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Schwellenländer erhöhen überdurchschnittlich stark ihren Energiebedarf

Schwellenländer erhöhen überdurchschnittlich stark ihren Energiebedarf BP

Globaler Energiebedarf steigt bis 2030 um 39%

Trotz aller Bemühungen, in den etablierten Wirtschaftsnationen wie USA, Japan, Deutschland, United Kingdom u.a. über Effizienzverbesserungen und Energieeinsparprogramme den Energieverbrauch zu senken, wird die Energienachfrage bis 2030 drastisch steigen. Wie in der jüngsten am 10. Februar 2012 vorgestellten Fach-Analyse „Energy Outlook 2030“ (Herausgegeben von BP Plc, London) prognostiziert, wird sich der weltweite Energieverbrauch bis 2030 um 39% erhöhen. Verantwortlich für diese Entwicklung ist vor allem der Nachholbedarf, die wirtschaftliche Entwicklung und der hohe Bevölkerungsanstieg in den Schwellenländern und hier insbesondere in den aufholenden Volkswirtschaften wie China und Indien. In den OECD-Ländern, also den Staaten mit einem hohen Pro-Kopf-Einkommen, wird hingegen der Verbrauch um lediglich 4% zulegen.

Obwohl weltweit die erneuerbaren Energien weiter enorm an Bedeutung gewinnen, werden beim Energiebedarf die fossilen Brennstoffe, also Erdöl, Stein- und Braunkohle sowie Erdgas, ihre erdrückend dominierende Position behalten. BP kommt zur Voraussage, dass 81% der weltweiten Energienachfrage im Jahre 2030 über fossile Brennstoffe gedeckt wird. Heute beträgt der Anteil der fossilen Brennstoffe sogar 87%. Die BP-Fachleute gehen davon aus, dass die insbesondere in Deutschland umstrittene Kohle in der laufenden Dekade sogar noch Marktanteile hinzugewinnt, bis sich die Wachstumsphase in den Schwellenländern zwischen 2020 und 2030 abschwächt. Erdöl hingegen, derzeit immer noch der am häufigsten eingesetzte und genutzte Energieträger, wird über den gesamten Untersuchungszeitraum Marktanteile verlieren, auch wenn der Bedarf an flüssigen Kohlenwasserstoffen im Jahr 2030 entsprechend der BP-Analyse bei 103 Millionen Barrel pro Tag liegen wird. Somit müssen weltweit immer noch große Mengen an flüssigen Energieträgern wie Öl und Biokraftstoffe gefördert werden. Auch die Wachstumsrate beim Gas wird stabil bleiben.

Enorme Zunahme des weltweiten Stromverbrauchs

Ganz wesentlich getrieben wird der Anstieg des weltweiten Energiebedarfs durch die Stromerzeugung, die bis 2030 der am schnellsten wachsende Energieverbraucher sein wird. Nach Erkenntnissen der UN haben heute noch 1,6 Milliarden Menschen keinen Zugang zur elektrischen Energie. Diese Lücke soll lt. UN ebenfalls bis 2030 geschlossen werden. Durch diese ambitionierten Anstrengungen – aber auch wieder durch das Zunehmen stromintensiver Industrien in den Schwellenländern – ist die enorme Steigerungsrate bei der elektrischen Energie zu begründen.

Der Bereich Transport und Verkehr (Automobile, Luftfahrt, Schiffe und Eisenbahn) wird beim globalen Energieverbrauch mit großer Wahrscheinlichkeit am geringsten am Anstieg beteiligt sein. Zwei Gründe sind dafür zu nennen. Erstens wurde und wird die Effizienz beim Kraftstoffverbrauch durch modernste Motorentechnologie gesenkt und vor allem trägt, zweitens, der steigende Anteil an Hybrid-Fahrzeugen (auch durch die weitere Entwicklung von Wasserstoffantrieben) dazu bei, den Bereich Transport bezüglich Energieverbrauch stärker unter Kontrolle zu bringen. Freilich wird der Verkehr- und Transportsektor 2030 immer noch mit  einem enormen Anteil von 87% auf Öl basieren. Dass diese Prozentzahl nicht geringer wird, hängt auch mit der nach wie vor vorhandenen Erhöhung der Motorisierung in den Schwellenländern ab. Derzeit beträgt der Anteil Öl beim gesamten Transportbereich vom Flugzeug über Schiffe bis zum Auto (PKW und Lastkraftwagen) und Moped beachtliche 95%. Immerhin ist die Minderung um 8% angesichts des erwähnten Anstieges der weltweiten Motorisierung ein Erfolg.

International wird der weltweite Energieverbrauch in den Schwellenländern vor allem von der Entwicklung in China und Indien geprägt. Allerdings wird in China laut BP Energy Outlook 2030 beim Wachstum des Energieverbrauchs nach 2020 eine gewisse Stabilisierung eintreten – einhergehend mit der dann eintretenden Verlangsamung der Konjunktur im Reich der Mitte. BP geht davon aus, dass Indien, obwohl deren Bevölkerungsanzahl die von China übertreffen wird, den energieintensiven Weg von China nicht kopieren wird. Indien, so die Analystiker, wird bis 2030 seinen Energieverbrauch im wesentlichen durch den Träger Kohle mehr als verdoppeln.

Der jetzt vorgestellte Bericht von BP wendet sich vor allem an die Entscheidungsträger in der Politik und den Verantwortlichen in der Energiebranche. Er gilt weltweit in Fachkreisen als kompetenter Gradmesser für die globale Entwicklung der Energieszenarien. BP-Konzernchef Bob Dudley machte die jetzt erfolgte Vorstellung der Analysen in London zur Chefsache. „Für alle Beteiligten in der Energiebranche stellt der BP-Energy Outlook 2030 nicht nur eine Herausforderung dar, sondern er hilft uns, den Themenkomplex realistisch wie auch optimistisch einzuschätzen. Der Bericht beschreibt nicht nur Ereignisse auf die wir keinen Einfluss haben, sondern auch Dinge, die wir ändern können“, sagte der oberste BP-Lenker.

Erneut dürfte in Deutschland die jetzt von den Analysten, Energiefachleuten und Wissenschaftlern vorgestellte Zukunftsbeschreibung der Entwicklung des Energieverbrauchs für Ernüchterung sorgen. Denn unabhängig aller begrüßenswerten Bemühungen hierzulande, den Energieverbrauch zu senken, steigt dieser weltweit unaufhaltsam. Ein Vorstandschef eines deutschen Versorgers beschrieb diese Entwicklung gegenüber dem Autor dieses Beitrages einmal so: „Was Sie vorne, also hier in Deutschland, einsparen, geht hinten, also in den Schwellenländern, durch den enormen Anstieg der Bevölkerung wieder verloren.“ In der Tat, alle Menschen auf der Erde wollen Elektrizität und mehr Wohlstand und dies ist auch verständlich. Vor diesem Hintergrund werden gelegentliche populistische deutsche Meinungen zum Thema Energieverbrauch und Klima relativiert. Die Welt ist, wie sie ist und wie sich entwickelt. An deutschen Empfindlichkeiten und Befindlichkeiten wird sich da nur wenig ändern.

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Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag