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Tories deklassieren Labour – sportlich 365 zu 203

Im britischen Unterhaus haben nach der Wahl vom 12. Dezember 2019 die „Tories“ eine haushohe Mehrheit. Der Brexit ist endgültig entschieden. Im britischen Unterhaus haben nach der Wahl vom 12. Dezember 2019 die „Tories“ eine haushohe Mehrheit. Der Brexit ist endgültig entschieden. © Pixabay

Boris Johnson hat nun alle Brexit-Optionen

Alle kontinentalen Wunschträume bei den Wahlen zum britischen Unterhaus sind nicht eingetreten und somit Makulatur. Entgegen den erst zwei Tage vor der Wahl in deutschen Medien verkündeten Prognosen, demnach nun doch ein Kopf- an- Kopf-Rennen zwischen der Conservative Party und Labour, die traditionsreiche britische Arbeiterpartei, bevorstünde, haben die „Tories“ mit Parteichef und Premierminister Boris Johnson am 12. Dezember 2019 den höchsten Sieg seit über dreißig Jahren errungen. Von den 650 Sitzen im „House of Commons“ erhielt die Conservative Party 365 Mandate, während alle anderen Parteien zusammen (Labour 203, Scottish National Party 48, Liberal Democrats 11, Democratic Unionist Party 8, Sonstige 15) nur 285 Wahlreise gewinnen konnten. Sportlich gesprochen ging die Wahl 365:285 – ein Unterschied von 80 Mandate – zugunsten der Tories aus. Damit kann Premier Boris Johnson mit dieser enormen absoluten Mehrheit locker seine Vorstellungen beim Brexit realisieren. Von den neuen Mehrheitsverhältnissen im „Palace of Westminster“ kann die Firma Merkel & Co nur träumen!

Der Wahlausgang war, man muss es deutlich sagen, eine Entscheidung der Briten für den Brexit. Damit wird das Vereinigte Königreich ab 1. Februar 2020 endgültig der EU den Rücken kehren. Dies mag für die Bundeskanzlerin in Berlin bitter sein – aber sie hat von der ersten Stunde, noch zu Zeiten des früheren Premiers David Cameron, die Situation völlig falsch eingeschätzt. Und nicht wenige – vor allem in Großbritannien selbst – sagen ganz offen, dass die Kanzlerin durch ihre aufzwingende Verteilungspolitik und Bevormundungsstrategie gegenüber den EU-Staaten mitschuldig an der Entwicklung zum Brexit gewesen ist.

Der Brexit könnte jetzt sogar sehr wohl für einige osteuropäische Staaten eine Blaupause sein. Vor allem dann, wenn die Drohungen aus Brüssel überhand nehmen. Nicht unmittelbar, aber in einer gewissen Zeitachse. Man wird in Warschau oder in Budapest sehr genau beobachten, wie sich die Brüsseler Bevormunderei nach dem endgültigen Brexit in den nächsten Jahren entwickeln wird. Deshalb hat der Unionspolitiker Norbert Röttgen durchaus recht, wenn er engste Beziehungen auch künftig zum Vereinigten Königreich einfordert. Bereits unmittelbar nach der Wahl haben sich auch düstere Voraussagen zur Entwicklung der Wirtschaft und Märkte in Großbritannien als falsch erwiesen. Das britische Pfund stieg nach dem Sieg der Konservativen auf einen neuen Spitzenwert von 1,3514 gegenüber der Leitwährung des US-Dollars. Gleiches gilt für die Börsenkurse. Die Briten werden vermutlich ein großangelegtes Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten abschließen; die Deutschen und die demnächst kleinere EU sind also gut beraten, mit Großbritannien weiterhin eng zusammen zu arbeiten. Die EU kann nicht nur auf derzeit populistische Themen wie Klima reduziert werden und durch überzogene Vorgaben die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Industrie gefährden. Dies machen auf Dauer die Menschen nicht mit, spätestens wenn Arbeitsplätze verloren gehen. Überzogene Vorgaben der EU könnten sich relativ schnell zu einem Standortvorteil für das Vereinigte Königreich entwickeln. London ist etwa entgegen den Prognosen auch als Immobilienstandort stärker denn je …

Sicherheitspolitische Überlegungen

Die Briten haben als Atommacht neben ihrem traditionell besonderen Verhältnis zu den Vereinigten Staaten auch noch sicherheitspolitische Trümpfe. Nicht umsonst hat Frankreichs Präsident Macron jüngst betont, dass nach dem Verlassen Großbritanniens, sein Land dann die einzige verbleibende Atommacht der EU sei. Mit anderen Worten: Frankreich beansprucht eine Vormachtstellung in der EU, die wirtschaftliche Kraft Deutschlands hin oder her. Bereits bisher war es bei den Austrittsverhandlungen ein nicht offen ausgesprochener Trumpf der Atommacht Großbritannien, die im Rahmen der NATO ihren nuklearen Verteidigungsbeitrag für die Sicherheit Europas auch durch die EU besser honoriert sehen will. Ein anderes Beispiel: Vor wenigen Tagen nahmen die Briten ihren zweiten 65.000 Tonnen schweren Flugzeugträger „Prince of Wales“ in Betrieb, während Frankreich lediglich die inzwischen schon betagte „Charles de Gaulle“ (ein Drittel kleiner gegenüber den beiden britischen Kolossen) für Frankreich und die EU notfalls einsetzen kann. Macron hat die NATO jüngst als „hirntod“ bezeichnet und sieht, wie vor Jahrzehnten der legendäre Präsident und General de Gaulle, die Sicherheit Europas nur durch eigene Kraftanstrengungen gewährleistet. Doch eine jetzt angeregte europäische Armee bei dann vorhandenen Doppelstrukturen mit der NATO, ist in Europa nur schwer politisch durchzusetzen. Von den Kosten jetzt einmal völlig abgesehen. Deshalb ist die bessere Variante ein geordnetes und freundliches Verhältnis der EU mit Großbritannien innerhalb des NATO-Bündnisses, zu dem sich jetzt wieder US-Präsident Donald Trump bekennt. Die EU braucht auch künftig sowohl die Vereinigten Staaten als auch Großbritannien. Weil dies so ist, sind Drohgebärden, wie sie während der Brexit-Austrittsverhandlungen die EU gegenüber dem Vereinigten Königreich praktiziert hat, so töricht und unangebracht.

EU braucht auch künftig ein gutes Verhältnis zu Großbritannien

Nachdem jetzt offensichtlich wurde, dass Großbritannien auf keinen Fall in der EU verbleibt und ein zweites Brexit-Referendum (die jetzige Wahl stand ja ganz im Zeichen des Brexit und dieser wurde quasi bewusst von Johnson zur Abstimmung gestellt) nicht mehr stattfindet, muss schnellstens ein geordneter Übergang, und noch wichtiger, eine tragfähige Zukunft zwischen der EU und Großbritannien ausgehandelt werden. Dies liegt auch im Interesse der Wirtschaft auf dem europäischen Festland der EU. Weitere Druck- und Katastrophenszenarien gegen die Briten (wie in den letzten 1 ½ Jahren) sind nicht zielführend. Auch einige Kommentatoren und Meinungsmacher, vorwiegend in Deutschland, müssen umsteuern. Ein Geschimpfe gegen Boris Johnson führt zu nichts. Es war daher ein Kommentar des ZDF-Chefredakteurs Peter Frey (unmittelbar nach den Wahlen in Großbritannien) absolut unsinnig und in der Sache kontraproduktiv. Der ZDF-Mann Frey beleidigte den Wahlsieger Boris Johnson persönlich. Die Briten, so Frey, hätten mit Johnson einen lauten Clown gewählt. Solche Sprüche, die auch die Reife der Wähler/innen anzweifeln, werden auch in der britischen Bevölkerung mit großer Aufmerksamkeit registriert. Aber nicht zum Vorteil des Kommentators. Mit dem von Frey verliehenen Titel „Clown“ befindet sich der Premier übrigens immerhin, sarkastisch gesagt, in „bester Gesellschaft“, denn das Prädikat Clown erhielten durch deutsche Medien auch schon die Präsidenten Donald Trump und George W. Bush.

Schottland-Karte zieht nicht

Die Enttäuschung in Deutschland über das britische Wahlergebnis hilft ja nicht weiter. Die Entscheidung ist durch die britischen Wähler(innen) gefallen. Bereits wird jetzt wieder in Deutschland mit Lust der Austritt Schottlands aus dem Vereinigten Königreich beschworen und breitgetreten. Damit mag sich Nicola Sturgeon, die erste Ministerin in Edinburgh, zwar medienwirksam positionieren, doch derartige etwaige Drohungen schottischer Nationalisten werden letztendlich ohne Erfolg verpfuffen. Von Scotch Whisky für den Weltmarkt allein, kann Schottland nicht leben. Produkte im Wert von über 50 Milliarden GBP, die in Schottland hergestellt wurden, gehen nämlich in die anderen Landesteile Großbritanniens (England, Wales, Nordirland), während aus Schottland nur Waren im Wert von 12,3 Milliarden GBP in die EU-Länder geliefert werden.

