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Das ist Volk der Souverän

Das  ist Volk der Souverän Pixabay

Briten stimmten gegen einen EU-Verbleib

Es hilft kein Gezeter mit düsteren Prophezeiungen: Die Bürger im Vereinigten Königreich haben sich immerhin mit einem Abstand von 3,8% bzw. mit 51,9% gegen einen Verbleib in der EU ausgesprochen. Nun werden in den nächsten Wochen zahlreiche unsinnige Szenarien gemalt. Großbritannien würde ein gespaltenes Land und es drohe ein Auseinanderdriften der verschiedenen Landesteile. Angespielt wird insbesondere auf Schottland, das in der EU bleiben wolle. Großbritannien stünde vor einem wirtschaftlichen Desaster. Zunächst wie immer: Vieles ist einfach nur ein Nachgeplapper der vorgegebenen Meinungen.

Grundsätzlich ist das Volk der Souverän. Wichtige Entscheidungen bedürfen einer Zustimmung durch das Volk, wenn die Bürger mitgenommen werden sollen. Zumindest sollte es so sein. Mit einem anderen Modell, also außerhalb der permanenten Abstimmung durch die Bürger, hätte sich die Schweiz mit ihren verschiedenen Stämmen und Sprachen (deutsch, französisch, italienisch, rätoromanisch) seit über 200 Jahren nicht so erfolgreich entwickeln können. Wir Deutsche dürfen hingegen noch nicht einmal unseren Bundespräsidenten direkt wählen – dafür sind wir nach Ansicht der Politschacherer nicht reif genug. Die Politik will bei uns lieber weiter in den Hinterzimmern mauscheln. Auch mit der Selbstherrlichkeit einer Frau Merkel wäre es bei einer Volksbefragung zu elementaren Fragen unseres Volkes ganz schnell vorbei. Aber die Entwicklung in Richtung der stärkeren Einbeziehung des Volkes durch Volksbefragungen wird über kurz oder lang kommen, wenn die etablierten Parteien überleben wollen.

Dies nur zum Hintergrund der grundsätzlichen Richtigkeit, die Briten direkt zum EU-Verbleib abstimmen zu lassen. Großbritannien und auch Kontinentaleuropa werden nicht untergehen; Brüssel wird vielleicht Vergangenheit, wenn weiterhin Eurokraten die Zeichen der Zeit nicht erkennen.

Mehr Realität ist jetzt geboten

Es ist vielleicht hilfreich, jetzt, nach der Abstimmung durch die Briten, einige Fakten aufzuzählen:

  1. Großbritannien wird auch künftig eine bedeutende politische Größe bleiben. Sowohl Deutschland als auch Frankreich werden z.B. auch weiterhin auf eine engste wechselseitige Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich angewiesen sein.
  2. Das Vereinigte Königreich steht für die enge atlantische Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten; die „Special Relationsship“, nämlich die herausgehobene politische Kooperation zwischen den USA und Großbritannien, bleibt Eckpfeiler der westlichen Politik. Großbritannien bleibt der „Flugzeugträger“ der USA in Europa. Dies hat auch viel mit der gemeinsamen Vergangenheit und Sprache sowie dem kulturellen Werteverständnis zu tun. Dies hat ganz bewusst jetzt der US-Präsident Obama betont.
  3. Großbritannien ist NATO-Mitglied und insofern weiterhin ein herausragender Partner der europäischen Sicherheit und somit auch der EU.
  4. Großbritannien gehört zusammen mit den USA und Frankreich zu den traditionellen Atommächten des Westens und hat auch insofern eine herausgehobene strategische Bedeutung.
  5. Europa braucht auch künftig den Einfluss durch das ständige Mitglied Großbritannien im UN-Sicherheitsrat; im Gegensatz zu Deutschland haben die Briten in der UNO Vetorechte.
  6. Das Vereinigte Königreich wird auch künftig zu den führenden Volkswirtschaften der Welt gehören.

Niederlage für Merkel

Die jetzige Abstimmung in Großbritannien ist auch eine Niederlage für Angela Merkel, denn deren Willkommenspolitik war ein ausschlagendes Thema der EU-Gegner. UKIP-Chef Nigel Farage ließ z.B. LKW mit großflächigen Bildern bespannen, auf denen Flüchtlingsströme zu erkennen waren. Die Fahrzeuge fuhren dann durch das Land. Dies war zwar nicht gerade die berühmte feine britische Art – aber höchst wirkungsvoll für das Abstimmungsverhalten der Briten.

Was das wirtschaftliche Verhältnis etwa zwischen Großbritannien und Deutschland betrifft – die unternehmerischen gewachsenen Verflechtungen sind und bleiben eng – unabhängig davon, ob UK in der EU ist oder auch nicht. Über 2.500 deutsche Unternehmen sind im Vereinigten Königreich mit 370.000 Beschäftigen aktiv. Bedeutende Investoren sind nur als Beispiel Siemens, Bosch oder BMW. 3.000 britische Unternehmen sind in Deutschland Investoren und Arbeitgeber: Rolls Royce etwa in Dahlewitz oder bei der früheren MTU in Friedrichshafen, der britische Weltkonzern GKN mit verschiedenen Aktivitäten und natürlich immer noch BP und Shell als Weltplayer (Zahlen Auswärtiges Amt). Großbritannien ist der drittgrößte Handelspartner Deutschlands.

Enge wirtschaftliche Verbindungen

Zahlreiche weitere Verflechtungen bestehen zwischen Großbritannien und anderen EU-Mitgliedern, von den Verbindungen der amerikanischen Wirtschaft (z.B. General Motors und GE) überhaupt nicht zu reden. Auch Japan gehört zu den wichtigen Investoren in Großbritannien (Nissan und Honda). Es ist jetzt absoluter Unsinn, wenn leider von prominenten Politikern auch aus Deutschland wutschnaubende Töne zu vernehmen sind.

Auch das Auseinanderfallen Großbritanniens ist Geplänkel. Solche Ankündigungen, auch in Spanien mit den Katalanen oder vor einigen Jahren in Italien mit dem Abspalten des „reichen“ Nordens um Mailand und Turin, sind ohne Substanz: Gepoker, um mehr Einfluss durch die politischen Zentralen zu erhalten. Im Übrigen würden auch da die Bürger in Schottland entscheiden. Es würde ein zweites schottisches Abstimmungsfiasko geben.

Was ist jetzt zu tun? Die EU muss energisch reformiert werden – Brüssel muss nicht über jeden Misthaufen in der Walachei befinden – auch nicht über Ölgefäße auf den Tischen in italienischen Restaurants. Solange Tausende Eurokraten unnütz für realitätsfremde Ideen bezahlt werden, bleibt die EU im Erscheinungsbild unattraktiv. Die Bürger müssen mehr direkt einbezogen werden. Eine Krim-Krise wäre nie entstanden, wenn der Westen die Ukraine nicht in die EU gelockt hätte. Man stelle sich nur vor, was passiert wäre, wenn dies geklappt hätte. Griechenland wäre dagegen in den finanziellen Auswirkungen Kleinformat.

Die EU-Staaten und Großbritannien müssen zu vernünftigen Regelungen der künftigen Zusammenarbeit auch auf wirtschaftlicher Ebene kommen – alles andere sind gefährliche Eigentore, für beiden Seiten wohlgemerkt.

Letzte Änderung am Mittwoch, 19 April 2017 13:43
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag