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Bertelsmann-Stiftung: Ungefragte Stimmungsmache zum deutschen Arbeitsmarkt

Industrie 4.0 – Keine Utopie: Die menschenlose Fabrik. Industrie 4.0 – Keine Utopie: Die menschenlose Fabrik. © Pixabay

Unsinn oder Realität?

Eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung sorgt für Aufregung. Bedingt durch den demographischen Wandel bräuchte Deutschland – so die Studie – jährlich bis zum Jahr 2060 mindestens 260.000 Menschen – 114.000 aus EU-Ländern und 146.000 aus Drittstaaten außerhalb der EU. Ein Einwanderungsgesetz sei dringender denn je.

Man muss diese verbreitete Studie nicht ernst nehmen – auch wenn auf der „Verpackung“ der Analyse der Name Bertelsmann Stiftung steht. Studien der Bertelsmann Stiftung – dieses Prädikat soll den Ausführungen eine gewisse Kompetenz und Glaubwürdigkeit verleihen. Doch die Studien der Bertelsmann Stiftung, die durchaus oft kritisch gesehen werden, sind zunächst kein Evangelium. Sie können interessensgelenkt sein – von wem auch immer – und stellen lediglich eine Meinung von vielen dar. Es gibt andere seriöse Analysen mit konträren Ergebnissen. Hinzu kommt, dass weder eine Institution oder Partei, auch nicht die Bundesregierung, die “Bertelsmänner“ beauftragt hat. Die aktuelle Studie zum Arbeitsmarkt sei vielmehr – so die Pressemitteilung der Stiftung – im eigenen Auftrag erfolgt. Was also will die Studie, was will die Bertelsmann-Stiftung bezwecken? Eine Legitimierung hat sie jedenfalls nicht.

Digitalisierung bedroht Millionen Arbeitsplätze

Nun könnte man die Bertelsmann Studie zur Seite legen und getrost zur Tagesordnung übergehen. Immerhin, 10 Studien, 10 Meinungen, Gutachten – man kennt dies von der Justiz – provozieren Gegengutachten. Dass aber eine Studie, wie jetzt die zum künftigen deutschen Arbeitsmarkt, derartig leicht zu zerpflücken ist – das ist schon überraschend. Machen wir es kurz. Wir haben demnächst im Gegensatz zur Meinung der Verfasser der Bertelsmann Studie eher zu viele Menschen im Arbeitsprozess, weil unsere Wirtschaft infolge der Technologisierung und Digitalisierung geradezu beängstigend viele Arbeitsplätze abbauen muss. Wohin mit den dann Arbeit suchenden Menschen?

Bereits im April 2015 hat das „Economic Research ING DiBa unter der Überschrift „Die Roboter kommen“ die Folgen der Automatisierung für den deutschen Arbeitsmarkt untersucht. Die Analyse basierte auf Erkenntnissen der Wissenschaftler Carl Benedikt Frey und Michael Osborne von der renommierten Universität Oxford und wurde vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW in Mannheim) ergänzt. Zugrundegelegt wurde die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Die Kernthese der Untersuchung des Economic Research lautet: Von den 30,9 Millionen erfassten Beschäftigten im deutschen Arbeitsmarkt sind 18,3 Millionen Arbeitsplätze bzw. 59% durch die Entwicklungen der Technologisierung/Digitalisierung bedroht. Näheres hierzu finden Sie in unserem Beitrag „Braucht der demografische Wandel Zuwanderung?“.

Nun könnte man ja auch hier bei den Studien von Frey und Osborne und den Erkenntnissen des Economic Research ING DiBa von einer übertriebenen Theorie sprechen. Forschungsinstitute malen gerne übertreibende Bilder, weil sie ihre Daseinsberechtigung nachweisen wollen. Doch auch das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit sieht ein Viertel der menschlichen Tätigkeiten für automatisierbar – die vornehme Umschreibung von ersetzbar – an. Der Branchenverband BITKOM hat eine Befragung zu den Auswirkungen der Digitalisierung in Unternehmen vorgenommen. Ergebnis der Umfrage: Jede zehnte Stelle, so die Wirtschaft, sei gefährdet. Siemens-Konzernchef Joe Kaeser hat vor einem Jahr am Rande der Sicherheitskonferenz in München auf die drohenden dramatischen Auswirkungen durch den Abbau von Arbeitsplätzen im Arbeitsmarkt durch die Digitalisierung hingewiesen.

Abstimmung mit den Füßen

Wir werden also künftig nicht mehr, sondern eher weniger Menschen beschäftigen können. Auch werden sich einige Beschäftigungsstrukturen im Handwerk ändern. Es werden beispielsweise bald keine Bäcker oder Metzger im traditionellen Handwerk beschäftigt sein, weil sich die Wurst- und Fleischproduktion – dies mag man bedauern – ebenso wie die Backwaren- und Brotherstellung in anonyme Fleisch- und Brotfabriken verlagert. Im Dienstleistungsbereich werden viele Arbeitsplätze wegfallen. Natürlich werden auch künftig in technischen Bereichen hochqualifizierte und ausgebildete Fachkräfte benötigt. Diese werden aber nicht unbedingt aus Drittstaaten zu rekrutieren sein. Gelöst werden muss hingegen in Deutschland ein anderes Problem. Viele leistungsbereite qualifizierte Menschen verlassen unser Land. Eine Abstimmung mit den Füßen!

Letzte Änderung am Donnerstag, 14 Februar 2019 10:39
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag