch nach dem 1. Weltkrieg zu Italien kam. Versuche der Sprachendiskriminierung waren in Südtirol nicht durchsetzbar, obwohl es zunächst die italienischen Behörden teilweise mit Brachialgewalt versuchten. Erst als Italien einsah, dass die Kernsprache des Landes, deutsch, als gleichberechtigte Landessprache einen Platz haben musste, flachten die Unruhen (noch nach dem 2. Weltkrieg) ab. Heute gehört Südtirol zu den auch wirtschaftlich stärksten Regionen Italiens und der EU.

Warum konnten und können (siehe „runder Tisch“) die neuen – keineswegs legalen – Machthaber der Ukraine nicht einsehen, dass in Teilen des Landes russischorientierte Menschen leben? Jetzt droht der Ukraine nicht nur ein Bürgerkrieg. Die weitere Spaltung des Landes wird nicht zu verhindern sein.

Seit sechs Monaten machen es sich westliche Politiker sehr einfach in der Schuldzuweisung: Russland ist der „böse Bube“! Abgelenkt werden soll vom Dilettantismus der westlichen Einschätzung der Entwicklung in der Ukraine. Die Politiker in den USA und in der EU sind offenbar unfähig, eigene Fehler einzugestehen. Anstelle die Entwicklung offen zu analysieren, wird einseitig Russland an den Pranger gestellt. Leider auch von vielen deutschen Medien.

Vergessen wird, dass völlig ohne Grund die Dämonisierung Russlands bereits im Vorfeld der Winterolympiade in Sotschi begann. Da hatten sich die Dinge in der Ukraine noch keineswegs zugespitzt. Aber im Westen wurde gegen den russischen Präsidenten Putin permanent gestichelt. Was gingen den Westen etwa die angeblich zu hohen Kosten von Sotschi an? Hat er sie bezahlen müssen? Natürlich nein – im Gegenteil, auch deutsche Firmen profitierten von den Aufträgen für Sotschi. Bereits im Umfeld von Sotschi wurde ohne Not ein neues Feindbild, auch in den deutschen Medien, gegen Russland aufgebaut. So etwas wird in Russland registriert.

Angesehene Persönlichkeiten werden als „Russland-Versteher“ verunglimpft

Heute werden seriöse Persönlichkeiten aus der Wirtschaft und der Politik in Putin- oder Russland-Versteher verunglimpft, wenn sie auf die Fehler des Westens hinweisen. Haben wir Denkverbot? Da wird in Deutschland besonders schändlich auf das hohe Alter von verdienstvollen Persönlichkeiten, wie Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt, US-Außenminister Henry Kissinger oder Ex-Bundesminister Erhard Eppler, hingewiesen, frei nach dem Motto, „nun ja, dies sind halt alte Leute“. Unterschwellig wird so getan, als ob diese Beobachter die Entwicklung in der Ukraine und in Russland altersbedingt nicht mehr verstünden. Eine üble Sache! Dabei ist z.B. Eppler (er war immer einer der Vordenker der Sozialdemokratie) trotz seines hohen Alters immer noch ein scharfsinniger Analytiker, der manch einem „jungen Beobachter“ überlegen ist. Da regen sich deutsche Medien über die Umarmung des russischen Präsidenten Putin durch den früheren Bundeskanzler Schröder furchtbar auf und haben dabei übersehen, dass sich Schröder, wie inzwischen bekannt wurde, für die Freilassung deutscher Beobachter, die in der Ostukraine festgehalten wurden, bei Putin sehr wohl einsetzte. Wie will man bei einer derartigen simplen Betrachtungsweise einen Dialog mit Russland ernsthaft erreichen, wie will man da deeskalieren? Ganz im Gegenteil wäre es längst notwendig gewesen, dass sich die Bundeskanzlerin zu einem persönlichen Vieraugengespräch mit Präsident Putin aufgemacht hätte.

Da werden inzwischen auch Personen wie der Kommunikationschef der BASF-Tochter Wintershall, Michael Sasse, oder der bekannte Russlandkenner und Publizist, Alexander Rahr, in die Nähe von Lobbyisten für den Kreml gerückt und verunglimpft, nur weil sie sich im Petersburger Dialog oder im Deutsch-Russischen Forum engagieren. Die Foren sind deutsch-russische Organisationen, die die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland pflegen und ausbauen sollen. Im Kuratorium und im Vorstand des Deutsch-Russischen Forums sind führende Vertreter aus der deutschen Politik und Wirtschaft vertreten.

Kritische Fragen an die Medien

Dabei wären durchaus kritische Fragen zu stellen, etwa zum Tatbestand, mit welchen fragwürdigen Leuten sich der Westen in Kiew eingelassen hat: Eine „Dame“ namens Tymoschenko ergoss Hasstiraden gegen ihre Landsleute in der Ostukraine, gegen Russland und seinen Präsidenten. Ein Möchtegern-Ministerpräsident Jazenjuk zetert den angeblich bevorstehenden 3. Weltkrieg herbei – anstelle mäßigend einzuwirken. Da verprügeln in Kiew „Parlamentarier“ einen moskaufreundlichen Fernsehjournalisten im Studio und auf dem Maidan sind immer noch Vertreter des „Rechten Sektors“ aktiv. Mehrere „Minister der Übergangsregierung“ stellen die Rechtspopulisten.

Zu hinterfragen wäre, auch von den Medien, weshalb voreilig alles, was aus Russland gesagt wurde, aus amerikanischer Sicht angeblich verlogen sei. Spätestens seit dem Irak-Krieg, der mit Behauptungen des Vorhandenseins von Massenvernichtungsmittel begründet wurde, müssen amerikanische Aussagen kritisch abgeklopft werden (Saddam Hussein war zweifelsfrei ein Tyrann – aber die Massenvernichtungswaffen aus Sicht der USA waren wohl nicht vorhanden). Zu hinterfragen wäre, wieso Putins Worten Taten folgen müssen, wenn die Ostukrainer trotz seiner Empfehlung, das Referendum zu verschieben, die Abstimmung durchführten. Wie stellten sich die Amerikaner dies vor – sollte Russland militärisch die Abstimmung verhindern? Einmal soll sich Putin zurückhalten, dann wieder nicht! Auch die Forderungen vieler Medien sind völlig unangebracht: der Westen müsse energischer werden und „Zähne“ zeigen. Wollen diese Kommentatoren eine militärische Konfrontation mit Russland? Auch die permanenten Forderungen nach strengeren Sanktionen gegen Russland sind für den Westen Eigentore, wie ein weiterer Kommentar – siehe unten – zeigt.

Der stellvertretende Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“, Bernd Ulrich, stellte in der Ausgabe vom 10. April 2014 die Frage, wie es möglich sei, dass zwei Drittel der Bundesbürger lt. Umfragen eher auf Seiten Russlands stehen, obwohl 80% der „politischen Klasse“ Deutschlands ständig die Keule strenger Sanktionen gegen Russland schwingt. Die Aufklärung ist einfach. Die Bundesbürger erkennen sehr wohl die Auswirkungen. Sie fragen sich, wie man auf Seiten der EU auf die Idee kommen kann, die Ukraine letztendlich in die EU zu bringen, obwohl das Land aufgrund seiner katastrophalen wirtschaftlichen Lage die gesamte EU – und somit auch Deutschland – vor die Zerreißprobe stellen würde. Wenn schon das kleine Griechenland nur mit allergrößten Kraftanstrengungen stabilisiert werden konnte, wie soll dies bei der relativ großen Ukraine funktionieren? Es war der deutschen Bevölkerung nicht erklärbar, dass die Ukraine möglicherweise in die EU aufgenommen werden sollte. Sie hatten schlicht vor den wirtschaftlichen Herausforderungen Angst. Die Menschen haben verstanden, dass es in erster Linie darum ging, die Ukraine in den Westen zu integrieren, koste es was es wolle.

Eine Lösung der Vernunft – das Beispiel Tschechien und Slowakei

Es gibt nur eine Lösung für die Zukunft der Ukraine. Man muss die Wahrheit sehen, und die Wahrheit ist, dass die Ukraine ein gespaltenes Land ist. Deshalb war auch das vielbeschworene Völkerrecht in Bezug zur Ukraine nicht zutreffend. Das Völkerrecht setzt nämlich neben dem Staatsgebiet und der Staatsgewalt auch ein homogenes Staatsvolk voraus. Die Ukraine hat aber kein geschlossenes Staatsvolk. In der Ostukraine sprechen die Menschen nicht nur russisch, sie sind de-facto auch Russen. Weil dies so ist, müssten alle Beteiligten die Reife haben, dieser Tatsache ins Auge zu sehen.

Es gibt ein großartiges Beispiel, wie man so etwas macht. Am 1. Januar 1993 teilte sich die bis dahin bestehende Tschechoslowakei in die Tschechische Republik und in die Slowakische Republik auf. Dies war möglich, weil es auf beiden Seiten großartige Politiker gab, die die Teilung fair und ohne Differenzen abwickelten. Dies war auf der tschechischen Seite der Ökonom Vaclav Klaus, der später Präsident der Tschechischen Republik wurde, und Vladimir Meciar für die Slowakei. Die ganze Abwicklung geschah friedlich auf der Basis eines verantwortungsbewussten Entscheidungsprozesses. Heute sind Tschechien und die Slowakei längst wieder engstens befreundet und arbeiten hervorragend zusammen. Beide Länder sind Mitglieder der EU.

Das Modell Tschechien und Slowakei könnte zum Vorbild für die Lösung des Problems in der Ukraine sein. Wenn man nicht mehr zusammenbleiben will oder kann, dann muss es möglich sein, eine „Ehe“ vernünftig zu trennen. Das haben die Tschechen und Slowaken so großartig vorgemacht. Die bisherige Ostukraine will nicht bei Kiew bleiben – dies wollte übrigens auch die Krim nicht.

 

Letzte Änderung am Donnerstag, 27 April 2017 13:54
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag