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Kassel-Calden wurde eröffnet:

Kassel-Calden wurde eröffnet: © Flughafen Kassel-Calden

Der Flughafen braucht eine faire Chance

Na also: Deutschland kann noch termingerecht und betriebsbereit neue Flughäfen in Betrieb nehmen. Am 4. April 2013 wurde Deutschlands neuester Regionalflughafen in Kassel-Calden eröffnet. Die Häme und der Spott waren bissig. Vom sinnlosesten Flughafen Deutschlands schrieb eine große Boulevard-Zeitung. Der Bund der Steuerzahler meinte gar, dass Calden ein „klassisches Beispiel für den fragwürdigen Umgang mit öffentlichen Mitteln“ sei.
Wirklich?

Wer den neuen Airport nur an den aktuellen Flugbewegungen und der Anzahl der Passagiere misst, mag vordergründig – vor allem im Anlaufjahr – ein Verlustobjekt sehen. Immerhin hat der brandneue Flughafen mit seiner hochmodernen 2.500 Meter langen Hightech-Start- und Landebahn 271 Millionen Euro gekostet. Dies ist viel, reicht aber bei großen Airports noch nicht einmal für einen Ausbau eines Terminals. Wie auch immer: Nun ist Kassel-Calden fertig. Hiobsbotschaften haben jetzt keinen Sinn mehr. Jetzt gilt es, dem Flughafen mit positiven Botschaften eine faire Chance zu geben.

Kassel-Calden ist nämlich im indirekten Bereich viel mehr als „nur“ ein Regionalflughafen. Mit seiner Infrastruktur trägt er ganz entschieden zur Aufwertung der Standortqualität des nordhessischen Wirtschaftsraumes um Kassel bei. Immerhin gibt es in Kassel nicht wenige Weltfirmen, die auf die Erreichbarkeit der Region Kassel per Flugzeug, etwa durch Charterverkehre, allergrößten Wert legen. Wintershall muss als führendes Unternehmen der Gas- und Ölwirtschaft z.B. für den Partner Gazprom (Russland) bequem erreichbar sein. Geschähe dies nicht, müsste sich die BASF-Tochter mittelfristig doch überlegen, ihre Konzernzentrale zu verlegen. Es wäre für Kassel und seine Region nicht nur vom Image ein vernichtender Schlag. Weitere Weltfirmen in Kassel und seinem Umland sind K+S als DAX-Unternehmen sowie der Medizintechnik- und Pharmakonzern Braun Melsungen. Beide Unternehmen sind global aufgestellt und haben einen nicht kleinen Charterbedarf.

Standortsicherung Flughafen

Wenn man bedenkt, wieviel Geld heute Wirtschaftszentren wie Leipzig oder Dresden – aber auch die „alte“ Industriehochburg Mannheim im Westen – für die Anwerbung bedeutender Unternehmen ausgeben, sieht vielleicht die voreilige Häme in einzelnen Medien gegen den neuen Flughafen etwas anders aus.

So gesehen, ist Kassel-Calden auch ein gutes Stück Standortsicherung im öffentlichen Interesse. Hinzu kommt, dass Kassel seit der Wiedervereinigung wieder zentral in Deutschland liegt und somit sowohl von der Logistik her als auch als Standort für große Werke – etwa VW oder das Mercedes-Benz-Werk Kassel – an Bedeutung gewinnt. Wirtschafts- bzw. Industriezentren sind auf Luftfracht und schnelle Verbindungen angewiesen. Das enorme künftige Potenzial für Kurier-Express-Paketdienste wird derzeit von den Kritikern übersehen. Bereits 2011 gab es in Kassel beim kleinen Lande- und Abflugplatz immerhin 35.000 Flugbewegungen. Und dies waren in erster Linie Firmenflugzeuge bzw. Charterverkehre.

Ob in einigen Jahren im auszubauenden regionalen Linienverkehr 640.000 Passagiere in Kassel bedient werden, ist heute Kaffeesatzleserei. Es können weniger sein, aber durchaus auch mehr. Die Tourismusindustrie ist immer noch eine Wachstumsbranche. Kassel muss jetzt regionale Airlines von den Standortqualitäten und dem durchaus vorhandenen Potenzial für Passagiere überzeugen. Mittelfristig sind die Chancen ohnehin gut, denn die großen Airports stoßen an die Kapazitätsgrenzen und wie München zeigt, sind neue Start- und Landebahnen fast nicht mehr durchsetzbar. Dies bedeutet, dass die regionalen Airlines entweder bei den großen Hubs sehr teure Landegebühren akzeptieren müssen oder eben auf Regionalflughäfen wie Kassel-Calden ausweichen.

Nun ist Kassel-Calden fertig. Rechthabereien und Schuldzuweisungen sind jetzt nicht mehr angebracht. Es gilt nach vorne zu schauen und dem Flughafen zumindest eine Chance einzuräumen. Und die hat er auch im Interesse als Standortfaktor für die Wirtschaftsregion Kassel verdient.

Letzte Änderung am Dienstag, 16 Mai 2017 11:00
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag

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