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Das schottische Volk hat sich zum Vereinigten Königreich bekannt:

Das schottische Volk hat sich zum Vereinigten Königreich bekannt: © Pixabay

Eine klare und deutliche Entscheidung der Vernunft

Es kann nach dem Schotten-Referendum aufgeatmet werden – nicht nur im Vereinigten Königreich. Auch in der EU und im nordatlantischen Bündnis NATO bleiben schwierige Entscheidungen zur Frage erspart, welche Rolle ein unabhängig gewordenes Schottland hätte spielen sollen.

Spanien jedenfalls hatte bereits vor der Abstimmung der Schotten angekündigt, dass es die Aufnahme eines unabhängigen Schottlands in die EU per Veto blockieren würde und dachte dabei an die Unabhängigkeitsbestrebungen der Katalanen. Aber die Zerreißprobe bleibt jetzt nach der Abstimmung der Schotten zugunsten des Verbleibs im Vereinigten Königreich allen erspart. Denn die Schotten haben mit dem Verstand (und weniger mit dem Herzen) für den Erhalt von United Kingdom abgestimmt. Entgegen den jüngsten Prognosen, die ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraussagten und zeitweise gar von einer Mehrheit für ein unabhängiges Schottland sprachen, war jetzt die Mehrheit, die für einen Verbleib Schottlands im Vereinigten Königreich stimmte, mit einer Differenz von 10,6% gegenüber den Befürwortern einer schottischen Unabhängigkeit doch sehr groß. 55,3% der abstimmenden Bürger, eine sehr deutliche absolute Mehrheit, erteilten einer Unabhängigkeit Schottlands eine Absage und lediglich 44,7% waren für eine Abspaltung. Noch größer war das Bekenntnis zum Vereinigten Königreich, wenn man die Ergebnisse in den Wahlbezirken sieht. Lediglich in drei von insgesamt 32 schottischen „Council Area“ konnten sich die Anhänger für ein unabhängiges Schottland durchsetzen: in Dundee, Glasgow und North Lanarkshire.

Selbst in Edinburgh, das ja Hauptstadt auch des unabhängigen Schottland geworden wäre und somit eine Aufwertung erfahren hätte, entfielen fast Zweidrittel der abgegebenen Stimmen auf „No“ – also Ablehnung der Absplittung. Auch im nordschottischen Aberdeen, Zentrum der schottischen Ölindustrie, war der Abstand riesengroß: 58,81% „No“ und lediglich 41,39% „Yes“. Dies spricht insofern Bände, als ja der Führer der Unabhängigkeitsbewegung, Alex Salmond, sehr geschickt, den Bürgern einredete, die „schottischen Öleinnahmen“ würden im fernen London zweckentfremdet. Diesen Unsinn haben ihm offensichtlich selbst die Bürger in Aberdeen nicht abgenommen, ganz abgesehen davon, dass das „schottische Öl“ nicht unendlich ist. Was dann? Außer Demagogie hatte Salmond keinen „Plan B“ etwa auch zur weiteren Frage, wie sich Schottland in einer veränderten politischen europäischen Landschaft langfristig behaupten könnte.

Schottland wäre gespalten gewesen

Eine wichtige Tatsache wurde im Vorfeld der Abstimmung in den deutschen Medien völlig ausgeklammert – die Frage des Auseinanderdriftens der gewachsenen soziologischen Bevölkerungsstruktur im Süden Schottlands. Hier hätte ein gefährlicher neuer Brandherd entstehen können: Im Süden Schottlands, nämlich in den an den englischen Landesteil des Vereinigten Königreichs angrenzenden schottischen Stimmbezirke Scottish Borders und Dumfries and Galloway, sind die Bürger – Schotten und Engländer – längst auch privat in den Familien vermischt. Und in der Tat stimmten Zweidrittel in den Scottish Borders – nämlich 66,56% für den Verbleib im Vereinigten Königreich; im Council Area Dumfries and Galloway 65,67%. Ein unabhängiges Schottland wäre noch vor Beginn der Unabhängigkeit gespalten gewesen – mit allen Schwierigkeiten.

Es ist jetzt müßig, darüber zu diskutieren, welche Chancen ein unabhängiges Schottland gehabt hätte. Immerhin wäre auf Jahre das Land damit beschäftigt gewesen, eigene Strukturen – zum Beispiel eine eigene Währung – aufzubauen. Salmond ging bei seinem Szenario immer davon aus, dass das britische Pfund weiterhin in einem selbstständigen Schottland die Währung sei. Dies war aber hypothetisch, denn es gab auch hier keinen Plan B. Schließlich die Ängste, wie die Renten bzw. Pensionen gesichert worden wären. All dies haben mehrheitlich die Schotten – bei aller Leidenschaft für ihr Land – auch so gesehen. Sie wollten und wollen ein kraftvolles Schottland – aber im Verbund des Vereinigten Königreichs. Die Schotten sind Schotten – aber auch wie die Engländer, Nordiren und Waliser vor allem übergreifend auch Briten! Die jetzige Abstimmung spricht für die Reife der Wähler(innen) in Schottland.

Es war auch nicht wahr, dass Schottland von London benachteiligt würde. Diesen Eindruck erweckten deutsche Medien und übernahmen dabei kritiklos das „Wahlkampfgerede“ von Alex Salmond, der jetzt nach der Referendum-Niederlage von seinen Ämtern als Regional-Regierungschef Schottlands und Parteivorsitzender der Scottish National Party (SNP) zurücktrat. Schließlich hat das gesamte Vereinigte Königreich mit erheblichen Mitteln – allein für die Royal Bank of Scotland ca. 57 Milliarden Euro – nach der weltweiten Finanzkrise den Finanzsektor Schottlands, ein wichtiger Beschäftigungsfaktor dort, gestützt. Mit Steuermitteln aus allen Landesteilen! Erhebliche Mittel der Zentralregierung in London flossen auch in den Ausbau der Infrastruktur Schottlands: Allein 228.000.000 Millionen GBP derzeit in das Zukunftsprojekt „City of Glasgow College“, eine der größten neuen Hochschullandschaften Europas. Schottland ist das Land der Großbrücken. Im Juli 2013 begannen die Arbeiten für eine neue riesige Brücke (2,7 km) über die Meeresenge „Firth of Forth“, Schottlands derzeitig größtes Infrastrukturprojekt. Dies sind nur stellvertretend wenige Beispiele, die auch das gesamte Großbritannien mitfinanzierte. Nur so ganz nebenbei kritisierten umgekehrt viele Bürger im englischen Landesteil Großbritanniens, dass Schottland überproportional zu stark gefördert würde.

Kein Allerweltsland

Das Vereinigte Königreich ist immer noch ein großartiges Land mit einem überdurchschnittlichen Einfluss in der Welt, etwa als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Nur fünf Länder – United Kingdom gehört dazu – haben ein permanentes Vetorecht. Schottland ist ein wichtiger Bestandteil von Großbritannien und partizipiert somit vom hohen Gewicht des Vereinigten Königreichs. Nach wie vor ist Großbritannien als eine der fünf offiziellen Atommächte (USA, Russland, United Kingdom, Frankreich und China) ein weltpolitisches Schwergewicht. Auch deshalb war es den Schotten jetzt mehrheitlich nicht egal, ob sie Bestandteil eines Allerweltslandes oder weiterhin einer einflussreichen Weltmacht sein würden. Rule Britannia, diese inoffizielle Hymne singen sie auch gerne in Schottland.

Für 10 Downing Street und das britische Unterhaus besteht freilich jetzt nach der Abstimmung kein Grund zum Übermut. Föderative Strukturen müssen für alle Landesteile Großbritanniens eingeführt werden. Ein Vorbild dafür könnten die Befugnisse der deutschen Bundesländer sein. Natürlich, die Außen- und Sicherheitspolitik, auch strategische Entscheidungen, sollen und müssen bei der Zentrale in London angesiedelt sein – aber die Landesteile brauchen Selbstständigkeiten in vielen Bereichen des Alltages. Das Steueraufkommen muss neu zugunsten der Landesteile justiert werden. Auch innenpolitische Fragen der Gesundheits-, Schul- oder Verkehrspolitik sollten mehr in die vier Landesteile des Vereinigten Königreiches verlagert werden. Insofern war die Abstimmung in Schottland ein gutes Signal für die notwendige neue Ausrichtung Großbritanniens.

Letzte Änderung am Mittwoch, 26 April 2017 13:22
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag