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Die Harvard-Rede der Kanzlerin

Ehrendoktorwürde der Harvard-University für die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ehrendoktorwürde der Harvard-University für die Bundeskanzlerin Angela Merkel. © Bundesregierung/Bergmann

Viel Lob um nichts

Die Bundeskanzlerin hat eine neue Ehrendoktorwürde verliehen bekommen. Es ist die sechzehnte Auszeichnung dieser Art für Angela Merkel. Erstmals ist sie jetzt Würdenträgerin einer international renommierten Eliteeinrichtung aus den Vereinigten Staaten, verliehen durch die renommierte private Harvard University in Cambridge/Boston im Bundesstaat Massachusetts. Mit den 16 Verleihungen ist aber der Abstand zu einigen ihrer Vorgänger, was die Anzahl der Ehrendoktorwürden betrifft, noch groß. Helmut Schmidt bekam 24, Konrad Adenauer 23 und Helmut Kohl 20 entsprechende Auszeichnungen. Insbesondere Konrad Adenauer erhielt von seinen 23 Verleihungen allein 9 Ehrendoktor-Auszeichnungen durch verschiedene Eliteuniversitäten der Vereinigten Staaten. Dies soll die jetzt erfolgte Ehrendoktorwürde für Merkel durch Harvard keineswegs schmälern, aber im Hinblick auf das euphorische Echo deutscher Medien doch etwas relativieren.

Verdächtiges Lob

Tatsächlich haben sich die Medien hierzulande bei der Kommentierung der „Dankesrede“ von Angela Merkel in Massachusetts überschlagen. Doch mit Lob ist dies so eine Sache, vor allem wenn dieses aus einer Richtung kommt, die eigentlich eher kritisch begleiten soll. Die Ausführungen der Kanzlerin vor den Studienabgängern der Harvard-University waren im Hinblick auf das deutsch-amerikanische Verhältnis alles andere als gut, nämlich eine politische Katastrophe. Schon August Bebel, einer der Gründungsväter der deutschen Sozialdemokratie, war beim Lob reserviert: „Wenn mich alle loben, kann ich sicher sein, einen Fehler gemacht zu haben“, soll er gesagt haben. Auffallend bei der Medienbegeisterung für Merkels Rede ist jedenfalls, dass die angebliche „Qualität“ der Kanzlerin-Äußerungen, die sie bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde verkündet hat, allein an der Kontrapositionierung gegen den amtierenden US-Präsidenten festgemacht wird. Als ob eine versteckte Kritik an Donald Trump allein ein Qualitätsmerkmal wäre!

Sie – Merkel – habe mit Präsident Donald Trump abgerechnet (Der Spiegel) und für den staatlichen Deutschlandfunk (DLF) war die „Merkel-Rede gegen Trump“ positioniert. Auch laut dem privaten Fernsehsender NTV hätten „Beobachter“ (wer immer diese sind – NTV nannte sie nicht) einen grundsätzlichen Gegenentwurf zur Politik Trumps gesehen. Auch die meisten Kommentare („Eine ungewöhnliche Rede“) in den deutschen Tageszeitungen waren voller Anerkennung und Zustimmung über den Mut der Kanzlerin zur Kritik an Trump. Unabhängig davon, wie man zur Rede von Merkel bei der Verleihung der Harvard-University stehen mag, sie wurde am falschen Ort gehalten, nämlich in den Vereinigten Staaten. Sie musste ja Präsident Donald Trump brüskieren und herausfordern. Eine Rede mit versteckten Angriffen gegen den amtierenden Präsidenten unseres wichtigsten Verbündeten, noch dazu in dessen Land, war politisch ungezogen und diplomatisch höchst unklug, wie auch der Politologe Prof. Thomas Jäger von der Universität Köln meinte. Jäger ist Mitglied des Wissenschaftlichen Direktoriums des Instituts für Europäische Politik. Wenn Merkel eine Verbesserung des Verhältnisses Deutschlands zu den Vereinigten Staaten erreichen wollte, dann hat sie mit ihrer Rede das Ziel verfehlt, denn der US-Präsident sitzt aus verschiedenen Gründen am längeren Hebel.

Politisch unkluge Rede am falschen Ort

Doch was hat die Kanzlerin eigentlich, von den verdeckten Angriffen gegen den US-Präsidenten abgesehen, konkret gesagt? Sie erwähnte die Handelskonflikte, die den freien Welthandel und damit die Grundlage des Wohlstandes gefährden würden. Da kann man ihr grundsätzlich zustimmen. Allerdings verschwieg die Kanzlerin die Unausgewogenheit im Außenhandel Deutschlands mit den Vereinigten Staaten. Vom deutschen Exportüberschuss von 228 Milliarden Euro entfielen im vergangenen Jahr mit 49 Mrd. Euro ein gutes Fünftel allein auf die USA, d.h. Deutschland hat kräftig in die USA verkauft, aber zu wenig von dort bezogen. Es ist dieses fehlende Gleichgewicht im deutsch-amerikanischen Handel, das der US-Präsident zurecht moniert. Übrigens steht dieser mit seiner Kritik da nicht alleine. Ähnliches war schon aus Brüssel und Paris zu vernehmen.

In Anspielung auf Trumps These „America First“ plädierte die Kanzlerin für eine „multilaterale“ Politik anstelle unilateraler Handlungen. Auch dies hört sich gut an, doch von dieser multilateralen Politik ist jedoch bei den NATO-Verpflichtungen Deutschlands bezüglich des deutschen Verteidigungshaushaltes wenig zu sehen. Von wegen 2% vom Bruttoinlandsprodukt! Ganz im Gegenteil verlässt sich Deutschland nach wie vor in erster Linie auf den Schutz durch die Vereinigten Staaten. Deutschland macht es sich auf Kosten der USA bequem – Nassauer nennt man so etwas!

Auch den von Merkel in den USA vor den Studienabgängern erwähnten Klimawandel, der, so die Kanzlerin, von Menschen verursacht sei, sieht die amerikanische Regierung – und nicht nur diese – so nicht. Präsident Trump räumt durchaus einen Klimawandel, den es schon immer in der Geschichte gab, ein, bestreitet jedoch, dass dieser in erster Linie durch den Menschen verursacht worden sei. Seine These stützt er auf zahlreiche renommierte Wissenschaftler, die den Aussagen des IPCC reserviert gegenüberstehen. Die Argumente der IPCC-kritischen Wissenschaftler würden vom Mainstream unterschlagen. Präsident Trump weist immer wieder darauf hin, dass der IPCC, in Deutschland Weltklimarat genannt, eine politisch motivierte Organisation sei, die ihre Aussagen auch schon revidieren musste. Die Kanzlerin hat voreilig und eigenmächtig vor Jahren den Ausstieg aus der Kernkraft proklamiert, obwohl gerade die Kernenergie, die derzeit in vielen Ländern eine Renaissance erfährt, ein guter Partner für die Erreichung der Klimaziele ist. Dies sehen auch aktuell viele CDU-Politiker so, die deshalb für eine Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke im Hinblick auf den Kohleausstieg plädieren.

Viele Themen wurden ausgeklammert

Von den erwähnten und hinreichend bekannten Themen Handelskonflikte, Klimawandel und multilaterale Politik abgesehen, hatte die Kanzlerin den Harvard-Absolventen nichts Spektakuläres zu berichten. Es fehlten wichtige Themen. Welche Zukunft haben die Menschen auch im Hinblick auf die Beschäftigung, wenn Schlüsselbranchen, die für eine hohe Beschäftigung stehen, aus ideologischen Gründen behindert und abgelehnt werden? Auch die Erwähnung der Digitalisierung als Schlagwort allein genügt nicht. Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die globale Beschäftigung und wie ernähren wir eine nach wie vor stark anwachsende Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten? Was können wir tun, damit die Lebensverhältnisse in der nördlichen und südlichen Halbkugel nicht weiter auseinanderdriften? Ist es überhaupt sinnvoll und anständig, z.B. dem afrikanischen Kontinent wertvolle intellektuelle menschliche Ressourcen, verharmlosend Migration genannt, abzuwerben? Wie verändert sich das politische weltweite Koordinatensystem und welche Auswirkungen hat dies für das deutsch-amerikanische Verhältnis? Dies wären Themen gewesen, die geradezu akademische Berufseinsteiger, die ihr Rüstzeug an der Harvard-Univesity erhielten, brennend interessiert hätten. Wir überschrieben diesen Beitrag mit „Viel Lob um nichts“ – man hätte genauso gut auch „Viel Lärm um nichts“ sagen können.

Letzte Änderung am Montag, 24 Juni 2019 15:32
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag