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Die CDU und die Werteunion

Historisches Reichstagsgebäude – Sitz des Deutschen Bundestages Historisches Reichstagsgebäude – Sitz des Deutschen Bundestages © Pixabay

Die Partei erreicht die wertkonservative Stammklientel nicht

Bescheiden ist die CDU geworden. Jetzt feiern Merz & Co aktuelle Umfragen, die eine Zustimmung von 27 oder 28% prognostizieren, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Angesichts früherer Quoten um die 40% und mehr, als die CDU noch wertkonservativ war, ist die Freude der CDU-Granden über eine sehr geringe „Verbesserung“ der Zustimmungswerte ihrer Partei gegenüber der Bundestagswahl 2021 schon erstaunlich.

Selbst noch in jüngeren Zeiten, etwa bei den Bundestagswahlen 2005 und 2009, konnte die Union wenigstens noch Wahlergebnisse um ein gutes Drittel einfahren. Doch auch das ist längst Vergangenheit. Bei der Bundestagswahl am 26.9.2021 bekamen die Unionsparteien beschämende 24,1% und wurden damit „zweiter Sieger“ hinter der SPD, die 25,7% erhielt. Doch hat die CDU dieses Desaster, inzwischen unter Friedrich Merz, überwunden? Keineswegs, denn wenn die derzeitige relativ gute CSU-Prognose für die bayerische Landtagswahl 2023, mit immerhin 42%, bei der gesamten Unionsprognose (also CDU und CSU) eliminiert wird, ist klar, dass sich die große Schwesterpartei CDU auch unter dem Vorsitzenden Merz keineswegs auf einem neuen Höhenflug befindet.

Anders formuliert: Ohne das konservative und in weiten Teilen immer noch christliche Bayern, jahrzehntelang von der CSU geprägt, wäre die Union aktuell unter ferner liefen positioniert. Dies zeigte sich bereits am Ergebnis der vier Landtagswahlen des Jahres 2022. In Niedersachsen flog die CDU nach einer verheerenden Niederlage aus der alten Regierungskoalition mit der SPD, im Saarland wurde die CDU bedeutungslos und die SPD erzielte dort die absolute Mehrheit; im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW stimmten die Wahlberechtigten mit Abstinenz ab (Wahlbeteiligung nur 55,5%) und Laschet-Nachfolger Henrik Wüst ging eine Koalition mit den Grünen ein, obwohl das Lager jenseits von SPD und Grünen (CDU, AfD und FDP) eine rechnerisch knappe Mehrheit erhielt.

2023 findet die wichtigste deutsche Landtagswahl in Bayern statt. Hier dürfte die CSU 42% Zuspruch bekommen. Dies wird für eine Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern reichen. Alles in allem (von Bayern mit der Schwesterpartei CSU abgesehen) gibt es für die CDU keinen Grund zum Übermut, zumal die Partei eine erkennbar schlechte links-grüne ideologische Politik der Ampel mit den törichten Aussagen der Außenministerin Annalena Baerbock („Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland“) als Oppositionspartei nicht nutzen kann. Deutschland verliert dramatisch an Standort- und Lebensqualität und trotzdem marschiert die Union in zentralen Fragen im Gleichschritt mit der schwachen Bundesregierung. Deutschland spricht landauf und landab von den Grünen und ihren verschrobenen Vorstellungen und zumindest die CDU scheint nicht zu existieren. Die Grünen sind täglich in den Medien präsent, die Union glänzt durch Abwesenheit. Was hat sich unter Friedrich Merz als CDU-Chef zum Guten für die CDU geändert?

Die Partei beschäftigt sich mit sich selbst

Zunächst sind CDU und CSU nicht mehr die Parteien mit der Philosophie eines Konrad Adenauer oder Franz-Josef Strauß. Die Union muss daher wissen und schleunigst klären, was sie heute sein will. Ist sie noch das christlich geprägte wertkonservative Sammelbecken (mit Sicherheit, von der CSU abgesehen, leider nicht) oder schon eine ideologisch unterwanderte Bewegung, die sich nur noch dem vermeintlich richtigen Zeitgeist anpasst? Insbesondere unter der Ex-Kanzlerin und langjährigen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel ist die CDU immer stärker links abgedriftet und hat ihr wertkonservatives Profil verleugnet und somit großen Teilen der Bevölkerung die politische Heimat genommen. Dies ist übrigens ein Grund, weshalb beispielsweise in NRW fast die Hälfte der wahlberechtigten Bevölkerung inzwischen der „Partei der Nichtwähler“ angehören!

Schon der langjährige Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, empfahl der Partei aufgrund ihrer Entwicklung das „C, das für Christlich steht“ aus dem Namen zu nehmen. Dies wäre wenigstens konsequent, meinte damals der Kardinal. Heute schielt die CDU unter dem Wendehals Merz, der sich einen konservativen Mantel anzog, auf Umfragen und weniger auf bewährte Grundwerte. Im Vordergrund stehen Floskeln und Anbiederungen an den Zeitgeist. Ja, richtig, Frauen sollen Verantwortung gerne übernehmen – aber bitteschön aufgrund von Kompetenzen und nicht um eine Frauenquote zu schönen.

Der Linksdrall der CDU führte innerparteilich zur Gründung der „Werteunion“, die für Prinzipien, die vor zehn bis fünfzehn Jahren zum Programm und Inhalt der Union gehört haben, steht. Am 25. März 2017 wurde die Werteunion innerhalb von CDU und CSU als Regulativ insbesondere gegen eine links gewordene CDU gegründet. Vorsitzender wurde Alexander Mitsch. Doch viele Hofschranzen am Hofe der Angela Merkel sahen in der Werteunion einen bösen Feind, der mit allen Mitteln bekämpft werden müsste. Dabei wurde zu Mitteln gegriffen, die so ganz und gar nicht christlich waren. Etwa von einem „Krebsgeschwür, das mit aller Rücksichtslosigkeit bekämpft“ werden müsse, sprachen schon 2020 prominente CDU-Granden. Gemeint war die Werteunion, die den vielen „bürgerlichen“ Wahlberechtigten wieder eine politische Heimat bieten wollte.

Freund, Feind, Parteifreund

Mitsch, der eigentlich innerhalb der Union Korrekturen am politischen Erscheinungsbild erreichen wollte, bekam enormen Gegenwind vom inzwischen linken Partei-Establishment der CDU; die Werteunion sei eine Beleidigung für alle Mitglieder und wurde in die rechtsextreme Ecke gestellt. Im Mai 2021 trat Mitsch schließlich als Vorsitzender der Werteunion zurück. Doch es sollte sich bald zeigen, dass es insbesondere der CDU-Führung (die CSU ist im Auftritt gegenüber der Werteunion dezenter) um die Eliminierung der konservativen Basisbewegung geht. Friedrich Merz forderte ganz offen die CDU-Mitglieder dazu auf, die Werteunion zu verlassen. Es wurden vorgeschobene Gründe, die einer Überprüfung nicht standhalten, genannt. Die Steigerungsformel „Freund, Feind, Parteifreund“ ist offensichtlich der Partei wichtiger, anstelle katastrophale Fehlentscheidungen der Ampelregierung offenzulegen und anzugreifen.

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder hat wenigstens im Sommer 2022 die Finger in die Wunde der Ampel gelegt. Es gehe der links-grünen Bundesregierung mit Hilfe der FDP weniger um Freiheit, sondern „immer um Zwang“ und die einzige wahre Gemeinsamkeit der Ampel-Koalition sei ihr Wunsch nach einer Umerziehung der deutschen Bevölkerung, sagte der CSU-Chef damals gegenüber der „Bild am Sonntag“. Söder hat jetzt eine einmalige Chance: Er könnte ein kämpferischer und notfalls auch polternder Franz-Josef Strauß werden und das wirtschaftspolitische Gewicht Bayerns in die Waagschale werfen. Bayern ist das mit Abstand größte Bundesland Deutschlands mit einem Anteil von 20% der Fläche Deutschlands. Auch beim Bruttoinlandsprodukt – die Messziffer der wirtschaftlichen Bedeutung – hat der weiß-blaue Freistaat einen Anteil von über 17% des deutschen BIP. Bayern ist die Heimat der Giganten Allianz, Audi, BMW, Munich Re und vor allem zahlreicher Weltmarktführer familiengeführter Unternehmen. Diese – noch – starke Position scheint einigen in Berlin nicht bewusst zu sein.

Das ehemalige CSU-Urgestein (und Strauß-Intimus) Wilfried Scharnagl brachte es in seinem Buch „Bayern kann es auch allein“, auf den Punkt: Ein Plädoyer für mehr Eigenständigkeit! Dieser Druck müsste auch mehr der Schwesterpartei CDU, aber auch der derzeitigen Bundesregierung verdeutlicht werden. Die CSU bräuchte mehr Mut zum Mut des noch Undenkbaren: Die Trennung von der Schwester! Politisch getrennt marschieren, vereint schlagen – dies müsste das Motto für die Zukunft sein.

Letzte Änderung am Freitag, 10 Februar 2023 17:39
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag

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