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Unterhauswahl in Großbritannien

Die Tories (Conservative Party) wurden zwar „gerupft“, blieben aber weiterhin mit Abstand die stärkste Partei im britischen Unterhaus. Die Tories (Conservative Party) wurden zwar „gerupft“, blieben aber weiterhin mit Abstand die stärkste Partei im britischen Unterhaus. © Pixabay

Brexit und unbegründetes Medien-Frohlocken in Deutschland

Die EU wird wohl weiterhin die Brexit-Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU mit Theresa May führen müssen. Zwar war insbesondere in den deutschen Medien das Frohlocken groß, als das Ergebnis der vorgezogenen Unterhauswahlen vom 8. Juni 2017 feststand, doch bei näherem Hinsehen, hat sich nichts geändert – die Tories bleiben an der Macht!

Zugegeben hat Theresa May einen gewaltigen Dämpfer bekommen. Ohne Not pokerte sie und verspielte eine absolute Mehrheit. Als sie überraschend am 18.4.2017 Neuwahlen ankündigte, hoffte sie, die absolute Mehrheit der Tories sogar noch ausbauen zu können. Es kam anders, kurz vor dem Wahltermin wurde das Land mit einer Welle von Anschlägen konfrontiert. Labour wies geschickt darauf hin, dass May als Kabinettsmitglied unter David Cameron zu viele Stellen für die Sicherheit des Landes gestrichen habe. Eine Oppositionspartei hat es bei Anschlägen immer leichter. Schuld hat dann immer die regierende Partei. Ohne die Anschläge wäre die Rechnung der Theresa May auch sicher aufgegangen.

Doch auch Amtsvorgänger David Cameron hatte in seiner ersten Amtsperiode keine absolute Mehrheit. Er war auf die Liberalen angewiesen. Neu ist also die Situation nach der Wahl nicht. Vergessen wird auch, dass der Abstand zwischen den Tories, die jetzt 318 Sitze im Unterhaus haben und Labour, die 262 Mandate errangen, immer noch beachtlich groß ist. Man ist bei Labour schon sehr bescheiden geworden, wenn man eine weiterhin deutliche Niederlage als Sieg feiert. Wie man da auf die Idee, wie viele deutsche Medien, kommen kann, Labour hätte gewonnen, bleibt schleierhaft. Wollte Labour – nur theoretisch – May ablösen, müsste die Partei eine Koalition mit vier Parteien bilden – insbesondere mit der Schottischen Nationalpartei (SNP), die aber ein gespaltenes Verhältnis zu Labour vor allem aus der Sicht von Labour selbst hat. Zu stark hat lange die SNP Labour in der für sie wichtigen Hochburg Schottland dezimiert.

EU braucht auch künftig Großbritannien

Die Tories werden wohl mit Duldung der nordirischen DUP eine stabile Regierung bilden. Da hat Labour sogar theoretisch keine Chance, selbst wenn sie alle anderen Parteien für eine Koalition gewinnen würde. Es ist für die Tories nicht mehr so einfach wie vor der Wahl, aber es reicht. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, inwieweit die Tories selbst noch mittelfristig Vertrauen zu ihrer Parteichefin haben. Vieles wird davon abhängen, wie Theresa May die Brexit-Verhandlungen führt und was dabei für das Vereinigte Königreich herauskommt. Die Position Großbritanniens ist dabei nicht schlecht.

Die EU braucht stärker denn je aus sicherheitspolitischen Gründen die Atommacht Großbritannien, zumal US-Präsident Donald Trump bei seiner Forderung nach mehr Engagement der europäischen NATO-Partner bleibt. Zweitens könnte sich im Außenhandelsbereich eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten anbahnen, sollte die EU den Bogen gegenüber dem Vereinigten Königreich überspannen. Dies ist die erklärte Aussage von Trump und May. Auch könnte Großbritannien – sollte die EU die osteuropäischen Länder Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn mit Strafen wegen deren Ablehnung der EU-Flüchtlingspolitik belegen – eine engere Allianz mit den Osteuropäern unter Einschluss der USA, die ohnehin z.B. klar auch hinter Polen stehen, schmieden. Ein Austritt der Osteuropäer aus der EU wäre deren Ende! Also stark ist die Position der EU bei den Brexit-Verhandlungen keineswegs.

Man wird wohl mit Großbritannien zu einem Modus vivendi kommen müssen, wobei die Betonung eindeutig auf „müssen“ liegt. Kraftmeiereien des EU-Abgeordneten Manfred Weber (CSU), die Briten müssen die Rechnung bezahlen, sind aus den oben genannten Gründen lächerlich und unangebracht. Welche Rechnung? Wer so dummes Zeug redet, darf sich nicht wundern, dass die Briten ihren weltweiten Einfluss (u.a. ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat – im Gegensatz zu Deutschland) – ausspielen. 

Lektion in Schottland

Auch das in Deutschland ständige Frohlocken über die schottischen Ambitionen für ein neues Referendum hat sich als Luftnummer erwiesen. Die Schottische Nationalpartei, die immer darauf hinwies, dass die Schotten gegen den Brexit sind, wurde gar schlimm bei den Unterhauswahlen abgestraft. Sie verlor gegenüber 2015 unglaubliche 21 Sitze – fast die Hälfte der bisherigen – bzw. 13,1% der Stimmen in Schottland und ausgerechnet die Tories, die in Schottland immer auf verlorenem Boden standen, legten dort um 13,7% bzw. um 12 Sitze zu. SNP-Chefin Surgeon hat die Lektion auch verstanden und zugegeben, dass die derbe Niederlage ihrer Partei mit dem Ankündigen eines neuen Schotten-Referendums zu begründen sei. Inzwischen wurde das Referendum abgesagt.

Insofern hat dann Theresa May doch noch einen innenpolitischen Erfolg für die Einigung des Landes erreicht. Die Menschen sind kritisch, aber sie wollen keine Kleinstaaterei. Wie soll das kleine Schottland ohne die Finanztransfers aus London auch überlebensfähig sein? Gute Preise für das Nordsee-Öl – dies war einmal.

 

Letzte Änderung am Mittwoch, 12 Juli 2017 14:42