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Ein neuer Aufbruch, eine neue Dynamik – mit wem bitte?

Wenn eine neue GroKo kommt, befindet sich Deutschland in stürmischer See. Wenn eine neue GroKo kommt, befindet sich Deutschland in stürmischer See. © Pixabay

Geschwafel im Koalitionsvertrag

Zunächst: Wie man auf über 170 Seiten im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU mit der SPD so viel Banales – Motto für jeden etwas Beruhigendes – schreiben kann, ist schon wieder eine Kunst … Der Vertrag vom 7. Februar 2018 ist in vielen Passagen ein reines Geschwafel bzw. Geschreibsel. Dieses beginnt schon im ersten Satz in der Präambel: „Wir erleben neue politische Zeiten“ – ja was denn sonst, die Zeiten von gestern sind Vergangenheit. Oder: „Wir wollen, dass der Wohlstand bei allen Menschen ankommt“ – dieses Ziel, das sich gut anhört, sollte selbstverständlich sein, wenngleich es nur ein frommer Wunsch ist.

Und eine weitere Worthülse im Vertrag: „Wir wollen ein Europa des Friedens“ – um Himmels Willen, wer will das nicht? Oder „Die Erneuerung der EU wird nur gelingen, wenn Deutschland und Frankreich mit ganzer Kraft dafür arbeiten“ – auch dies liest sich für die Galerie schön, und in der Praxis vergrault auch Deutschland die Polen oder die Ungarn und strickt auf EU-Ebene ganz schön mit, diese Länder irgendwie und irgendwann mit „EU-Strafen“ aus der EU zu treiben. Das Vereinigte Königreich lässt grüßen! Europa des Friedens – wie sieht aber die deutsche Politik mit Russland aus? Gehört Russland nicht zu Europa? Hilflos agiert die Kanzlerin insbesondere seit März 2014 gegenüber Russland mit Sanktionen, die im Übrigen der deutschen Wirtschaft bisher nur Schaden zufügten. Als ob die Kanzlerin die Macht hätte, um Russland in die Knie zu zwingen. Über die Sanktionen haben sich allenfalls Unternehmen aus den Hightech-Ländern Japan und Südkorea sowie aus China, Konkurrenten der deutschen Wirtschaft, gefreut: ein „geschenkter“ Zugang in den russischen Markt. Russland braucht keine deutschen Werkzeugmaschinen, die liefert Japan und Südkorea. Wie naiv nur kann die Bundeskanzlerin sein, wenn sie glaubt, die längst wieder auf Augenhöhe mit den USA stehende Militärmacht Russland mit Sanktionen auf Kurs bringen zu wollen? Soviel zum Thema „Wir wollen ein Europa des Friedens“ im Koalitionsvertrag. Stattdessen viele Ergebenheitsadressen in Richtung Emmanuel Macron (siehe weiter unten).

Dynamik mit verbrauchten Personen?

Ein neuer Aufbruch, eine neue Dynamik für Deutschland, ein neuer Zusammenhalt für unser Land. Dies ist die Überschrift des Koalitionsvertrages und das klingt sogar gut. Doch wer soll diese Dynamik realisieren? Eine Koalition der Verlierer kann damit wohl nicht gemeint sein. Wie soll diese Koalition für einen „neuen Zusammenhalt“ in unserem Land sorgen, wenn in den neuen Bundesländern in den letzten Jahren längst ein „innerer Riss“ und eine neue Mauer entstand, wie soll diese Koalition mit einer zerstrittenen SPD funktionieren? CDU und SPD verlieren dramatisch an Zustimmung in Ostdeutschland; die SPD wurde bei der Bundestagswahl 2017 im Osten Deutschlands traurige zweitkleinste Partei – gemessen an der 5-Prozent-Hürde.

Man fragt sich, wie ausgerechnet so verbrauchte, abgehalfterte Politiker wie Merkel und Seehofer bei den Unionsparteien (und Schulz bei der Sozialdemokratie) in einer neuen GroKo für frische Impulse sorgen sollen. In völliger Verkennung und Verblendung der Lage (Beweis der Unfähigkeit zur Analyse), sieht sich die Kanzlerin immer noch als „Siegerin“ der Bundestagswahl 2017, obwohl sie als Parteivorsitzende mit der CDU lediglich 26,8% der Stimmen einfuhr. Jetzt, nachdem sie in den Jamaika-Gesprächen mit ihrem plumpen Anbiedern an die Grünen versagte und somit die FDP zum Ausstieg trieb, schluckte sie so ziemlich jede Kröte der SPD in den Koalitionsverhandlungen und verriet somit den früheren CDU-Markenkern. Dies alles nur, um wieder Kanzlerin werden zu können. Sie ist ja heute schon eine Getriebene, die bei jedem Aufmucken der SPD um die GroKo – so sie überhaupt zustande kommt – bangen muss. Selbst außenpolitisch, was ja ihre Stärke sein soll, hat sie eigentlich nur noch Macron und Juncker, die beide in Deutschland den Zahlmeister sehen, auf ihrer Seite. Alles andere sind lediglich nur noch diplomatische Pflichtübungen, wie jüngst der Besuch des österreichischen Bundeskanzlers Kurz.

Wie eine solide Finanzpolitik?

Wichtige aktuelle Fragen, die der Bevölkerung unter den Nägeln brennen, wurden jetzt im Koalitionsvertrag ausgeklammert: Wie will die künftige Bundesregierung die Migrationsprobleme lösen, wenn sich die überwiegende Mehrheit der Zuwanderer überhaupt nicht integrieren lässt, weil sie darin eine Bevormundung sieht. Schon heute gibt es in den deutschen Großstädten, wie in Frankreich, Parallelgesellschaften. Welche Maßnahmen plant die künftige Bundesregierung, um ein erneutes und weiteres Auseinanderdriften Deutschlands in Ost und West zu verhindern? Was gedenkt die Bundesregierung für die innere Sicherheit, die in Deutschland bis vor wenigen Jahren noch vorbildlich war, zu tun? Dies sind Fragen, die die Wählerinnen und Wähler interessieren.

Wie will die GroKo eine solide Finanz- und Steuerpolitik gestalten, wenn sie in vorauseilendem Gehorsam im Vertragswerk geradezu demütig gegenüber dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und den EU-Eurokraten wirkt und ankündigt, mehr Geld zu überweisen? „ Wir sind zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit“, heißt es im Vertragstext in den Zeilen 233 und 234. Ist die Kanzlerin wieder geneigt, wie schon beim Atomausstieg und in der Flüchtlingspolitik, Alleingänge bei den Geldtransfers in die EU vorzunehmen? Bereits bisher ist Deutschland der größte Nettozahler (auf gut deutsch der Zahlmeister) der EU. Und ohnehin kommen auf Deutschland durch den Austritt der Briten weitere erhebliche Kosten zu, denn die Zahlungen des zweitgrößten EU-Nettozahlers Vereinigtes Königreich müssen ja kompensiert werden. Und schließlich laufen die enormen Migrationskosten aus dem Ruder.

Sage und schreibe 312 mal, so frohlockte bereits EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker voller Lob, kommt im Koalitionsvertrag das Wort Europa vor. Die weltweit angesehene und wohl beste deutschsprachige Zeitung, die „Neue Zürcher“, stellte schon die Frage, welche Interessen eigentlich, lese man den Koalitionsvertrag, die künftige deutsche Außenpolitik verfolge. Im Koalitionsvertrag heißt es tatsächlich in der Zeile 234: „Wir sind zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit“ und in Zeile 238: „Wir wollen in diesem Sinne und insbesondere auch in enger Partnerschaft mit Frankreich die Eurozone nachhaltig stärken und reformieren.“ Hört man da nicht den ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz heraus? Auf jeden Fall laufen mehr Geldtransfers auf eine von Macron gewünschte Transferunion – und in der Endphase dann auf die Installierung eines EU-Finanzministers - hinaus. Die bisher solide Finanzpolitik eines Wolfgang Schäuble, geradezu ein Bollwerk gegen so mach einen europäischen Schlendrian (Griechenland ist ja leider nur ein Beispiel) ist dann Vergangenheit.

Europa ja – aber nicht einseitig zu Lasten Deutschlands

Allein die Tatsache, dass die CDU das insbesondere in den letzten Jahren an Gewicht gewonnene Finanzministerium an die SPD abgab, spricht daher – auch im Interesse der deutschen Wirtschaft – Bände. Die Unternehmen als Motor der wirtschaftlichen Kraft Deutschlands brauchen planbare fiskalische Rahmenbedingungen mit einer soliden Finanzpolitik. Umverteilungen – auch in der EU – und Finanztransfers gehören dazu nicht. Natürlich ist Europa – insbesondere die gute alte nachtrauernswerte EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) – eine schöne Sache. Handel bzw. deutsche Exporte florierten übrigens hervorragend schon zu Zeiten der EWG – dafür brauchte man keine EU. Den Frieden indessen hatten die Europäer und insbesondere die Deutschen nach 1945 in erster Linie dem Schutzschild der Amerikaner zu verdanken. „Deutschland hat Europa unendlich viel zu verdanken. Auch deshalb sind wir seinem Erfolg verpflichtet“, heißt es schwülstig im Koalitionsvertrag. Es fehlt dann allerdings lediglich der Satz, dass Europa auch viel dem deutschen Zahlmeister zu verdanken hat.

Die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat im Koalitionsvertrag im Gegensatz zu den Beteuerungen alles Mögliche und Unmögliche einer konservativen Politik aufgegeben. Sie ist daher – ganz offen gesagt – nicht mehr tragbar. Früher oder später wird das alles in der Katastrophe für die Unionsparteien enden. Deshalb sind mutige Frauen und Männer in den Unions-Parteien mehr denn je jetzt gefragt, um neue frische Köpfe für die Schalthebel der politischen Macht durchzusetzen.

 

Letzte Änderung am Mittwoch, 14 Februar 2018 11:22
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag