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Chefvolkswirt der Deutschen Bank:

Chefvolkswirt der Deutschen Bank: Pixabay

Analysen oder politische Stimmungen

Der Brite John Cryan, neuer Chef der Deutschen Bank, hat es nicht leicht. Er muss u.a. den ramponierten Ruf von Deutschlands größtem Finanzinstitut aufpolieren. Das negative Erscheinungsbild entstand in der Ära ehemaliger Vorstandschefs und führte dazu, dass sich Behörden und Gerichte im In- und Ausland mit der Bank beschäftigen. Eines der „Markenzeichen“ war auch die Geschwätzigkeit – Beispiel Kirch-Prozesse – führender Repräsentanten. Beim Libor-Skandal (Zinsmanipulationen) war die Bank beteiligt und musste eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar an Regierungsbehörden im Vereinigten Königreich und in den USA zahlen. Vorbei sind auch längst die Zeiten, in denen für die Bank international renommierte Chefvolkswirte vom Schlage eines Franz-Josef Trouvain oder Norbert Walter tätig waren.

 

Chefvolkswirte haben bei den Großbanken eine herausgehobene Funktion. Sie stehen den volkswirtschaftlichen Abteilungen der Finanzinstitute vor und sollen die großen Leitlinien, Strategien und Entscheidungen des Vorstands durch glaubwürdige und objektive Analysen vorbereiten. Als „Vordenker“ sind die Chefvolkswirte mit ihren Abteilungen weitgehend in den Banken autark. Sie sollen bewusst nicht dem politischen Mainstream hinterherlaufen. Genau dies aber hat jetzt David Folkerts-Landau, derzeitiger Chefvolkswirt der Deutschen Bank, in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ getan.

Man greift sich an den Kopf

Eine Million Flüchtlinge, vielleicht ähnlich viele im kommenden Jahr, seien eine „Riesenchance für Deutschland“, sagte David Folkerts-Landau im Interview. Dass eine Million Asylanten bereits nach Deutschland gekommen sind, sei das „Beste, was 2015“ passiert sei. Man greift sich an den Kopf und ist erstaunt, dass der Mann die strategischen Entscheidungen einer großen Bank beeinflussen kann. Wie begründet der Theoretiker aber den vermeintlichen volkswirtschaftlichen Segen?

Der „alte Hut“ der demographischen Probleme und wie der künftige Arbeitsmarkt in Deutschland gesichert werden soll, muss bei Folkerts-Landau herhalten. Bereits in unserem Beitrag „Braucht der demographische Wandel Zuwanderung“ haben wir nachgewiesen, dass die Chancen durch Zuwanderung fragwürdig sind. Der Bevölkerungswissenschaftler Prof. Dr. Herwig Birg macht ganz andere Faktoren für die derzeitige demographische Entwicklung Deutschlands verantwortlich, nämlich eine verfehlte Politik in der Sozialversicherung, die Kinderlosigkeit prämiere. Nicht Massenzuwanderung – abgesehen davon, dass sie den Herkunftsländern wichtige Ressourcen entzieht – sei die Lösung, sondern eine Familienpolitik mit dem Bekenntnis zum Kind.

18,3 Millionen gefährdete Arbeitsplätze

Und was den künftigen Arbeitsmarkt betrifft, sollte Folkerts-Landau im Interesse seiner Bank die Studien u.a. der Oxford-Wissenschaftler Frey und Osborn kennen. Wir werden künftig u.a. durch die Robotik und andere Entwicklungen der Industrie 4.0 entschieden weniger Arbeitskräfte benötigen. 18,3 Millionen Arbeitsplätze sind in Deutschland mittelfristig gefährdet (siehe Beitrag „Braucht der demographische Wandel Zuwanderung).

Die demographische Entwicklung in Deutschland gestaltet sich in Zeitachsen und kann nicht linear in die Zukunft fortgeschrieben werden. 2014 gab es in Deutschland erstmals seit 25 Jahren wieder eine Trendwende in Richtung steigender Geburtenraten. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, erblickten 715.000 neue Erdenbürger in Deutschland das Licht der Welt. Und zwar überwiegend durch deutschstämmige Eltern.

Völlig unberücksichtigt ließ Folkerts-Landau auch das soziale und politische Umfeld durch die Massenzuwanderung, die zu einer Polarisierung der Gesellschaft führen kann. Das Gerede, dass die Integration gelingen müsse, ist leider weitgehend Wunschdenken. Weder sind die Leute mehrheitlich in den Arbeitsprozess integrier- noch vermittelbar. Dies belegen Entwicklungen in Berlin und Nordrhein-Westfalen. Maximal sind nur 10% der jetzt zugewanderten Flüchtlinge für qualifizierte Aufgaben geeignet. Ein überwiegender Teil will nicht integriert werden. Die Menschen halten an ihren kulturellen Werten fest. Durch die deutsche Flüchtlingspolitik droht bereits eine Spaltung der EU, die Kanzlerin ist schon weitgehend isoliert und hat lediglich noch den österreichischen Kanzler auf ihrer Seite. Ein Auseinanderfallen der EU hätte auch für Deutschland fatale Folgen. Interessant ist übrigens die pessimistische Einschätzung von Folkerts-Landau zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Euro-Zone. Ein Widerspruch zu den vermeintlichen Riesenchancen für Deutschland.

Enormer Anstieg der Sozialausgaben

Da die meisten Zuwanderer über die deutschen Sozialnetze (selbst wenn alles gut gehen würde) noch auf Jahre versorgt werden müssen, führt die angebliche „Riesenchance“ zu einer nur schwer finanzierbaren Größenordnung der Sozialausgaben. Darauf hat nicht nur der renommierte Ökonom Prof. Dr. Raffelhüschen von der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg hingewiesen. Im ungünstigsten Szenario, das aber nicht auszuschließen ist, belaufen sich die Zusatzkosten „langfristig auf 900 Mrd. Euro“, sagte Raffelhüschen bei einer Präsentation für die Stiftung Marktwirtschaft. Zu einer realistischen Einschätzung der erheblichen Kosten kommen aber auch die Ökonomen Hans-Werner Sinn und Clemens Fuest. Und schließlich auch seriöse Unternehmenschefs großer Konzerne.

Ein fragwürdiges Argument – jetzt von der Politik – ist die angebliche Belebung des Konsums durch Zuwanderer. Eine Milchmädchenrechnung. Denn die „Belebung“ trifft nur zu, wenn die Menschen in den Arbeitsprozess eingegliedert werden und Steuern und Sozialabgaben bezahlen. Einstweilen werden die Haushaltungen im Bund und in den Ländern belastet. Natürlich geben die Menschen die Finanzzuwendungen teilweise aus. Der gleiche Effekt würde auch eintreten, wenn man den sozial schwächsten Gruppen die Finanzmittel zweckgebunden zur Haushaltsankurbelung schenken würde. Dies sind aber unrealistische Szenarien.

Letzte Änderung am Donnerstag, 20 April 2017 13:22
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag