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Die SPD und der „Demokratische Sozialismus“

In der deutschen Wirtschaft bahnt sich eine Rezession an. Aus verschiedenen Gründen ist „Sand im Getriebe“. In der deutschen Wirtschaft bahnt sich eine Rezession an. Aus verschiedenen Gründen ist „Sand im Getriebe“. © Pixabay

Die Unionsparteien müssen wieder bürgerlich werden

Auf ihrem 39. Bundesparteitag in Berlin hat sich die traditionsreiche deutsche Sozialdemokratie erkennbar einen weiteren strammen Linksschwenk verordnet. Dafür plädiert vor allem das neue Führungsduo der Partei mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Für einen exponiert linken Kurs steht zusätzlich der stellvertretende SPD-Vorsitzende Kevin Kühnert. Dieser will ganz offen den „Kapitalismus überwinden“, der ohne Kollektivierung nicht möglich sei, wie er in einem Gespräch mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ sagte. Bereits im vergangenen Jahr sprach er offen von der Kollektivierung ausgerechnet des Unternehmens BMW, dessen Betriebspolitik sogar vom Betriebsrat gelobt wird.

Nun hat in einem Spiegel-Gespräch Saska Esken noch eine Schippe draufgelegt und sich für einen „Demokratischen Sozialismus“ ausgesprochen. Enteignungen und Vergesellschaftungen müssten möglich sein. Dabei bezog sie sich auf den § 15 des GG (Grundgesetz) und hat dabei aber geflissentlich vergessen, den wichtigen vorgeschalteten § 14 zu erwähnen. Die Hürden für Enteignungen sind nämlich bewusst hoch, weil gemäß § 14 GG das Eigentum und Erbrecht ausdrücklich gewährleistet wird. Enteignungen und Vergesellschaftungen dürfen nach dem GG nur auf Grund einer weiteren gesetzlichen Grundlage erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Abgesehen davon, dass der § 15 GG in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie angewendet wurde, ist es juristisch höchst umstritten, was im Extremfalle beim BVG schwerer wiegt, der § 14 oder § 15.

Abschreckende Vorstellungen – 410.000 gefährdete Arbeitsplätze

Saskia Esken hat auch verdeutlicht, wo sie den Hebel bei ihrem „demokratischen Sozialismus“ ansetzen will. Zum Beispiel in der Energiewirtschaft bei der Stromerzeugung und im Ausbau der Stromübertragungsnetze (bei diesem Projekt will sie eine staatliche Alternative zur Privatwirtschaft). Weitere Felder für ihre Vorstellungen sind die Wasserversorgung und Immobilienwirtschaft. Und natürlich die Lieblingsthemen von Esken und Borjans, die „Reichensteuer“ und die Besteuerung der Firmenerben.

Dass diese Vorstellungen im Hinblick zur sich immer deutlicher in Deutschland abzeichnenden Rezession für die Wirtschaft geradezu jetzt Gift und somit kontraproduktiv sind, scheint die neue SPD-Spitze erstaunlich wenig zu interessieren. Allein im Bereich der deutschen Automobilwirtschaft einschließlich der Zulieferer sind Hundertausende Arbeitsplätze bedroht, so  ein aktueller Bericht der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“. Konkret seien bis zu 410.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Der Hintergrund für diese mögliche Entwicklung ist die in Deutschland vorhandene Verteufelung der Verbrennungsmotoren. Die Ablehnung konventioneller Fahrzeugmotoren wird durch einen kulthaften Klimawahn, der den durchaus auch vorhandenen natürlichen Klimawandel verschweigt, befeuert. Der Hype ist die E-Mobilität. Doch niemand weiß konkret, ob sich diese Technologie durchsetzen wird und woher der dafür benötigte Strom bei einem gleichzeitigen Ausstieg aus der Kernenergie und der Kohle kommen soll. Bereits jetzt bezieht Deutschland z.B. Atomstrom aus Frankreich und führt somit den deutschen Atomausstieg ad absurdum.

Angesichts der Szenarien mit einem erheblichen Verlust von Arbeitsplätzen, braucht Deutschland eine wirtschaftsfreundliche Politik für mehr Investitionen und weniger investitionshemmende Ankündigungen. Aufgrund der drohenden deutschen Rahmenbedingungen ist für die Wirtschaft China weiter ein Hoffnungsanker. Deshalb lenken deutsche Großunternehmen weiterhin erhebliche Investitionen in dieses Land. Beispiele sind BMW, VW oder die BASF. Aber auch mittelständische Familienunternehmen investieren erheblich im Ausland. So hat sich aktuell der international tätige Automobilzulieferer Brose für einen neuen Produktionsstandort in Serbien (es sollen dort 1100 Arbeitsplätze entstehen) entschieden. 180 Millionen will das Coburger Unternehmen im serbischen Pancevo investieren. Viele Unternehmen kritisieren politische und teilweise ideologisch getriebene Weichenstellungen sowie die Kostenstrukturen in Deutschland. Der frühere DIHK-Präsident und  Ehrenvorsitzende der Stihl-Gruppe, Hans-Peter-Stihl, hat jüngst darauf hingewiesen, dass drei Viertel der Erzeugnisse von Stihl aus Kostengründen im Ausland produziert werden müssen. Stihl ist Weltmarktführer bei Motorsägen (3,8 Mrd. Euro Umsatz, 17.000 Mitarbeiter). Diese Besorgnisse unterstreichen generell die Gefährdungen für die Arbeitsplätze in Deutschland. Auch BDI-Präsident Dieter Kempf wies jetzt auf die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hin und begründete diese u.a. mit den extrem hohen Energiekosten. Hinzu komme die zu hohe Steuerlast, die vor allem Familienunternehmen gefährdet.

Falsche Strategie

Umso verwunderlicher ist es, dass die Sozialdemokratie durch ihre neue Führung die Wirtschaft verunsichert und somit Arbeitsplätze gefährdet. Der deutlich nach links ausgerichtete Kurs der Partei, wird mit großer Wahrscheinlichkeit den Abwärtstrend der SPD nicht aufhalten. Mit einem derzeit prognostizierten geringen Stimmenanteil von 13% bei einer kommenden Bundestagswahl (Deutschlandtrend Infratest), würde die SPD nur noch den vierten Platz im Parteiengefüge einnehmen. 1998 war die SPD nach der damaligen Bundestagswahl erstmals wieder mit 40,9% unter Gerhard Schröder die stärkste Partei im Bundestag seit Willy Brandt. Seit 1998 hat die Sozialdemokratie 10,6 Millionen Wähler verloren. Unter Bundeskanzler Schröder – übrigens wie Labour in Großbritannien der damalige Premier Tony Blair – verfolgte die SPD als moderne Partei, die den Thesen des Sozialismus abschwor, eine pragmatische Politik. Vor wenigen Wochen (Duplizität der Ereignisse) erlebte auch Labour in Großbritannien durch den exponierten Linkskurs von Jeremy Corbyn bei den Unterhaus-Wahlen vom 12. Dezember 2019 das schlechteste Ergebnis seit 1935. Hat die SPD vom Debakel ihrer britischen Schwesterpartei Schlüsse gezogen? Offensichtlich nicht. Auch Corbyn setzte fast deckungsgleich wie jetzt die neue SPD-Führung auf Sozialisierungsthesen: Angekündigte Verstaatlichungen von Unternehmen und als Gegenmodell zur Marktwirtschaft vorwiegend staatliche Investitionen.

Nun könnte man ja die These vertreten, dass man Reisende in Richtung Untergang nicht aufhalten solle. Doch so einfach ist dies nicht, weil unter normalen Umständen, auch aus konservativer Sicht, die Sozialdemokratie noch gebraucht wird. Die Gefahr ist viel gravierender. Durch den Bedeutungsverlust der ehemaligen Volksparteien CDU/CSU und Sozialdemokratie, die in guten Zeiten zusammen bei Bundestagswahlen über 90% der Stimmen erhielten, kam es zu einer Aufsplitterung des Parteiengefüges mit derzeit 6 Parteien im Bundestag. Die CDU entwickelte sich unter der langjährigen Parteichefin Angela Merkel zu einer teilweise schon deutlich links-grünen Partei und vernachlässigte somit ihre früheren bürgerlichen Stammwähler(innen), die keine politische Heimat mehr hatten. Dieses Potential geht aus Frust zum großen Teil nicht mehr zu den Wahlurnen. Inzwischen liegen die Unionsparteien CDU und CSU zusammen nur noch bei ca. 27%, sodass eine „bürgerliche“ Mehrheit selbst mit der FDP nicht mehr möglich ist, weil die AfD ausgegrenzt wird. Strukturell hätte die Union zwar zusammen mit der FDP und der AfD eine deutliche Mehrheit, aber durch die Stigmatisierung der AfD ist die theoretische konservative Mehrheit derzeit nicht darstellbar. Somit sind nur, da die SPD künftig eine Koalition mit der Union nicht eingehen will, entweder eine schwarz-grüne oder schwarz-grün-gelbe und schließlich, wenn es rechnerisch möglich ist, eine grün-rot-rote Koalition möglich.

Mögliche Optionen

Welche von den zuletzt genannten Optionen auch immer: Die Unionsparteien würden in Koalitionen für eine Bundesregierung sowohl mit den Grünen allein, da insbesondere, als auch bei einem Bündnis mit FDP und Grünen, wesentlich von den Grünen abhängig sein. Dies wäre bei der nach wie vor ideologisch-fundamentalistischen Ausrichtung der Grünen, verbunden mit ihrer wirtschaftsfeindlichen „Verbotskultur“, für den Standort Deutschland fatal. Bereits jetzt, kaum ist der „Feind“ Kohlekraftwerke besiegt, haben die Grünen energiepolitisch schon wieder ein neues Reibeisen, den Energieträger Gas! Erst die Atomenergie, dann die Kohle, jetzt das Gas. Der energiepolitische Wahnsinn ist nicht mehr zu überbieten. Die Grünen werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch bei ihrem Feindbild Mobilität mit dem Auto nicht lockerlassen. Ist der Diesel- und Benzinmotor erst mal erledigt, geht es zeitversetzt an die E-Mobilität. Gründe der dann neuen Gegnerschaft wird man finden, etwa mit der Entsorgung der Batterien oder durch die Ausbeutung der Menschen in Schwellenländern, in denen Lithium oder andere Rohstoffe für die E-Autos abgebaut werden. Noch schlimmer wäre eine grün-rot-rote Koalition, die durchaus möglich ist. Generalproben – siehe Bundesland Bremen – gibt es schon. Bei der Konstellation grün-rot-rot entstünde zusätzlich das neue Feindbild des familiengeführten Unternehmertums, die sogenannten „Reichen“, die noch stärker besteuert werden müssten.

Wie kann eine derartige durchaus mögliche negative Entwicklung in Deutschland verhindert werden, die sicher mit einem Verlassen des Produktionsstandortes Deutschland durch Industrieunternehmen verbunden sein könnte? Die Union sollte auf jeden Fall rasch wieder bürgerlicher werden, um frühere Stammwähler wieder zu aktivieren. Doch dies ist leichter gesagt als getan, weil sich insbesondere die CDU zu stark aus Gründen des Machterhalts den Grünen längst angebiedert hat. Es gibt aber dennoch Optionen: Die Werteunion müsste ein noch erheblich stärkeres wirtschaftspolitisches Profil entwickeln, um zum neuen Sammelbecken früherer konservativer Unionswähler zu werden. Die Werteunion bräuchte daher den Mut zum Auftritt als eigenständige Partei. Nach dem Motto getrennt marschieren – Unionsparteien und Werteunion – und vereint schlagen, könnte es dann zusammen mit der FDP für eine bürgerliche Koalition reichen.

Die andere Alternative der Union wäre, wie vorsichtig bereits in Mitteldeutschland in Ansätzen praktiziert, eine Annäherung an eine „ruhiger“ gewordene AfD. Ein derartiges Rezept wurde in der Vergangenheit durch die SPD auch gegenüber der Linkspartei, die lange als Nachfolge-SED verachtet und verpönt war, umgesetzt. Und noch früher, nämlich 1985, ging sogar – es war damals ein Tabubruch – die SPD erstmals auf Länderebene in Hessen eine Koalition mit den Grünen ein. Es war eine Sensation. Mit der Zeit können derartige Entwicklungen auch mit der AfD durchaus möglich werden. Auf längere Sicht wird man, derzeit, an einem Sechstel der Wähler(innen) der AfD nicht vorbeisehen können. Der Wirtschaftsstandort Deutschland könnte ansonsten bei anderen Konstellationen mit einer drohenden Deindustrialisierung keine Zukunft haben. Dann nämlich, wenn Unternehmen und die „Reichen“ durch einen vielleicht extremen wirtschaftsfeindlichen Sozialismus „mit der Überwindung des Kapitalismus“ , wie Kevin Kühnert sagte, Deutschland verlassen. Dazu muss es aber nicht kommen. Optionen sind vorhanden.

Letzte Änderung am Freitag, 07 Februar 2020 09:18
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag