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Hessen nach der Wahl: Alles hat seine Zeit

Die für die CDU katastrophalen Wahlergebnisse zum Hessischen Landtag (Bild), haben die Rücktrittsankündigung von Angela Merkel als CDU-Vorsitzende entschieden beeinflusst. Die für die CDU katastrophalen Wahlergebnisse zum Hessischen Landtag (Bild), haben die Rücktrittsankündigung von Angela Merkel als CDU-Vorsitzende entschieden beeinflusst. © Hessischer Landtag/H. Heibel

Der Kessel hat längst Überdruck

Das hat das wirtschaftlich so starke Hessen nicht verdient! Bereits einen Tag nach der Hessischen Landtagswahl, mit einem nach Bayern erneuten Desaster für die klassischen Volksparteien, dominieren in den Medien ganz andere Schlagzeilen, nämlich die Ankündigung der Angela Merkel, nach 18 Jahren den Parteivorsitz der CDU abzugeben. Das hessische Wahlergebnis mit dramatischen Einbrüchen für CDU und SPD verkümmert fast zur Nebensache. Die SPD wurde sogar im jahrzehntelang „roten Hessen“ von den Grünen – geringfügig zwar – überholt und erreichte lediglich noch eine Zustimmung von 19,8%. Man muss sich dies einmal vorstellen: Die SPD regierte Hessen – zum Teil mit absoluten Mehrheiten – von 1945 bis 1987 und dann wieder von 1991 bis 1999. Allein der legendäre verdienstvolle Sozialdemokrat Georg-August Zinn stand an der Spitze von 5 hessischen Landesregierungen. Hessen, das war jahrzehntelang das rote Gegenmodell zu den schwarzen Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern. Genauso dramatisch wie der schleichende Niedergang der verdienstvollen Sozialdemokratie war jetzt in Hessen natürlich das Abschneiden der CDU. Sie verlor gegenüber der Wahl 2013 sogar 11,3% Landesstimmenanteile und kam lediglich noch auf 27%. Dank dem guten Abschneiden der Grünen, die um 8,7% auf 19,8% zulegten, könnte es noch – gemessen an den Mandaten – zu einer hauchdünnen Regierungsmehrheit (69 Mandate im neuen Landtag) für schwarz/grün reichen. Dennoch muss Volker Bouffier (CDU) sogar zittern, denn die gleiche Anzahl von Mandaten können auch die Grünen zusammen mit der SPD und der FDP auf sich vereinigen. Die Verlockung für die Grünen, nach Baden-Württemberg in einem weiteren bedeutenden Land den Ministerpräsidenten zu stellen, ist da und dies stärkt nicht unbedingt die Verhandlungsposition der hessischen CDU, wenngleich das Verhältnis Bouffier zu dem Grünen Tarek Al-Wazir (bisheriger Partner von Bouffier in der Landesregierung) als ausgesprochen gut gilt. Dass ein derartiges Wahlergebnis auf die ohnehin angeschlagene Groko in Berlin dramatische Auswirkungen haben würde, war auch klar. Das politische Beben deutete sich schon nach der Wahl zum Bayerischen Landtag – 14 Tage vorher – an. Aber mit Rücksicht auf die Hessenwahl blieben die Messer noch verborgen.

Die Grünen haben derzeit, wie die Ergebnisse in Hessen zeigen, Oberwasser. Doch dies ist eine temporäre Entwicklung, die sich nicht zuletzt aus dem Zulauf unzufriedener SPD-Wähler speist. Sobald die Wähler merken, dass die Grünen kein Angebot für eine realistische Politik haben, werden sie zu den traditionellen Parteien zurückkehren. Die Grünen leben in erster Linie vom Angstschüren. Dies war bei der Atomenergie so und setzt sich aktuell mit hysterischen Klimadiskusionen fort. FDP-Chef Christian Lindner hat schon recht, wenn er den Grünen vorwirft, den Bürgern einzureden, dass mit einem deutschen „Klimanationalismus“ mit nationalen Maßnahmen – etwa die weitere Verschärfung von Emissionsgrenzwerten, die letztendlich Arbeitsplätze kosten wird – die Welt gerettet werden könnte. Scheinheilig fordern heute die Grünen den Kohleausstieg, verschweigen aber, dass z.B. die Rodung Hambacher Forst auf einer Entscheidung der rot-grünen NRW-Regierung unter den Damen Kraft/Löhrmann aus dem Jahr 2016 beruht. Die Umweltministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin hieß 2016 in NRW Sylvia Löhrmann von den Grünen. Auch im hessischen Wahlkampf war den Grünen das Thema peinlich, dass im nordhessischen Reinhardswald (bekannt als Märchenwald der Gebrüder Grimm und immerhin seit 2017 Naturpark) Rodungen für Windräder vorgenommen werden sollen. Alles in allem wird abzuwarten sein, ob der derzeitige Erfolg der Grünen nicht doch eine Eintagsfliege darstellt und der Unzufriedenheit der Bürger mit der GroKo geschuldet ist. Und die Unzufriedenheit hat insbesondere einen Namen: Angela Merkel!

Merkels Rücktritt als Parteivorsitzende der CDU ist überfällig

Jetzt übertüncht der angekündigte Rücktritt von Angela Merkel als Parteivorsitzende alles. Eigentlich hätte die evangelische Pfarrerstochter Angela Merkel die Entscheidung, den Parteivorsitz der CDU abzugeben, schon längst treffen müssen, denn gerade sie sollte ja von ihrem Vater her bibelfest sein und Kapitel 3 des Prediger Salomo (Alles hat seine Zeit und alles hat seine Stunde) verinnerlicht haben. Merkels Zeit ist längst abgelaufen. Der Kessel hat Überdruck und dies hat keineswegs „nur“ mit den Streitereien zwischen CDU und CSU zu tun. Auch Noch-CSU-Vorsitzender Horst Seehofer wird als Sündenbock nur vorgeschoben. Man denke nur an die Eigenmächtigkeiten der Kanzlerin im Juni-Deal mit Frankreichs Präsidenten Macron. Es ging um deutsche Zusagen für eine erhebliche Ausweitung für das Eurozonen-Budget für den EU-Haushalt Dies erzürnte übrigens einige EU-Mitgliedsländer. Bereits am 26. Juni 2018 listeten wir unter der Überschrift „Die Götterdämmerung oder der Untergang der Angela Merkel“ die immer schlimmer werdenden Versäumnisse und Fehler der Parteivorsitzenden und Kanzlerin Merkel auf. Ja, es war nicht nur Zeit, es war allerhöchste Zeit für den Rücktritt, denn die Kanzlerin wurde längst, wie auch die Forschungsgruppe Wahlen nach Umfragen bestätigte, zur „Persona non grata“ und zum Auslaufmodell. Längst hatten die Bürger erkannt, dass es der Kanzlerin und ihren Hofschranzen nur noch um den puren Machterhalt ging. Sagen wir es doch offen: Man konnte sie nicht mehr sehen, man konnte ihr „Geschwätz“ nicht mehr hören. Die Bürger wollen frische unverbrauchte Köpfe. Zweifelsohne ist Angela Merkel auch für den drohenden Zerfall der CDU verantwortlich. Ihre stramm nach links ausgerichtete Parteistrategie und das peinliche Anbiedern an die Grünen, machten die früheren Stammwähler der CDU politisch heimatlos. Wir haben deshalb schon am 19. September 2016 unter der Überschrift „Vom Zerfall einer ehemals großen Volkspartei“ an die Parallele der jahrzehntelang führenden italienischen Schwesterpartei „Democracia Cristiana“ erinnert. Längst ist die DC – leider – Geschichte!

Rückzug in Raten wäre kontraproduktiv

Der jetzt angekündigte Rückzug von Merkel als Parteivorsitzende reicht nicht. Dass sie als Kanzlerin – zusehend auch in Partnerländern – immer unbeliebter wird, ist ja offenbar. An eine Kanzlerin für die volle Legislaturperiode – so die Groko diese überhaupt noch bis zur Halbzeit übersteht – glaubt sie ja wohl selbst nicht. Dies wäre auch eine Zumutung für den künftigen neuen Parteichef der CDU. Die CDU braucht für ihre neue Ausrichtung – hin zu einem stärkeren konservativen Profil – Köpfe, die auch dafür inhaltlich stehen. Dies kann keine Annegret Kramp-Karrenbauer sein. Sie ist eine Personalie von Merkel. Dies würde bedeuten, dass sich nicht viel in der CDU ändern würde. Und sie wäre dann auch wohl die potentielle Bundeskanzlerkandidatin. Sie stünde mit Arrondierungen für ein „weiter so“. Auch zweifeln wir an ihrer Kompetenz. Was war sie, was bringt sie an Erfahrungen mit? Sie war Ministerpräsidentin vom Saarland. Es ist schon ein Unterschied, an der Spitze des kleinsten deutschen Flächenlandes zu stehen oder die größte Volkswirtschaft der EU zu führen. Damit soll nichts gegen das Saarland gesagt sein. Aber die Gewichte – und dies weiß man am besten im Saarland selbst – sind doch zu unterschiedlich. Armin Laschet, Ministerpräsident von NRW, wäre das Gegenmodell. NRW ist immer noch (Strukturkrise hin, Strukturkrise her) das Land mit dem, und zwar mit deutlichem Abstand vor Bayern, größten Bruttoinlandsprodukt der deutschen Bundesländer und repräsentiert ein Land mit der größten Einwohneranzahl Deutschlands. Insofern hätte Laschet nicht nur eine wichtige Hausmacht. Auf der anderen Seite ist er selbst noch nicht lange im Amt als Ministerpräsident von NRW. Es wird noch abzuwarten sein, wie er große Herausforderungen im Energieland NRW, Beispiel Kohle- und Energiepolitik, lösen kann. Auch gilt Laschet gelegentlich als Plaudertasche.

Nun hat Friedrich Merz seinen Hut in den Ring geworfen. Ihm trauen die Bürger am ehesten zu, die CDU wieder aus dem Tief zu führen; er war 1994 bis 2009 Mitglied der Bundestagsfraktion der CDU/CSU und u.a. ein brillanter Fraktionschef der Union. Leider wurde er von Angela Merkel, wie nicht wenige Konkurrenten, weggemobbt. Merz könnte als CDU-Bundesvorsitzender wieder früheren CDU-Wählern, die in den letzten Jahren unter Merkel abwanderten, eine politische Heimat bieten. Der Jurist versteht viel von Wirtschaft und Finanzen und ist sowohl ein überzeugter Europäer als auch Atlantiker (Atlantik-Brücke). Die nervende Besserwisserei der Angela Merkel, die zunehmend in vielen EU-Ländern als störend empfunden wurde, ist ihm wesensfremd. Allerdings sollte – so er als neuer Parteichef gewählt wird – eine weitere Kanzlerschaft von Merkel bis zum Ende der Legislaturperiode nicht akzeptieren. Dies würde nur zu weiteren Reibereien führen. Schließlich würde die Personalie Merz das Verhältnis zur FDP, das unter Merkel doch empfindlich litt, wieder normalisieren. Die CDU braucht eine klare Abgrenzung sowohl zur Sozialdemokratie als auch gegenüber den Grünen. Längerfristig wäre eine Entkrampfung gegenüber der AfD durchaus überlegenswert. Man kann auf die Dauer sechs bis acht Millionen Wähler der AfD politisch nicht ausgrenzen und in eine rechtsextreme Ecke stellen. Mit ähnlichen Modellen wollte man in der Gründungszeit der Grünen diese Partei – später übrigens auch die Linke – outen. Es hat nichts genützt.

Schrecken mit Ende oder Schrecken ohne Ende

Angela Merkel ist gut beraten, nach ihrer jetzigen Entscheidung auch die Kanzlerschaft abzugeben. Macht sie dies nicht, wird sie insbesondere im Ausland als „lame duck“ wahrgenommen. Merkel ist, ob das die Grünen und die Sozialdemokratie einsehen oder nicht, an ihrer Flüchtlingspolitik gescheitert. Dies sieht sogar die linksliberale britische Qualitätszeitung Guardian so. Mit jedem Tag des Festhaltens an der Kanzlerschaft schädigt sie ihre Partei. Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende.

Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag