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Kabale und Liebe

Berliner Bundespolitik: Rin in die Kartoffeln – raus aus den Kartoffeln. Berliner Bundespolitik: Rin in die Kartoffeln – raus aus den Kartoffeln. © Pixabay

Ein Trauerspiel nach Berliner Art

Erster Akt: Messerattacke in Chemnitz; es folgen Demonstrationen und Gegendemonstrationen. Die Kanzlerin und ihr Regierungssprecher waren sich schnell einig. In Chemnitz habe es „Hetzjagden“ gegeben. Als Beweis dient ein Kurzvideo. Chemnitz wird zum deutschen Politikum.

Zweiter Akt: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) distanziert sich öffentlich und in einer Regierungserklärung von der Einschätzung der Kanzlerin. Es habe weder einen Mob noch eine Hetzjagd in Chemnitz gegeben. Die Einschätzung Hetzjagd wird sogar vom Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, relativiert. Der Bundesverfassungsschutz ist immerhin der deutsche Inlandsnachrichtendienst und ergänzt den Bundesnachrichtendienst (BND) und den Militärischen Abschirmdienst (MAD). Bundesinnenminister Horst Seehofer stellt sich demonstrativ hinter Hans-Georg Maaßen, dessen Qualitäten als Verfassungsschutz-Präsident in Fachkreisen sehr gelobt werden.

Dritter Akt – die Majestätsbeleidigung: Fast alle Medien schäumen und fordern die Ablösung des Verfassungsschutz-Präsidenten Maaßen. Richtig widerlegen kann aber Maaßen niemand. Die „Causa Maaßen“ schaukelt sich zur Regierungskrise hoch. Der wahre Grund: Maaßen hat es gewagt, der Kanzlerin zu widersprechen, sozusagen Majestätsbeleidigung begangen. Die SPD fordert aus parteiideologischen Gründen den Kopf von Maaßen, CSU-Chef Seehofer steht aber weiterhin hinter Maaßen. Das Berliner Panoptikum ist perfekt.

Vierter Akt: Machtgier und Erhalt der Pöstchen in der GroKo siegen. Es gibt, wieder einmal, einen politischen Kompromiss: Maaßen bleibt nicht mehr Präsident des Bundesverfassungsschutzes, wird aber mit einer Gehaltserhöhung zum parlamentarischen Staatssekretär befördert. Formal hat die SPD-Chefin Nahles ihr Ziel der Ablösung von Maaßen erreicht – aber Seehofer hat sein Gesicht durch die neue Aufgabe für Maaßen auch bewahrt. Unentschieden.

Fünfter Akt: Die SPD-Basis probt den Aufstand gegen ihre Parteivorsitzende, die überforderte Nahles, und schäumt wegen des „Kompromisses“ vor Wut. Die GroKo steht vor der Auflösung. Nahles will eine Revision des von ihr mitgetragenen Kompromisses nach dem Motto, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern! Ergebnis: Maaßen wird jetzt doch nicht Staatssekretär und soll Sonderbeauftragter im Bundesinnenministerium werden. Schluss und vorläufiges Ende – Ausgang offen.

Ergebnis Politikverdrossenheit

Auf der Strecke bleibt die Menschlichkeit. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, er wurde jetzt geliefert. Die Politik kann ein verdammt schmutziges Geschäft sein. Und da wundern sich die Parteien der GroKo über ihren Bedeutungsverlust. Wie geht dieses Land, wie geht diese Bundesregierung mit verdienten und übrigens tüchtigen Behördenchefs – und Maaßen gehört dazu – auch menschlich um? Was wir jetzt erlebten, ist ein Trauerspiel und eine Schande. Demnächst sind Wahlen in Bayern und Hessen. Die Quittung wird, so sicher wie das Amen in der Kirche, kommen, denn vernünftig regiert (siehe die Konzeptlosigkeit der Regierung um den Diesel) wird in Berlin schon lange nicht mehr – dafür aber so trefflich gestritten. In Bayern und Hessen wird auch über die Kanzlerin abgestimmt. Diese hat jede Autorität verloren und zwar im Inland und Ausland. Wer will sie eigentlich noch? Selbst in der eigenen Partei ist sie aufgrund des Zerfalls der Union längst umstritten und in vielen Ländern hält man auf der dortigen jeweiligen politischen Regierungsebene nicht mehr viel von einer Kanzlerin, die sich nur noch durch wuselt. Nicht nur in Washington oder in London, sondern auch bei unseren Nachbarn in Warschau, Budapest, jetzt auch in Rom, Bratislava, Prag und hinter verschlossenen Türen in weiteren Ländern – von Moskau gar nicht zu reden! Gelegentlich wird nach außen noch mit Merkel freundlich, aber nur nach außen hin und für die Galerie, gelächelt: It’s time zu say goodbye!

Letzte Änderung am Freitag, 28 September 2018 10:21
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag