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Schwache deutsche Großbanken:

Schwache deutsche Großbanken: Pixabay

Rechtsstreitigkeiten, Personalabbau, Strategiewechsel

Was nur ist mit den deutschen Großinstituten Deutsche Bank und Commerzbank los? Die Hiobsbotschaften überschlagen sich. Während zum Glück für die deutsche Gesamtwirtschaft die Industrie sich weiterhin im Aufwind befindet und im September 2016 durch die gute Nachfrage aus dem Ausland über einen sehr guten Auftragseingang berichtet, dominieren bei den beiden größten deutschen Banken die negativen Botschaften. Bereits beim europäischen Stresstest landeten sowohl die Deutsche Bank und insbesondere die Commerzbank auf den hinteren Plätzen, wenngleich die Banken sich über die Ergebnisse zufrieden äußerten nach dem Motto „es hätte ja noch schlimmer kommen können“.

Jetzt haben sich die Ereignisse überschlagen. Die Deutsche Bank kommt leider vor allem international nicht aus den negativen Schlagzeilen. Seit Jahren wird sie mit Rechtsstreitigkeiten konfrontiert und übrigens nicht nur im Ausland, wenn nur die deutsche Prozesslawine bei den Kirch-Streitereien erwähnt werden darf, bei denen es aber im Vergleich zu den Vorwürfen aus den USA um „Kleinigkeiten“ ging. Aktuell wirft das US-Justizministerium der Deutschen Bank zweifelhafte Geschäfte auf dem US-Immobilienmarkt sowie Manipulationen auf dem Devisenmarkt vor. Zwar dürfte die Strafandrohung der Amerikaner über 14 Milliarden US-Dollar weit überzogen sein, doch allein schon die Rückstellung der Bank ist mit über 5,5 Milliarden Euro enorm.

Viel Geld für Streitereien verpulvert

In den vergangenen Jahren hat die Deutsche Bank bereits enorme Beträge für Rechtsstreitigkeiten aufbringen müssen: Es ging u.a. um Interbanken-Zinsen (LIBOR), Geschäfte mit dem Iran und andere Vorhaltungen. Durch die negativen Schlagzeilen entstand ein großer Vertrauensverlust in das Institut und eine immer skeptischer werdende Börse. Schon kursierten – inzwischen dementierte – Berichte, demnach der Bund erwäge, bei der Deutschen Bank einzusteigen. Die Bank ist eine der „systemrelevanten“ Banken, d.h. ein Zusammenbruch hätte analog der Finanzkrise aus dem Jahre 2008 fatale Folgen weit über Deutschland hinaus. Doch ein Zusammenbruch der Bank ist unwahrscheinlich.

Sehr bedenklich sind auch die permanenten Strategiewechsel. Typisches Beispiel ist das Privatkundengeschäft. Durch die Übernahme der Postbank wollte es die Deutsche Bank stärken. Inzwischen steht die Postbank wieder zum Verkauf. Auch das ständige Hin und Her um das Investment Banking (Handel mit Wertpapieren, Börsengänge, Begleitung beim Kauf und Verkauf von Unternehmen, Vermögensverwaltung) lässt eine klare Strategie nicht erkennen. Im Juni 2016 wurden im Rahmen eines „Umbaus“ der Bank einmal wieder Stellenstreichungen bekannt. Jetzt sollen nochmals 1000 Vollzeitstellen abgebaut werden. Weltweit sind es 9.000 Stellen. Unruhe intern, Nervosität an den Börsen, politische Stellungnahmen – all dies hat jüngst John Cryan, Vorstandsvorsitzender der Bank, veranlasst , an die Beschäftigten der Bank eine mutmachende Beruhigungspille zu verabreichen.

Verschwörungstheorien?

In einem Mitarbeiterbrief sprach Cryan von „Spekulationen“ und einer verzerrten Außenwahrnehmung. Man sei aber voll im Plan und erfülle die Eigenkapitalanforderungen. Die Bank sei operativ stark und mit Liquiditätsreserven von mehr als 215 Milliarden Euro „haben wir einen überaus komfortablen Puffer“, sagte Cryan. Am Markt seien Kräfte unterwegs, die das Vertrauen in die Deutsche Bank schwächen wollten. Sind also nur Verschwörungstheorien am Werk? Nicht ganz, wie der Stresstest sowie kritische Aussagen des IWF zur Bank zeigen. Auch die Niedrigzinspolitik der EZB – auf die die Banken gerne ihre Ertragsprobleme schieben – wurde von EZB-Präsident Mario Draghi als keinen Grund dafür angesehen, dass die Banken zu wenig Geld verdienen. Es werde vergessen, so Draghi, dass die Banken sinkende Zinserträge durch mehr Kredite und einen geringeren Zinsaufwand mehr als ausgleichen könnten. Auch würden andere Institute – u.a. die Genossenschaftsbanken – Renditen erzielen, die über dem Durchschnitt liegen.

Auch beim zweitgrößten deutschen Finanzinstitut, der Commerzbank, ist mal wieder von einem enormen Stellenabbau und einem Konzernumbau die Rede. Von den 45.000 Vollzeitstellen sollen 9.600 abgebaut werden. Der „Umbau“ kostet 1,1 Milliarden Euro. Insbesondere das Investmentbanking soll zurechtgestutzt werden. Priorität haben wieder Privat- und Firmenkunden. Auch bei der Commerzbank wird auf die Niedrigzinspolitik verwiesen. Doch die Finanzwirtschaft widerlegt sich durch andere Marktteilnehmer selbst. Vergessen wird gerne, dass auch Versicherungen als wichtige „Kapitaleinsammler“ mit dem Problem der Niedrigzinspolitik konfrontiert werden. So hat der Marktführer Allianz gute Halbjahreszahlen im laufenden Jahr präsentiert. Trotz des angeblich schwierigen Marktumfeldes wird ein operativer Gewinn von 10,6 Milliarden Euro für das laufende Geschäftsjahr angepeilt.

Wo war Martin Blessing?

Bei der Commerzbank – der Bund ist seit der letzten großen Finanzkrise mit ca. 15% der größte Aktionär – weist nach gerade einmal vier Monaten seit Amtsantritt der neue Konzernchef Martin Zielke ebenfalls wie der Marktführer DB darauf hin, dass die Bank einfach zu wenig Geld verdiene und begründet somit den Umbau in Richtung einer Digitalisierungsstrategie. Ist diese Erkenntnis urplötzlich neu vom Himmel gefallen? Mitnichten. Zu fragen wäre, was den langjährigen Bankchef Martin Blessing, der immerhin fast 8 Jahre an der Spitze der Commerzbank stand, bewogen hat, die Bank zu verlassen. Blessing hat inzwischen als Vorstandsmitglied bei der UBS in Zürich angeheuert. Hat Blessing die Entwicklungen bei der Commerzbank nicht rechtzeitig erkannt? Zu hören ist, dass z.B. die gesamte Informatik der Coba „museumsreif“ sei. Wie soll da jetzt kurzfristig die Digitalisierungsstrategie klappen? Fragen über Fragen.

Ertragssäule „Deutschland AG“ fehlt

Schadenfreude zum Erscheinungsbild der beiden größten privaten deutschen Banken ist unangebracht. Eine führende Wirtschafts- und Exportnation wie Deutschland braucht leistungsstarke und durchaus auch international gut vernetzte Banken. Vielleicht haben auch – dies gilt übrigens auch für die großen Versicherungsplayer Allianz und Münchener Rück – zu schnell die Finanzinstitute die sogenannte „Deutschland AG“ aufgegeben und somit einem von den Medien geforderten unsinnigen Modetrend nachgegeben. Versicherungen und Banken waren bis vor etwa 25 Jahren erheblich u.a. bei guten Industrieadressen beteiligt mit den entsprechenden Erlösen. Man stelle sich nur einmal vor, die Deutsche Bank wäre noch Großaktionär bei Daimler. Diese Ertragssäule – nicht nur beim Beispiel Daimler – fehlt heute den Großbanken. Vielleicht wäre auch heute noch die MAN AG selbständig und kein Anhängsel des VW-Konzerns, denn bei der MAN waren im Rahmen der „Deutschland AG“ führende Akteure der deutschen Finanzwirtschaft beteiligt. Das waren noch Zeiten …

Letzte Änderung am Mittwoch, 19 April 2017 10:28
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag