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Ist die Bahn ein schlechter Verlierer?

Ist die Bahn ein schlechter Verlierer? Skoda Transportation

Nürnberger S-Bahn-Netz erhält einen neuen Betreiber

Große Aufregung im Nürnberger Land. Die dortige S-Bahn, derzeitiger Streckenumfang 224 Kilometer, soll ab 2018 – zunächst bis 2030 – einen neuen Betreiber erhalten. In einem Bieterverfahren der BEG (Bayerische Eisenbahngesellschaft mbH) hat sich die deutsche National Express Rail GmbH, eine Tochtergesellschaft des britischen Mobilitätsunternehmens National Express Group Plc, Birmingham, gegen den bisherigen Platzhirsch Deutsche Bahn Regio durchgesetzt. Und dies ausgerechnet in der Metropolregion Nürnberg, die für die Bahn durch die erste deutsche Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth zugegeben eine gewisse bahnhistorische Bedeutung hat.

Die Briten versprechen für die S-Bahn der Metropolregion Nürnberg nicht nur den Ausbau des Streckennetzes auf 272 Kilometer. Neben der Zusage einer erheblichen Verbesserung der Dienstleistungsqualität mit einem verlässlichen, sicheren und qualitativ hochwertigen Service soll insbesondere auch der preisliche Abstand zum Angebot der DB Regio Franken erheblich günstiger und somit mit ausschlaggebend für den Zuschlag gewesen sein. Doch sich anstelle über die Entlastung des Steuerzahlers zu freuen, hat sich in Nürnberg eine seltsame Koalition zwischen regionalen Vertretern der Politik, der Gewerkschaft, die um Arbeitsplätze fürchtet, und eben der Deutschen Bahn herauskristallisiert. Bezweifelt wird unisono die Fähigkeit des privaten Eisenbahnunternehmens National Express, ein S-Bahn-Netz überhaupt betreiben zu können. Genau dies ist schon anmaßend. Vordergründig hat insbesondere Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly ebenfalls Sorgen um den Verlust von Arbeitsplätzen beim DB-Ausbesserungswerk in Nürnberg geäußert.

Vorurteile

Doch die genannten Befürchtungen seien unbegründet, sagte National Rail-Geschäftsführer Tobias Richter in einem Fernsehinterview. Man sei ganz im Gegenteil um jeden qualifizierten Arbeitsplatz dankbar und selbstverständlich könnte auch das rollende Bahnmaterial künftig weiter in Nürnberg gewartet werden. Schließlich weisen die Briten darauf hin, dass sie als renommiertes Unternehmen seit 25 Jahren erfolgreich in mehreren Ländern – u.a. auch in den USA – tätig sind. Auch die Kompetenzen in Deutschland dürften unbestritten sein, war doch der Geschäftsführer der deutschen National Express Rail, Tobias Richter, 18 Jahre für den DB-Konzern tätig – davon acht Jahre für DB-Regio. Das Management ist also bestens gewappnet. Ist die Bahn, die die Vergabe an die Briten anfechtet, ein schlechter Verlierer und ist ihr Vorgehen sogar ein gefährliches Eigentor? Ja!

Immerhin sei die Deutsche Bahn daran erinnert, dass sie die Lizenz für das Durchfahren des Eurotunnels unter dem Ärmelkanal erhielt und im Vereinigten Königreich mit der Marke „Arriva“ tätig ist. Es kommt daher überhaupt nicht gut in Großbritannien an, wenn sich jetzt die Bahn in Nürnberg als Verlierer nicht gerade von der besten Seite zeigt. Und auch die Bahnbegründung beim Anfechten der Niederlage, das angeblich bessere Angebote der Briten müsse hinterfragt werden (von wem eigentlich, von der Bahn selbst?), ist mehr als dünn. Auch sollten Nürnberger Kommunalpolitiker und Gewerkschafter daran denken, dass gerade die jetzt so gepriesene Deutsche Bahn sich beim Betrieb der Berliner S-Bahn nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Jahrelang „zeichnete“ sich der Betrieb der Berliner S-Bahn mit der Anhäufung von Pannen aus. Auch in Bayern hat die DB-Regio Oberbayern eine beispielhafte Pannenserie hingelegt, wie der „Münchner Merkur“ schrieb. Dies nur zum Thema der vermeintlichen besseren Kompetenz.

Auch die wirtschaftliche Stabilität der National Express Group kann sich sehen lassen. Die Gruppe erwirtschaftete im abgelaufenen Geschäftsjahr 2014 bei einem Umsatz von 2,6 Milliarden Euro ein operatives Ergebnis von 269,7 Millionen Euro; das EBITA betrug sogar 412,3 Millionen Euro. Auch mit der Rentabilitäskennziffer von 12,4% (ROCE) sind die Briten gut positioniert.

Keine Markt-Abschottungen

Alles in allem besteht für hektische Aufregungen kein Grund. Etwas mehr Gelassenheit wäre wünschenswert. Wir können uns in Deutschland nicht immer abschotten. Dies wäre auch töricht, denn gerade Nürnberger Unternehmen der Bahntechnologie sind dringend auf Märkte außerhalb Deutschlands angewiesen. Einen der größten Aufträge für Bahntechnik – bei dem Wertschöpfung aus der Metropolregion wesentlich vertreten ist – erhielt Siemens in Großbritannien mit einem Auftragswert von 1,8 Milliarden Euro für das Projekt „Thameslink“. Es handelt sich um ein futuristisches Verkehrssystem in der Region London. Die Briten hätten diesen Auftrag durchaus auch an Wettbewerber, die im Vereinigten Königreich produzieren, erteilen können. Dies wurde sogar in der britischen Öffentlichkeit gefordert. Trotzdem erhielt Siemens den Zuschlag. Dafür gab es gute Gründe. Man sollte daher auch in Nürnberg, bei aller Kritik von Oberbürgermeister Maly zur Berücksichtigung eines britischen Anbieters für den Betrieb der S-Bahn in der Region, über den Tellerrand sehen.

Letzte Änderung am Dienstag, 25 April 2017 16:55
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag