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Partei der Nichtwähler auf dem Vormarsch

Haben die Bürger noch eine „Wahl“? Haben die Bürger noch eine „Wahl“? © Pixabay

Desaströse deutsche Parteienlandschaft

Chancen für neu entstehende bürgernahe Parteien, die bei der kommenden Bundestagswahl 2021 antreten wollen, sind aktuell nicht schlecht. Und dies hat Gründe. Denn das Potential aus dem Bereich der partei- und politikverdrossenen Nichtwähler wird immer größer! Jeweils deutlich über ein Drittel der Wahlberechtigten haben bei den vor einigen Tagen stattgefundenen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz von ihrem Stimmrecht keinen Gebrauch gemacht. Das spiegelt einerseits die Unzufriedenheit großer Teile in der Bevölkerung mit den etablierten Parteien wider, andererseits zeigt es sich, dass eine echte „Wahl“ im Sinne von Auswahl nicht mehr vorhanden ist.

Bereits am Wahlabend, siehe Landtagswahl in Baden-Württemberg, ging das Geklüngel bzw. die Vetternwirtschaft – wer mit wem – los. Soll es Grün-Schwarz bleiben, oder ist eine Koalition Grün-Rot-Gelb möglich? Da werden zwischen Parteien gedankliche Koalitionen geschmiedet oder angedacht, die ideologisch und strukturell überhaupt nicht zusammenpassen. Hauptsache man ist am Tisch der vollen Fleischtöpfe dabei und ergattert Pöstchen mit Dienstwagen. Dieses Politgemauschel um Posten und Macht führte und führt zur Abstinenz der Bürger. Es wäre vielleicht eine Überlegung, Wahlergebnisse, die nicht auf einer Wahlbeteiligung von mindestens 75% basieren, zu annullieren. Haben die Parteien (wenigstens dafür) den Mut zu einer Grundgesetzänderung? Desaströse Parteien, denen es nur noch um den Machterhalt geht, die unfähig sind, große Teile der Nichtwähler wieder zu aktivieren, taugen zu nichts! Sie müssten sich eigentlich dafür schämen, wenn sie über ein Drittel des Volkes nicht mehr erreichen. Sie schämen sich aber nicht – sie „wursteln“ lieber weiter!

Eigentlich müssten sich die Parteien schämen

Genau das ist es, was zur Politikverdrossenheit führt und die Menschen wütend macht. In großen Städten – dies zeigen die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – ist die Situation besonders ausgeprägt. Ein Beispiel: In Ludwigshafen, die Stadt der BASF, haben lediglich 47,6% ihre Stimme abgegeben; die gewinnende Partei dieses Bezirkes, die SPD, erhielt „als strahlender Sieger“ 36,8%. Dies hört sich gut an. In Wirklichkeit konnte die Sozialdemokratie, bezogen auf die Wahlberechtigten, gerade einmal 18%, und dies in einer Arbeiterstadt wie Ludwigshafen, erreichen. Auch im benachbarten baden-württembergischen Mannheim I, früher eine traditionell uneinnehmbare Bastion der SPD, machten lediglich 51,3% von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Den Bezirk haben übrigens die Grünen gewonnen. Auch in Karlsruhe II, mit einer soziologisch völlig anderen Einwohnerstruktur, haben 41% der Wahlberechtigten eben nicht gewählt. Was läuft da schief? Die Parteien müssten sich doch fragen, weshalb dies so ist. Warum laufen den traditionellen Parteien die Wähler(innen) davon?

Union und Sozialdemokratie vernachlässigten ihre Stammwähler

Die Nichtwähler – durchaus politisch interessiert – haben entweder die politische Heimat durch „ihre“ alte Stammpartei verloren oder sie fühlen sich ausgegrenzt. Die sogenannten „bürgerlich“ konservativen Wählerschichten sehen in der durch Angela Merkel systematisch nach links gewendeten CDU keine Partei mehr, die ihrem Weltbild entspricht und die einst so ruhmreiche SPD befindet sich auf dem Wege zur Bedeutungslosigkeit (siehe auch „Wie sich die SPD selbst zerlegt“), weil sie ihre Stammwähler aus dem Umfeld des Industriestandortes Deutschland vernachlässigt. In einem ideologischen Wahn ohnegleichen gefährden wir in Deutschland wichtige Schlüsselbranchen, die für die Kompetenz unseres Landes stehen. Auf der Strecke bleiben dann insbesondere industrielle Arbeitsplätze.

Wer setzt sich – von der FDP vielleicht abgesehen – noch glaubhaft für notwendiges Wirtschaftswachstum ein? Wer baut gegen die immer stärker aufkommende ideologisch befeuerte Neidkultur, die Investoren vertreibt, Brandmauern auf? Wer heute die Wahlprogramme vergleicht – längst sind sie austauschbar –, vernimmt nur noch überwiegend Aussagen zur CO2 freien Produktion und zum Klima, gerade so, als ob es keine anderen Themen gäbe. Die Grünen etwa haben seit ihrer Gründung am 13. Januar 1980 über dreißig Jahre nur ein Thema geschürt, die Angstkultur vor der Kernenergie. Als dann die Union durch Angela Merkel in einer einsamen Hauruck-Entscheidung nach Fukushima den Ausstieg aus der Kernenergie verkündete, hatte die fundamentalistische Umweltpartei kein Thema mehr und propagierte von Stunde an den „Weltuntergang“ bzw. die Apokalypse durch den Klimawandel. Damit begründete sie alle möglichen „Wendungen“ – nach der Energiewende, die Mobilitäts-, Landwirtschafts- und Ernährungswende. Und was hat uns beispielsweise die Energiewende gebracht? Die höchsten Strompreise. Und so ganz nebenbei werden weltweit derzeit weitere Kernkraft- und Kohlekraftwerke gebaut. Am grünen Wesen der Deutschen wird die Welt nicht genesen.

Hoffnungsträger FDP, die Werteunion sowie Neugründungen

Gut 80% der deutschen Wähler werden die Thesen der Grünen – trotz leidenschaftlicher Unterstützung durch den Betroffenheitsjournalismus und einer über Nichtregierungsorganisationen (NRO) ideologisch gesteuerten Kampagne der Jugendlichen – eben nicht teilen. Die Pandemie hat gezeigt, dass der Erhalt der Arbeitsplätze und das wirtschaftliche Wohlergehen der Menschen einen höheren Stellenwert haben, als die grün-idelogischen Träumereien. Was nützt ein Leben, wenn dieses nicht mehr lebenswert ist, wenn die Menschen in die Armut abdriften. Inzwischen macht sich die akademische Jugend in Deutschland Sorgen, ob demnächst für sie noch genügend Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.

Was nützt ein romantisches Politgeschwafel, wenn sich die Bürger nichts mehr leisten können. Und dennoch sind die „Chancen“ groß, dass die Grünen nach der nächsten Bundestagswahl den Standort Deutschland durch die Teilhabe an der Regierungsmacht ruinieren. Und warum? Weil sich die Union und die Sozialdemokratie – anstelle Träumereien zu entlarven – geradezu überbieten, die „Programme“ der Grünen zu kopieren und notfalls mit dem „Teufel“ paktieren, nur um an der Macht zu bleiben oder diese mit den Grünen zu teilen. Genau dies erkennen immer mehr die Bürger und deshalb wird der Union das Schicksal der jahrzehntelang dominierenden italienischen Democrazia Cristiana möglicherweise nicht erspart bleiben; die Sozialdemokratie hat bereits begonnen, bedeutungslos zu werden.

Angela Merkel hat vor gut einem Jahr in Davos, davon gesprochen, dass wir „die gesamte Art des Wirtschaftens und des Lebens in den nächsten 30 Jahren verlassen“ müssen. Warum und in welche Richtung hat sie nicht gesagt. Sie hat nur ein Gespenst gemalt; wenn dieses in dreißig Jahren jedoch doch nicht Realität wird, wird sie möglicherweise nicht mehr unter uns sein. Insofern muss sie sich dann nicht mehr rechtfertigen. Ihr Gerede in Davos war eine Verbeugung vor dem grünen Wahnsinn der Infragestellung von Wachstum und Wohlstand. Diese Botschaft der Apokalypse könnte aber weitergehen, wenn fundamentalistische Parteien in Deutschland Regierungsverantwortung auf Bundesebene übernehmen. Eine hohe Arbeitslosigkeit durch die Vernichtung von Branchen und Unternehmen wäre dann nicht auszuschließen. Hinzu kommen Sozialismus-Phrasen wie Enteignungen (Grüne erwägen Enteignungen von Wohnungskonzernen).

Fusion FDP, Freie Wähler und Werteunion?

Wie kann dies verhindert werden? Nur durch eine Rückbesinnung der Union oder durch eine neue Partei, die den Wählern wieder eine Stimme verleiht – dies könnten die Freien Wähler sein, die bereits in Bayern in der Landesregierung beteiligt sind. Oder, besser, eine neue Allianz um oder mit der FDP, also ein Bündnis oder eine Fusion FDP, Freie Wähler zusammen mit der sich noch in der Union befindlichen Werteunion. Die FDP ist immerhin die einzige Partei, die sich noch offen zum notwendigen Wirtschaftswachstum und damit zum Entstehen von Arbeitsplätzen bekennt. Dies könnte zahlreiche Nichtwähler wieder aktivieren und an die Wahlurnen bringen. Doch allein wird es die FDP aus heutiger Sicht nicht schaffen. Sie müsste mehr „trommeln“! Deshalb wäre die Bündelung der Kräfte mit den Freien Wählern und der Werteunion eine gute Sache.

Wenn es nicht gelingt, aus dem riesigen Potential der Nichtwähler wenigstens  wieder sieben bis acht Prozent für die Richtigkeit der sozialen Marktwirtschaft zu reaktivieren, dann könnte es dunkel werden in Deutschland – dann ist die Zeit für ein Lager jenseits von Grün-Rot-Rot abgelaufen. Das konservative Lager – in gewisser Weise wäre dazu die SPD der Mitte mit einer Gerhard  Schröder’schen Prägung hinzuzurechnen – darf die Fehler von Weimar nicht wiederholen – denn Weimar ist auch aufgrund der hohen Arbeitslosenzahlen untergegangen. Wir dürfen unsere Industrie nicht ideologisch an den Pranger stellen.

Die Parteien bräuchten endlich auch wieder charismatische Köpfe mit Erfahrung. Keine Politeinsteiger, die schon einmal BMW vergesellschaften wollten. Deutschland bräuchte wieder ein Parlament mit Persönlichkeiten wie Willy Brandt, Walter Scheel, Helmut Schmidt, Otto Graf Lambsdorff, Helmut Kohl und Gerhard Schröder. Die derzeitige Pandemie zeigt den Mangel an politischer Qualität. Auch dies ist leider Deutschland 2021.

Letzte Änderung am Montag, 22 März 2021 09:28
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag