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Politische Fehler gegenüber Russland gefährden geopolitische Lage

Politische Fehler gegenüber Russland gefährden geopolitische Lage VDMA

Sanktionen wurden zum Rohrkrepierer

Das Jahr 2014 neigt sich dem Ende. Sportlich hat es uns viel Freude bereitet: Deutschland wurde Fußballweltmeister und das im Land des Rekordtitelhalters Brasilien! Doch Fußball ist leider nur die schönste Nebensache der Welt – trotz der unglaublichen Kommerzialisierung dieses Sports. Für Deutschland war 2014 aber auch insbesondere in wichtigen Schlüsselbranchen – die Automobilindustrie ist ein Beispiel – ein insgesamt gutes Jahr. Aber es zeigen sich Gewitterwolken, die viel mit politischen Dummheiten oder Fehlentscheidungen zusammenhängen.

Deutschland – leider haben dazu viele Medien in einer unglaublichen Einseitigkeit beigetragen – hat sich im Umfeld der Ukrainekrise zu stark von den USA und der bis 2014 amtierenden EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton instrumentalisieren lassen und sich in Nibelungentreue gegen Russland mit Sanktionen gestellt. Nicht mehr die Frage wurde aufgeworfen, wer eigentlich völlig unsinnig die Ukraine in den Einflussbereich der EU bringen wollte. Was hat heute, nüchtern betrachtet, Deutschland und die EU davon und was hat angesichts weltweiter Terrorszenarien der Westen geopfert? Wir haben Russland als Partner verloren, obwohl ohne die Welt- und Atommacht Russland eine Lösung der wirklich drängenden weltweiten Probleme nicht möglich ist. Russland wird geopolitisch und geostrategisch als Partner benötigt, die Ukraine (etwa als EU- oder gar NATO-Mitglied) keineswegs! Diese Erkenntnis mag hart sein, aber so ist die Lage.

In völliger Verkennung der Möglichkeiten und Realitäten wollte auch Deutschland mit Sanktionen gegen Russland dazu beitragen, das Riesenland in die Knie zu zwingen. Vom Bestrafen – welch eine Arroganz – wurde geredet und dass Russland einen Preis zahlen müsse. Aber Russland lässt sich, wie die Geschichte zeigt, nicht in die Knie zwingen (übrigens egal, wer im Kreml das Sagen hat), schon überhaupt nicht von der deutschen Bundeskanzlerin. Dazu haben wir auch nicht die Möglichkeiten, politisch nicht und militärisch ohnehin nicht. Real betrachtet ist Deutschland eine wirtschaftliche Großmacht, zweifelsfrei mit viel Einfluss – aber global- und realpolitisch im strategischen Sinne gegenüber Russland eine Micky Maus. Selbst Großbritannien und Frankreich haben im Vergleich zur Bundesrepublik als Atommächte ein ganz anderes weltpolitisches Gewicht, was auch beim Sicherheitsrat der UNO abzulesen ist. Im Gegensatz zu den Briten und Franzosen haben wir als westliche Europäer kein Vetorecht. Alle sind sich einig, dass militärische Operationen gegen Russland auch nicht ansatzweise in Betracht zu ziehen sind. Und warum soll dann Russland trotzdem die Zähne gezeigt werden? Weshalb hat man schon lange vor der Zuspitzung der Ukrainekrise (mit dem Verlust schließlich der Krim für die Ukraine) ein regelrechtes Trommelfeuer gegen „Putins Spiele in Sotschi“ gestartet und damit nicht unerheblich zur atmosphärischen Störung beigetragen?

Übrigens wurde in den deutschen Medien immer so getan, als ob Russland die Ukraine geraubt und das Recht des Stärkeren beansprucht hätte. Die Krim war aber schon im zaristischen Reich Bestandteil Russlands und wurde lediglich unter anderen Voraussetzungen der damaligen UdSSR der sowjetischen Republik Ukraine, die Bestandteil der UdSSR war, geschenkt. Und zwar am 19.2.1954 per Federstrich vom seinerzeitigen Chef und Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow. Dabei ging Chruschtschow aber davon aus, dass die Sowjetunion als Staat weiter Bestand haben würde.

Geopolitische Entwicklungen

Auch Deutschland wollte 2014 Russland isolieren, obwohl Russland nicht nur ein wichtiger Exportmarkt für die deutsche Wirtschaft darstellt. Russland ist im Energiebereich wichtiger Partner Europas. Ja, Russland ist auf „unsere“ deutschen Gaserlöse angewiesen – aber wir auch halt auch auf das Gas! Dies mag vielleicht in 15 Jahren anders aussehen – einstweilen benötigen wir noch das russische Gas. Wie aber sehen die angeblichen Isolationen aus? Geopolitisch arbeiten Russland und China gerade nach der Ukrainekrise immer enger zusammen. China hat sogar angesichts der Sanktionen bereits seine Unterstützung Russland zugesagt. Ähnliches gilt für Indien. Russland und die neue indische Regierung haben soeben den größten Energiepakt geschlossen. Dies schließt nicht nur Rohstoffe mit ein, sondern auch die schlüsselfertige Lieferung von Kernkraftwerken und anderen Ausrüstungen. Indien spielt neuerdings sogar mit dem Gedanken, den riesigen Auftrag für die französische Rafale (Dassault) wieder zu stornieren und dafür russische Maschinen für Indiens Luftwaffe anzuschaffen.

Die Türkei andererseits wird die Rolle von South Stream übernehmen. Russland hat, für den Westen überraschend, diese geplante Gaspipeline aufgegeben und setzt dafür auf Röhren – ebenfalls durch das Schwarze Meer – in die Türkei. Keineswegs zufällig entspricht die Kapazität dieses Projektes genau der von South Stream. Die Zusammenarbeit Russlands mit der Türkei umfasst schließlich Atomreaktoren und für das ehrgeizige Satelliten-Projekt der türkischen Raumfahrtprogramme stellen die Russen die Transportraketen zur Verfügung. Schließlich wären noch Wirtschaftsaktivitäten Russlands in Südamerika zu nennen – insbesondere in der Zusammenarbeit mit Brasilien und Argentinien. Wie man sieht: Isoliert ist Russland keineswegs, wenn beispielsweise die einwohnerstärksten Länder wie China, Indien und in Südamerika Brasilien auch nicht ansatzweise daran denken, Russland zu isolieren. Isolationen sehen anders aus!

Inzwischen zeigt sich immer mehr, dass die Sanktionen gegen Russland zum Rohrkrepierer wurden. Zwar ist Russland angeschlagen – aber das Land hat trotz eines gewissen Abschmelzens immer noch enorme Währungsreserven. Lothar de Maizière, Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, hat zurecht darauf hingewiesen, dass Sanktionen gegen Russland indirekt auch der Ukraine schaden und nicht zuletzt vielen osteuropäischen Volkswirtschaften. Für die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer ist Russland ein Schlüsselmarkt. Die deutschen Exporte sind spürbar zurückgegangen. Darauf wies jüngst Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft sowie ehemaliger Top-Manager und Aufsichtsratsvorsitzender großer Unternehmen, hin. In einem Gespräch mit der „Passauer Neue Presse“ bezifferte Cordes den Rückgang der deutschen Exporte nach Russland allein zwischen Januar bis September 2014 auf 17%. Und gegenüber dem Deutschlandfunk prognostizierte er gar einen deutschen Exportrückgang nach Russland für das Gesamtjahr 2014 um 20%. Die Sanktionen führen auch dazu, dass Russland künftig auf eigene Entwicklungen setzt. Dies könnte für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau mittelfristig zu einem enormen Verlust führen. Dies gilt auch für den Bereich der schienengebundenen Mobilität. Während noch vor wenigen Jahren Siemens Hochgeschwindigkeitszüge nach China lieferte, sind die Chinesen inzwischen zum Wettbewerber geworden und könnten die Rolle von Siemens in Russland als Lieferant der entsprechenden Zuggarnituren einnehmen. Siemens-Chef Joe Kaeser hat bereits angedeutet, „dass am Ende ganz Europa den Preis für die Krise zahlt“.

Besorgte Mahner

Ist dies alles schon bedenklich genug, haben jetzt zahlreiche deutsche Persönlichkeiten quer durch die verschiedenen Parteien aus den Bereichen Politik, Kultur und Wirtschaft vor den Gefahren eines aufziehenden Kriegsszenarios gewarnt. Dies sind keineswegs Russland-Versteher, wie in völliger Verkennung der Lage die Unterzeichner des Aufrufes schon wieder bezeichnet werden. Die Unterzeichner appellieren an die Bundesregierung, ihre Verantwortung für den Frieden in Europa gerecht zu werden und fordern eine Entspannungspolitik. „Wir dürfen Russland nicht aus Europa drängen; dies wäre unhistorisch, unvernünftig und gefährlich für den Frieden. Seit dem Wiener Kongress 1814 gehört Russland zu den Gestaltungsmächten Europas“, heißt es im Aufruf. Zu den Unterzeichnern gehören der ehemalige CDU-Politiker und Bundespräsident Dr. Roman Herzog, Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder sowie Prof. Dr. Horst Teltschik als ehemaliger Berater im Bundeskanzleramt für Sicherheit und Außenpolitik unter Bundeskanzler Helmut Kohl. Von der Wirtschaft unterzeichneten den Aufruf Dr. Eckhard Cordes als Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft sowie Prof. Dr. Klaus Mangold, u.a. ehemaliges Mitglied des Vorstandes der Daimler-Benz AG und Vorstandschef der ehemaligen Quelle, als dieses Unternehmen noch stark gewesen ist.

Die Bundeskanzlerin, die noch vor wenigen Jahren Eurokrisen gut managte, scheint inzwischen verbraucht und nur noch Nachbeterin von Vorstellungen der derzeitigen amerikanischen Administration zu sein. Hinzu kommt die Zunahme der Kritiken aus den eigenen Reihen. So kritisiert der Großunternehmer und ehemalige BDI-Chef Heinrich Weiss (seine SMS-Group beschäftigt 14.000 Menschen) die ökonomische Kompetenz der CDU unter Angela Merkel. Weiss hat die CDU als Mitglied verlassen. Viele Beobachter der politischen Szene sehen bei der Bundeskanzlerin ein peinliches Anbiedern an Strömungen, die vermeintlich populär sind.

Das Auftreten der Bundeskanzlerin, so kritische Beobachter, gegenüber dem amerikanischen Präsidenten Obama sei eher unterwürfig. Auch sei die einseitige Festlegung auf die von Obama geforderten Verschärfung der Sanktionen gegenüber Russland einer persönliche Fehde des amerikanischen Präsidenten Obama gegenüber seinem russischen Amtskollegen Putin geschuldet. Der Hintergrund könnte einen Namen haben: Edward Snowden, der sich in Russland dem Zugriff der USA entzieht. Selbstverständlich müssen die Vereinigten Staaten Deutschlands wichtigster Partner bleiben. Dies heißt aber noch lange nicht, dass wir als Deutsche gegenüber Russland ein neues Feindbild aufbauen, nur weil Präsident Obama mit seinem russischen Kollegen nicht kann. Darin liegt die Tragik. Etwas mehr Dialogbereitschaft auf allen Seiten wäre wünschenswert. Sanktionen und hohe zu zahlende Preise, die Russland entrichten müsse, tragen dazu leider nicht bei.

Letzte Änderung am Mittwoch, 26 April 2017 11:24
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag