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Die CDU leckt die Wunden

Katerstimmung im Konrad-Adenauer-Haus der CDU. Katerstimmung im Konrad-Adenauer-Haus der CDU. © CDU / Tobias Koch

Auf der Suche nach einem neuen Profil

Nach der Niederlage der Union bei der Bundestagswahl 2021 liegen die Nerven bei den noch amtierenden Gremien der größeren Schwesterpartei CDU (Präsidium und Vorstand) blank. Schuldzuweisungen sind an der Tagesordnung und Bauernopfer werden gesucht.

Die Partei, so verschiedene Stimmen, brauche eine neue Führung auf Bundesebene. Dem ist nicht zu widersprechen. Christian von Stetten, MdB und Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand der Bundestagsfraktion der Union, hat sogar den Rücktritt des gesamten CDU-Präsidiums gefordert. Und tatsächlich erstaunlich schnell hat der Bundesvorstand der CDU jetzt einstimmig beschlossen, auf dem nächsten Parteitag eine neue Parteispitze zu wählen.

Der noch amtierende Parteichef Armin Laschet will dem notwendigen Erneuerungsprozess nicht im Wege stehen. Welche Rolle er künftig spielen will, ist die noch offene und spannende Frage. Doch neue Köpfe werden der CDU noch lange nicht ein neues Profil geben, allenfalls ein neues Gesicht. Auch ist es zu billig, jetzt Laschet allein für die Unions-Schlappe verantwortlich zu machen. Gewiss, Laschet’s Wahlkampf war „lasch“ und ohne Feuer, doch die Niederlage hat auch und ganz besonders die langjährige Endlos-Vorsitzende und vielleicht noch einige Wochen amtierende Kanzlerin Angela Merkel mit zu verantworten und – keine Frage – auch CSU-Chef Markus Söder, dessen ständige Querschüsse und Sticheleien nur Uneinigkeit signalisierten. Eine zerstrittene Partei – und die Union stellt sich als solche dar – will man aber nicht. Nur so nebenbei: Gerade die CSU stürzte ebenfalls dramatisch in Bayern ab und dies in einem strukturell stark vom Katholizismus geprägten Land mit einer traditionell besonderen Nähe zur CSU.

Die Primalballerina und ihre Hofschranzen – kein Widerspruch bei Hofe

Die „Schuld von Merkel & Co“ an der Wahlniederlage ist erheblich, denn sie hat ganze Heere von langjährigen Unions-Wählern vergrault, die wegen der von ihr linksgewendeten Union gar nicht mehr wählen gehen! Diese Stimmen fehlen insbesondere der CDU. Merkel hat es versäumt, rechtzeitig, noch als Parteivorsitzende, junge politische Begabungen wie beispielsweise Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, für Ministerposten aufzubauen und andererseits die Partei wieder zu ihren Wurzeln zurückzuführen. Linnemann wäre ein hervorragender Wirtschaftsminister gewesen, im Gegensatz zur Plaudertasche Altmaier, der große europäische Champion mit staatlicher Förderung schaffen wollte. Wettbewerb und Marktwirtschaft waren wohl Fremdwörter. Die Wirtschaftsverbände liefen zurecht Sturm …

Was man Laschet und den Parteigranden allerdings (von Wolfgang Schäuble und Volker Bouffier bis hin zu Peter Altmaier, Thomas Strobl und dem langjährigen Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder) vorwerfen muss, ist dies: sie alle nahmen unter der Primaballerina Angela Merkel die Rolle von „Hofschranzen“ respektive Duckmäuser ein. Widerspruch war bei Hofe nicht erlaubt!

Niemand hat sich getraut, der Autokratin Merkel, die immer öfters einsame Entscheidungen im Alleingang durchpeitschte, Paroli zu bieten. Beispiele sind der überstürzte deutsche Atomausstieg (Freund und Nachbar Frankreich hat durch Präsident Macron hingegen soeben bekanntgegeben, aus klimapolitischen Gründen die Kernenergie im Lande erheblich auszubauen), dann die Asylpolitik der unkontrollierten Zuwanderung, die Scheckbuchdiplomatie des Zahlmeisters Deutschland oder die Impfstoffbeschaffung über die EU. Dies alles haben die Wähler nicht nur bemerkt, sie haben sich das auch gemerkt! Arnold Vaatz, immerhin seit 2002 bis zu seinem jetzigen Ausscheiden stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag, hat es so treffend formuliert: Zweifler und kritische Fragen stellende Kollegen wurden beschimpft. Wer eine andere Meinung vertreten hat, wurde „an den Pranger gestellt“ und war z.B. in Sachen Klima und Coronapolitik halt ein Leugner.

Die CDU hat ihre Herkunft vergessen

Unter Merkel driftete die Partei zusehends links ab und verleugnete ihr Profil als Partei der konservativ-bürgerlichen Mitte mit einer christlich-abendländischen Bindung und einer starken Verankerung zur sozialen Marktwirtschaft als Fundament für Freiheit und Wohlstand. Die CDU wurde austauschbar. Ehemalige Stammwähler hatten und haben in der CDU keine politische Heimat mehr und blieben daher entweder den Wahlurnen fern oder wählten FDP oder gar die AfD. Für viele selbständige mittelständische Unternehmer und aufsteigende Führungskräfte in der Wirtschaft wurde die CDU nicht mehr wählbar! Wenn sich die CDU – gleiches gilt für die CSU – wieder erholen will, was wünschenswert wäre, genügen nicht nur neue junge Leute an der Spitze; die Partei muss wieder erkennbar ein Gegenmodell zur politischen Konkurrenz werden und nicht allen möglichen und unmöglichen Modeerscheinungen wie Gendersprache oder Frauenquoten populistisch nachlaufen!

Niemand hat etwas gegen qualifizierte Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft, wenn sie mit Kompetenz der Bewerberinnen untermauert sind. Übrigens sind vorgeschriebene Frauenquoten ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Eigner. Doch im Schielen auf Wählerstimmen hat die CDU alle guten Vorsätze und Prinzipien eines Ludwig Erhardt (langjähriger Wirtschaftsminister und ehemaliger Bundeskanzler) vergessen.

Laschet konnte nicht gewinnen

Am Wahltag ist immer Zahltag. Deshalb konnte Laschet nicht gewinnen, weil die CDU für zahlreiche Fehler, die zurecht der Kanzlerpartei zugeschrieben werden, verantwortlich gemacht wurde. Dies wäre auch bei einem anderen Kandidaten – ob Söder oder wer auch immer – so gewesen. Die Deutschen mögen die Unionsparteien derzeit nicht! Zu frisch war noch im Bewusstsein der Bürger, wenige Wochen vor dem Wahltermin, das Afghanistan-Debakel. Während Frankreich sein dortiges Engagement in Stufen 2006, 2011 und schließlich 2014 beendete, hielt Merkel noch Jahre bis zum bitteren Ende am Verbleib fest, „bis die Amerikaner abziehen“. Dies war alles, bloß keine vernünftige Politik und kostete den deutschen Steuerzahler viel Geld und zahlreichen Soldaten Trauma-Erlebnisse. Afghanistan verschlechterte das Negativ-Konto der Union.

Unter der Kanzlerschaft Merkel wurde die Bundeswehr vernachlässigt, zeitweise waren die modernen Brennstoffzellen U-Boote nicht einsatzfähig; aus dem „Land der Ideen“ wurde ein Pannenland, sichtbar am spektakulären Beispiel der schier unendlichen Fertigstellung des Flughafens in Berlin. Infrastrukturen wurden und werden vernachlässigt und Deutschland lässt sich von Nichtregierungsorganisationen wie die Deutsche Umwelthilfe vorführen. Als „Dank“  finanziert bzw. bezuschusst sie diese Vereine sogar noch mit Steuergeldern. Unser Land und die Bevölkerung ist inzwischen wieder in Ost und West gespalten, sichtbar am Wahlverhalten in Mitteldeutschland. In Thüringen und Sachsen erzielte die Union einmal absolute Mehrheiten …

Chaotische Corona-Politik

Unvergessen war beim Wahltermin zum Bundestag auch die teilweise chaotische Corona-Politik (Masken-Dilemma, Impfstoffe, einseitige „Ratgeber“, Kassandra-Rufer, Impfpolitik mit Beeinträchtigungen zahlreicher Grundrechte). Auch mit der Corona-Politik wird die Bevölkerung in Geimpfte und Nichtgeimpfte gespalten. Man darf gespannt sein, wie das Bundesverfassungsgericht mit dem Grundsatz „Vor dem Gesetz sind alle gleich“ umgeht. Die Krisenbewältigung der Pandemie durch die Kanzlerin und Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder empfanden (und empfinden) nicht wenige Deutsche, und ganz konkret Unternehmen der Gastronomie, des Hotelgewerbes und der Freizeitwirtschaft, eben für nicht so toll, wie z.B. in bestimmten und geneigten Medien dargestellt. Auch für dieses Chaos bekam Laschet und die CDU am Wahltag die Quittung. Verdient hat er dies nicht. Er wurde für Fehler anderer abgestraft!

Viele Bürger können ihre Stromrechnungen und Heizkosten, die durch zahlreiche Energiesteuern und Abgaben uferlos steigen, nicht mehr begleichen. Auf ihren Sparkonten erhalten die Bürger keine Zinsen mehr. Wo sind hier die Lenkungsmechanismen, die ansonsten die Bundesregierung gerade in der Energiepolitik so gerne praktiziert? Die Liste der Ärgernisse bei den Deutschen ist lang.Dieser Ärger spiegelte sich jetzt katastrophal für die Union beim Wahlergebnis. Es kam, wie es kommen musste – die offensichtlich verbrauchte und uneinige Union (Söder – siehe oben) hat die Wahl verloren und muss jetzt in die Opposition. Kurzfristig muss dies nicht verkehrt sein, wenn die Weichen für eine Renaissance gestellt werden.

Renaissance ist möglich – für richtige Überzeugungen kämpfen

Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Dies scheint die CDU jetzt kapiert zu haben. Die Union muss wieder das Sammelbecken der großen konservativen Mitte werden. Sie muss auch eigene Gruppierungen wie die Werteunion nicht maßregeln, denn diese vertritt Meinungen, die noch vor 15 Jahren Allgemeingut der CDU waren, wie das langjährige prominente CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach betont. Die Renaissance kann nicht mit der Politik einer Anbiederung im Stil der Angela Merkel an die Grünen und an den Zeitgeist geschehen. Die Partei muss wieder lernen, für Überzeugungen zu kämpfen und nicht populistischen Strömungen nacheifern. Durch interessierte Kreise beeinflusste Meinungsbildungsprozesse müssen wieder kritischer auf Richtigkeit hinterfragt werden, wie das aktuelle Beispiel Österreich mit angeblich manipulierten Meinungsumfragen zeigt.

Auch unterwanderte Institutionen im In- und Ausland haben nicht immer die als richtig zu geltende  Weisheit. Wenn dies das neue hoffentlich bald installierte Führungspersonal der CDU beachtet und daraus die richtigen Schlüsse zieht, hat die CDU durchaus gute Chancen, aus dem Jammertal zu kommen. In gut einem halben Jahr sind Landtagswahlen im wohl wichtigsten Bundesland Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein. Bis zu diesen Wahlen muss die CDU wieder als bürgerlich-christliches Angebot attraktiv sein, denn das Tief geht offensichtlich in NRW weiter.

Viel Zeit ist also für eine neue personelle Aufstellung und Rückbesinnung zu den früheren CDU-Prinzipien nicht vorhanden. Einige haben bereits direkt und indirekt den Hut in den Ring geworfen, interessanterweise alle aus NRW: Friedrich Merz, Norbert Röttgen, Ralph Brinkhaus, Jens Spahn und Carsten Linnemann. Norbert Röttgen hat in der Vergangenheit bereits „glorreich“ gegen Hannelore Kraft (SPD) in NRW verloren und sich damals nach der Wahl nicht mit Ruhm bekleckert. Ralph Brinkhaus ist nicht unbedingt ein Sympathieträger und gilt als zu nahe an Angela Merkel. Ein Neuaufbruch ist mit ihm zumindest – wie übrigens auch bei Jens Spahn – nur schwer vorstellbar.

Friedrich Merz könnte vielleicht derzeit noch am ehesten die Partei, aber sinnvollerweise nur übergangsweise für maximal zwei Jahre, führen. Er müsste aber relativ schnell jüngere Kräfte fördern und aufbauen und diesen schließlich Platz machen. Der bereits erwähnte Carsten Linnemann wäre eine gute Wahl. Er ist jung, dynamisch und ein Mann der sozialen Marktwirtschaft. Ihm ist noch am ehesten zuzutrauen, die Partei wieder zu ihren Quellen zu führen. Auch der Baden-Württemberger Christian von Stetten könnte ein Geheimfavorit für den Vorstand  werden. Er sollte unbedingt als süddeutsches Regulativ zur NRW-Lastigkeit der CDU auf der Führungsebene der Partei Verantwortung übernehmen. von Stetten muss als erfolgreicher Unternehmer nicht katzbuckeln. Derzeit ist Baden-Württemberg in den Spitzengremien der CDU mit dem 79 –jährigen Wolfgang Schäuble und seinem Schwiegersohn Thomas Strobl (61) vertreten. Ein Schelm, der Böses (Vetternwirtschaft) dabei denkt.

Letzte Änderung am Mittwoch, 13 Oktober 2021 17:54
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag

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