Schottland könnte nicht automatisch damit rechnen, dass bei einem Austritt aus dem Vereinigten Königreich die Handelsbeziehungen in die anderen britischen Landesteile im genannten Umfang bestehen bleiben würden. Außerdem neigt sich die Förderung des „schottischen Öl und Gas“ dem Ende entgegen, ganz abgesehen vom Preisverfall des Öls. Bereits jetzt werden Förderplattformen in den Gewässern bei Aberdeen demontiert. Ohne Finanztransfers der Londoner Zentralregierung hätte Schottland Haushaltsprobleme. Dies ist in Schottland bekannt. Schließlich müsste Schottland das Pfund aufgeben, ohne einen automatischen Zugriff auf den Euro zu erhalten. Aus all diesen Gründen würde ein 2. Referendum noch deutlicher für einen Verbleib im Vereinigten Königreich ausfallen. Wer will schon Selbstmörder seiner Arbeitsplätze sein. Hinter vorgehaltener Hand wissen dies auch die Separatisten in der SNP, aber sie pokern halt um noch mehr Pfründe.

Unabhängig davon lässt sich die Zentralregierung in London auf weitere und ewige kostenintensive Spielereien der schottischen Nationalisten nicht ein. London hat bereits 2014 unter Premier David Cameron nach dem mehrheitlichen Bekenntnis der Schotten zur Union klargemacht, dass es ein weiteres Referendum nicht mehr geben würde. Das britische Parlament muss einem weiteren Referendum zustimmen. Schottland hat sich entschieden. Dies ist auch die Position von Boris Johnson.

Entwicklung in Ruhe abwarten – Großbritannien hat eine gute Zukunft

Auch für die Schotten gilt jetzt, die gesamte wirtschaftliche Entwicklung nach dem Brexit in Ruhe abzuwarten. Es könnte nämlich durchaus möglich sein, dass es den Briten im Vergleich mit Kontinental-Europa künftig sogar noch besser geht. Dafür gibt es mehrere Gründe:

 

  • Die Wirtschaft ist von den Fesseln und der Regulierungswut aus Brüssel befreit.
  • London muss künftig keinen aufgeblähten EU-Haushalt mitfinanzieren und ist keinesfalls isoliert.
  • Das Vereinigte Königreich wird künftig ganz im Gegenteil noch stärker die Basis bzw. zum „Flugzeugträger“ für die amerikanische Wirtschaft in Europa. Dies hat zwingende Gründe: In einwohnerstarken EU-Staaten wie Frankreich, Italien, Spanien und Polen ist für die amerikanischen Unternehmen die englische Sprache selbst in Wirtschaftskreisen unterpräsentiert – ein wichtiger Grund für die Amerikaner auf den Stützpunkt Großbritannien zu setzen.
  • London wird auch künftig mit der führende Finanzplatz für weltweite Transaktionen bleiben. Dies hat auch historische Gründe, denn wichtige Staaten „East of Suez“ sind britisch geprägt. So blieb beispielsweise in Indien englisch neben Hindi die zweite Amtssprache. Die wichtigste Zeitung Indiens, die „THE TIMES OF INDIA“, gehört gleichzeitig zu den auflagenstärksten Zeitungen der Welt und erscheint in englischer Sprache.
  • Vor allem hat Großbritannien immer noch einen bedeutenden globalen Einfluss in weltweiten Gremien.

 

Das Vereinigte Königreich wird auch künftig eine maßgebende Rolle sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft spielen. Vor allem ist das Land auch künftig nicht zuletzt für die deutsche Wirtschaft einer der wichtigsten Absatzmärkte – auch ohne die Strukturen der EU. Schließlich gerät interessanterweise in Deutschland völlig in Vergessenheit, dass sowohl die Vereinigten Staaten als auch China herausragende Wirtschaftspartner Deutschlands sind. Es ist nicht bekannt, dass die beiden Länder zur EU gehören… Großbritannien verlässt die EU, aber natürlich nicht Europa.

Letzte Änderung am Dienstag, 17 Dezember 2019 11:53
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag