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The Elder Statesman Helmut Schmidt liest Politik die Leviten:

The Elder Statesman Helmut Schmidt liest Politik die Leviten: Pixelio

Griechenland-Hysterien und Angst- szenarien

Endlich, endlich, möchte man sagen! Endlich lesen große „Elder Statesman“, wie Helmut Schmidt oder Valéry Giscard d´Estaing, mit ihrer Autorität und ihrem Sachverstand der aktiven Politik und den Dampfplauderern in den Palaversendungen des Fernsehens einschließlich der Zeitungs-Kassandrarufer und Herbeizeterer der Apokalypse, deren Geschäft die bangemachende und auflagenbringende Schlagzeile ist, die Leviten. Da reden und schreiben sie schon wochen- bzw. monatelang vom Untergang des Euros und schüren die Ängste bei den deutschen Sparern. Scheinheilig schwätzen oder schreiben sie über eine eventuelle und bevorstehende Inflation und wollen in Wirklichkeit nur eine höhere Zuschauerquote oder eben die höhere Auflage der Boulevardpresse. Helmut Schmidt bezeichnet Inflationsängste der Deutschen als „dummes Zeug“, gespeist durch plakative Überschriften in den Medien. Eine „existenzielle Krise“ des Euros sieht jedenfalls der Altkanzler Helmut Schmidt nicht. Die Verschuldung Griechenlands kann jedenfalls, Vernunft vorausgesetzt, den Euro nicht gefährden. Dies ist vor dem Hintergrund des griechischen Volumens geradezu lächerlich.

Man muss sich dies einmal vorstellen: Ein Land mit gerade einmal 11,3 Millionen Einwohnern und einem Bruttoinlandsprodukt, das dem Volumen der Metropolregionen Berlin-Brandenburg und Freie und Hansestadt Hamburg entspricht, soll den Untergang des Euros und somit der Kernländer der Eurozone bewirken. Helmut Schmidt hat es jetzt bei der Verabschiedung des EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet deutlich gesagt. Er könne, so der Altkanzler in Frankfurt, das Geschwätz von der angeblichen Eurokrise nicht mehr hören. Der Altkanzler reklamiert endlich ein klares Handeln durch die Politik. Und in der Tat streiten sich die aktiven Politiker doch nur um die banale Frage, wer den Griechen, die zweifelsohne den Schlendrian ihrer Haushalts- und Finanzpolitik lösen müssen, hilft. Es ist jetzt unsinnig, darüber zu lamentieren, wer wohl die Verantwortung dafür habe, dass man die Griechen seinerzeit in die Eurozone aufnahm. Dies ist Schnee von gestern. Natürlich war es ein Fehler des politischen Wahns, Länder in die EU aufzunehmen, deren Wettbewerbsfähigkeit und finanzielle Leistungsfähigkeit auch aktuell nicht genügen, um in einem Kraftakt auf das westeuropäische Niveau ohne Schulden zu kommen. Dazu kam die lockere Mentalität der Griechen. Aber dies ist jetzt, so ärgerlich das alles ist, absolut uninteressant. Wir werden doch, nämlich die leistungsstarken EU-Länder wie Deutschland, ein kleines Land wie Griechenland im Interesse der größeren Idee Europa über Wasser halten können. Was soll denn dieses permanente Krisengeschwätz und Geschreibe zum Thema Krise? Unser Land hat eine abgewirtschaftete DDR geschultert und den Niedergang deren maroder Kombinate verkraftet; Deutschland hat den Zusammenbruch der kommunistischen Comecon-Staaten und deren vermeintlichen guten Staatsfirmen überstanden, die zumindest temporär dann als Kunden für unsere Exportwirtschaft ausfielen.

Dies waren tatsächliche Herausforderungen für die deutsche Volkswirtschaft – aber bitte doch nicht Griechenland. Was sind wirkliche Krisen? Altkanzler Schmidt erinnerte jetzt an die Situation des geschlagenen Deutschlands 1945. Millionen Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen Räumen Ostpreußen, Pommern, Schlesien und aus dem Sudetenland mussten in die damaligen Westzonen integriert werden; die Städte waren zerbombt, keine funktionsfähige Infrastruktur war mehr vorhanden. Zunächst haben die Briten und die Franzosen die noch wenigen funktionierenden Fabriken und Anlagen in Deutschland demontiert. Da gab es noch keinen Marshallplan. Der wurde nämlich erst 1948 durch die Vereinigten Staaten für Westeuropa angestoßen. Es ist halt schlimm, wenn heute etwa ein junger Journalist nicht mehr das Bild einer zerbombten Industriestadt, wie etwa Mannheim oder Essen, vor Augen haben kann und dann von Krisen, von einer Euro-Krise, schreibt. Deutschland musste noch bis 2010 Kredite aus dem Londoner Umschuldungsverfahren tilgen. Daran erinnerte Helmut Schmidt auch jetzt wieder bei Günther Jauch in der ARD.

Wir haben, nochmals, keine Euro-Krise, wir haben eine zerstrittene Politik. Jean-Claude Juncker, Luxemburgs Premier, rüffelte zurecht eine „überkritische“ deutsche Presse, die durch ständige Hiobsbotschaften destabilisierend wirke. Dazu kommen Ratingagenturen, die durch ihr unverantwortliches Handeln über die Kreditfähigkeit einzelner Länder zur Unsicherheit innerhalb der Banken beitragen. Die Folge davon ist oft, dass sich die Banken untereinander nicht mehr im Interbankengeschäft über den Weg trauen. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) ist jetzt zurecht aufgrund der starken Position der deutschen Realwirtschaft über die Leistungen der Politik und den „Wackelkurs“ (VDMA-Präsident Dr. Thomas Lindner) der Finanzinstitute von Großbanken und Ratingagenturen bei der Einschätzung der Lage verärgert. Der Verbandspräsident fürchtet, dass die Großbanken der völlig unbetroffenen florierenden deutschen Realwirtschaft (wie dem Maschinen- und Anlagenbau) durch Bankhysterien und Angstszenarien in Medien und Ratingagenturen Kredite erschwert oder zumindest verteuert.

Wenn die Politik und die Finanzwirtschaft zu einer realistischen Einschätzung kommen, dann müssen die Bürger und Sparer etwa in Deutschland keine Angst haben. Deutschland ist ein starkes Land, laut Innovationsindikator 2011 gehört die Bundesrepublik zu den stärksten Ländern überhaupt. Die Auftragsbücher sind voll. Die Ausfuhren sind sogar im August um 3,5% auf 73,5 Milliarden Euro gestiegen. Die deutschen Autobauer berichten erneut über Rekordabsatz- und Umsatzzahlen. Der erwähnte VDMA rechnet zum Jahresende 2011 allein in seiner Branche mit einem Zuwachs der Beschäftigten um weitere 30.000 auf 943.000 Beschäftigte. Selbst die pessimistischen Wirtschaftsforscher haben bei der Vorlage ihres Herbstgutachtens davon gesprochen, dass eine Rezession wie nach der Finanzkrise 2009 ziemlich unwahrscheinlich sei. Auch die deutsche chemische Industrie hält an ihren optimistischen Einschätzungen fest – sichtbar an den Investitionen. So wird der Chemieriese BASF in seinem Stammwerk Ludwigshafen in der Metropolregion Rhein-Neckar Mannheim allein in den nächsten vier Jahren zehn Milliarden Euro investieren. Krise definiert sich anders.

 

Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag