In einem neuen „Eckpunkte-Papier“ des Bundeswirtschaftsministeriums, mit zusätzlichen Belastungen gegenüber der Kohleverstromung, soll, so die Gewerkschaft IG BCE, der „faktische eingeleitete Ausstieg aus der Kohle“ vorgenommen werden. Gefährdet sind im gesamten Umfeld einschließlich der Turbinen- und Generatorenbauer bis hin zum „Brötchen-Lieferanten“ nach Angaben der Gewerkschaft 100.000 Arbeitsplätze. Es darf nicht zu Strukturbrüchen in ganzen Räumen kommen mit der Gefahr, dass etwa in der Lausitz nur noch alte Menschen verbleiben, wenn die Jugend keine beruflichen Perspektiven mehr sieht und deshalb abwandert. Die Meinungen sind konträr. Die Bundesregierung will bis 2020 erneut das ehrgeizige Ziel, von einem bisher schon erreichten hohen Niveau, nochmals 40% weniger CO 2 – Emissionen einsparen, umsetzen. Man fragt sich, weshalb dieser übertriebene Aktionismus vorgenommen werden soll.
Sigmar Gabriel unterschätzt Gefahren
Ist dies für eine Wirtschaftsnation realistisch? Viele bezweifeln dies, weil im globalen Maßstab die mit dem Eckpunkte-Papier verbundenen zusätzlichen Emissionseinsparungen eine untergeordnete Bedeutung für das weltweite Klima haben. Auf der anderen Seite gefährdet die Bundesregierung bzw. das Bundeswirtschaftsministerium den Versorgungsbeitrag der Braun- und Steinkohle. Insbesondere die Braunkohle sichert nämlich den Industriestandort Deutschland ganz wesentlich. Man darf zurecht in Deutschland den Eindruck haben, dass interessierte Kreise auch aus dem ideologischen Lager in der Kohle ein neues Reizwort und Feindbild gefunden haben, nachdem der Ausstieg aus der Kernenergie Realität wurde und in den nächsten Jahren Schritt für Schritt vollzogen wird. Die Beschäftigten, direkt und indirekt sind es wie gesagt 100.000 Arbeitsplätze, wehren sich gegen das „Plattmachen“ einer noch intakten Branche im so wichtigen Energiebereich. Sie sind bereit zum letzten Gefecht. Gerade SPD-Chef und Vizekanzler Gabriel sollte die Entschlossenheit auch einer so einflussreichen Gewerkschaft wie die IG BCE nicht unterschätzen. Es geht nicht nur um die Kohleverstromung. Es geht um die Zukunft des Industriestandortes Deutschland, von dessen Qualitäten wir alle leben.
Arbeitsplätze und Klima nicht ausspielen
Es darf auch nicht das Klima mit den Arbeitsplätzen ausgespielt werden, zumal nach wie vor umstritten ist, inwieweit „nur“ die durch den Menschen verursachten Emissionen (es bestehen wichtige Einflüsse im natürlichen Bereich – siehe auch das Buch „Die kalte Sonne“ und unsere Rezension) das Klima beeinflussen. Es gab auch schon einmal ein grünes Grönland, als es noch keine Kraftwerke, Autos und andere Industrien gab. Die ja unbestritten gewollte Energiewende, hin zu einem bedeutenden Beitrag für die regenerative Form der Stromerzeugung, funktioniert nur, wenn sie einen sichernden Flankenschutz durch einen Energiemix unter Einschluss fossiler Kraftwerke (Braun- und Steinkohle sowie Gas) und übrigens auch konventioneller Wasserkraftwerke – vor allem Pumpspeicherkraftwerke – hat.
Grundsätzlich gilt, dass leider die Deutschen immer zum Übertreiben neigen. Wir sind aber nicht der Nabel der Welt und es nützt herzlich wenig, wenn wir hierzulande Arbeitsplätze und wirtschaftliche Grundlagen durch einen zu extremen Ehrgeiz zerstören, und andererseits über „unseren“ Aktionismus im Ausland nur milde belächelt wird. Was bringt Deutschland etwa der Kernenergieausstieg an Sicherheit, wenn unsere direkte Nachbarn – nicht nur Frankreich – sogar den Ausbau der Kernenergie forcieren. Was nützten uns läppische Einsparungen von Emissionen, wenn im globalen Maßstab erstens immer mehr Menschen Emissionen verursachen und zweitens auch fossile Kraftwerke zuhauf entstehen?
Ausführliche Berichte zur Energiewende in unserem Report „Energiewende“.