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Keine breite Zustimmung – weder für Scholz noch für Laschet

Schwarz-grün-gelb – die Farben der Karibikinsel Jamaika – stehen für eine derzeit unrealistische Regierungskoalition nach der Bundestagswahl. Schwarz-grün-gelb – die Farben der Karibikinsel Jamaika – stehen für eine derzeit unrealistische Regierungskoalition nach der Bundestagswahl. © Pixabay

Bundestagswahl 2021: Der Souverän, das Volk, hat gewählt – doch wer regiert die Republik?

Auf den zweiten Blick – wir sagen ganz bewusst zweiten Blick – ist das Ergebnis der Bundestagswahl 2021 gar nicht so schlecht.

Ein Trio Infernale – siehe unseren Kommentar „Die Wahl der Qual“ – mit Rot-Grün-Rot haben die Deutschen jetzt verhindert, knapp zwar, aber immerhin. Das ist die gute Botschaft, denn ein rot-grün-rotes Bündnis hätte vermutlich die Deutschen arm gemacht!

Doch wer jetzt nach der Wahl Regierungschef wird, welche Parteien letztendlich eine Regierungskoalition eingehen, ist einstweilen noch die offene und spannende Frage. Ein klarer Regierungsauftrag lässt sich jedenfalls weder für die Sozialdemokratie noch für die Union ableiten. Dies ist die weniger gute Botschaft und es steht zu befürchten, dass in den Hinterzimmern um die Regierungsteilhabe gemauschelt wird. Wenn es stimmt, dass für eine Jamaika-Koalition die Grünen mit dem Posten des Bundespräsidenten geködert werden sollen, dann wäre dies ein Agieren, das die Bürger verabscheuen. So etwas führt zur Politikverdrossenheit. Wir haben einen Bundespräsidenten und deshalb sollte man das Staatsoberhaupt nicht durch ein politisches Postengeschacher demontieren. Wenn die Parteien wieder stärker Vertrauen aufbauen wollen, wären sie gut beraten, wenn sie sich rasch auf eine neue Regierung verständigen würden.

Ob Scholz oder Laschet Bundeskanzler wird (vermutlich Olaf Scholz): beide können sich nicht gerade auf eine hohe Zustimmung durch die Wähler(innen) berufen. Beim Verhältnis der tatsächlichen Wähler ihrer Parteien zu den Wahlberechtigten gilt: Weder Scholz noch Laschet repräsentieren Volksparteien vom früheren Zuschnitt. Strahlende „Wahlsieger“ sehen anders aus! Die SPD hat sich, aus einem tiefen Niveau kommend, mit 25,7% erstaunlich erholt – doch in Wahrheit erhielt die Partei respektive Scholz lediglich einen Zuspruch von 11,9 Millionen Wähler(innen), dies sind nur 19,5% der 61,2 Millionen Wahlberechtigten. Die angegebenen „besseren“ Zahlen der SPD mit 25,7% beziehen sich auf die abgegebenen Stimmen. Mit anderen Worten: Nichtwähler, die ja schließlich auch eine Missbilligung oder ein Desinteresse zum Ausdruck bringen, bleiben unberücksichtigt.

Kein großer Zampano erkennbar

Dies gilt freilich auch für die Union und alle anderen Parteien. Weder Scholz noch Laschet sind also „der große Zampano“! Die Ausrede, die Zeiten mit großen Zustimmungswerten seien aufgrund eines erweiterten Parteienspektrums vorbei, ist nicht schlüssig, denn schon bei der Bundestagswahl 1998 erreichten immerhin fünf Parteien den Einzug in den Bundestag. Gerd Schröder löste damals Helmut Kohl als Kanzler ab und die Wahlbeteiligung betrug 82,2% (jetzt waren es 76,6%). Es wird immer Nichtwähler geben. Zweifelsfrei. Doch viele Nichtwähler blieben der Wahlurne fern, weil beide „ehemaligen Volksparteien“ Union und SPD ihre ursprüngliche Wählerklientel (die Union das Bürgertum der Mitte, Unternehmer und das höhere Beamtentum) und die Sozialdemokratie die „Metaller“, qualifizierte Facharbeiter, Handwerker, Bauarbeiter, Logistik- und Hafenbeschäftigte, Eisenbahner, „Postler“, die Heere im Einzelhandel und in den Dienstleistungsbetrieben, sträflich vernachlässigten.

Die Union driftete unter Merkel links ab und hofierte aus Gründen des Machterhalts immer deutlicher die Grünen und die Sozialdemokratie beschäftigte sich mit Genderfragen, Frauenquoten (nichts gegen die Frauen), Nichtregierungsorganisationen und ideologischen Allerweltsfragen. Vergessen hat sie die immer noch (Gott sei es gedankt) vorhandenen „Malocher“ etwa im Revier. Doch die SPD hat wieder, gerade noch rechtzeitig, erkannt, dass alle wünschenswerten Klimavorgaben und die Finanzmittel, die in Klimaprogramme gesteckt werden sollen, erst einmal in den Unternehmen via Steuerkraft erwirtschaftet werden müssen.

Wähler in der Herzkammer der SPD, im Ruhrgebiet, Beschäftigte in der Hafenwirtschaft und Wähler in Arbeiterstadtteilen wie „der Waldhof“ und Sandhofen, beide in Mannheim: sie haben wieder zur alten Liebe SPD gefunden. Noch nicht alle, aber der Trend des Verlassens der traditionsreichen SPD wurde angehalten. Allein in den genannten beiden Mannheimer Stadtteilen gibt es über 20.000 industrielle Arbeitsplätze bei Mercedes-Benz, Roche, Essity/SCA u.a.. Sie wählten jetzt wieder SPD. Dies ist zweifelsfrei ein Verdienst von Scholz, der für eine Renaissance der SPD steht. Doch das reicht noch nicht. Sollte die SPD jetzt die nächste Bundesregierung wieder anführen, und danach sieht es aus, muss sie wieder den Wert industrieller Arbeit erkennen und nicht den Unternehmen die Basis für Investitionen durch eine investitionsfeindliche Steuerpolitik und durch unrealistische Vorgaben nehmen. Übrigens sind auch Flughäfen große Jobmaschinen, dies hat sogar Hessens grüner Wirtschaftsminister Al-Wazir, ein hervorragender Mann, in der schwarz-grünen Koalition der hessischen Landesregierung erkannt.

Jamaika ist jetzt unrealistisch

Eine mögliche Regierungskoalition Unionsparteien, Grüne und FDP, Jamaika genannt, ist angesichts der derzeitigen Situation unrealistisch. Die Union ist verbraucht und aufgrund ihrer fehlenden Geschlossenheit kein stabiler Faktor für eine neue Regierung. Bereits vor der Wahl zeigte sich das tiefe Zerwürfnis zwischen der CDU und der CSU. Ohnehin ist der Sonderstatus zweier Schwesterparteien als Union antiquarisch. Die CDU sollte längerfristig (wenn sie wieder erholt ist) darüber nachdenken, in Bayern einen eigenen Landesverband zu gründen und der CSU bliebe es unbenommen, die Partei auf das gesamte Bundesgebiet auszudehnen. Querschüsse und ständige Sticheleien von CSU-Chef Markus Söder gegen Armin Laschet haben ganz entschieden die Chancen der gesamten Union geschmälert. Wie soll man einem Unions-Kandidaten die Stimme geben, wenn selbst das eigene Lager nicht geschlossen hinter ihm steht.

Die Union hat nicht wegen dem „falschen“ Kandidaten verloren, sondern wegen einer seit Jahren erkennbaren falschen Ausrichtung. Eine derartige Union ist kein stabilisierender Faktor für eine neue Bundesregierung. Die Union braucht Erholung in der Opposition. Die zeigt auch die Schäbigkeit, wie die Partei bereits zwei Tage nach der Wahl mit Armin Laschet umgeht. Aus allen Mauselöchern kommen jetzt parteiintern seine Gegner. Mit einer derartig charakterlosen Partei kann man keine Koalition eingehen. Der CDU-Vorsitzende Laschet führt immerhin das bevölkerungsreichste Bundesland sehr erfolgreich und eroberte 2017 das Bundesland für seine Partei von Hannelore Kraft (SPD) zurück.

Es ist auch müßig, darüber zu spekulieren, ob Söder – angebliche Befragungen durch Meinungsinstitute hätten dies ergeben – 30% Stimmen für die Union geholt hätte. Wenn dies so wäre, wäre die Beantwortung der Frage interessant, weshalb auch die CSU im immer noch von der bayerischen Volksfrömmigkeit geprägten weiß-blauen Freistaat so drastisch eingebrochen ist. Die CSU hatte noch unter seinem Vorgänger Horst Seehofer in Bayern bei der Landtagswahl 2013 noch eine satte absolute Mehrheit eingefahren. Meinungsinstitute haben erstens nicht unbedingt die Weisheit gepachtet (zu oft lagen und liegen sie eben falsch) und zweitens ist ihr Gewerbe ziemlich undurchsichtig. Nichts Genaues weiß man nicht – die Behauptungen der Institute können stimmen oder auch nicht.

Selbst in der Endphase des Wahlkampfes hat die unionsgeführte Bundesregierung noch die Menschen in Geimpfte und Nichtgeimpfte gespaltet. Inzwischen stellen immer mehr seriöse Ärzte und Wissenschaftler die Impfpolitik der Union in Frage. Nebenwirkungen wurden und werden – auch von vielen Medien – vertuschelt. Und, ein anderes Ärgernis, weshalb sind die Deutschen im Westen und Osten unseres Landes gespalten? Dies war doch in den Jahren nach der Wiedervereinigung einmal anders, als die CDU im Osten, etwa in Thüringen durch Bernhard Vogel und in Sachsen durch Kurt Biedenkopf satte absolute Mehrheiten einfuhr. Diese Basis hat die CDU verspielt. Die Ostdeutschen sehen sich bzw. Ostdeutschland als okkupiertes Land. Immer noch gibt es nach über 30 Jahren Wiedervereinigung wenige Entscheidungszentralen großer Unternehmen, ein Versäumnis der Wirtschaftspolitik. Die Menschen in Ostdeutschland spüren, dass die Entscheidungen im „Westen“ fallen – der Frust ist programmiert.

Kommen wir zu den Grünen. Die Partei würde bei Jamaika in ihrer Mitgliederstruktur zerrissen; sie ist immer noch stark fundamentalistisch ausgerichtet – dies decken die Grünen nur geschickt zu. Im „Notfall“, um an die fetten Fleischtöpfe mit Dienstwagen zu kommen, würden sie zwar auf Bundesebene mit der Union eine Koalition bilden, aber nur wenn es nicht anders geht. Es geht aber mit einer Ampel anders und deshalb werden die Grünen die Ampel bevorzugen.

Hoffnungen ruhen auf der FDP

Nun ruhen alle Hoffnungen des bürgerlichen Lagers der konservativen Mitte bei der FDP. Die Partei muss in der wahrscheinlichen neuen Ampelregierung unter Kanzler Scholz das Schlimmste grüner ideologischer Forderungen mit überbordenden Steuern und Abgaben verhindern. Die FDP muss planwirtschaftliche Spielereien gegenüber der Wirtschaft verhindern. Mit der FDP kann Olaf Scholz den linken Flügel seiner eigenen Partei (der klammheimlich rot-grün-rot wollte) neutralisieren. Die FDP stärkt so gesehen sogar Scholz. Die SPD, es wurde an anderer Stelle dieses Beitrages schon erwähnt, muss wieder stärker zu ihren Wurzeln mit einer engen Anbindung an die Gewerkschaften zurückkehren. Eine neue rot-grün-gelbe Regierungskoalition könnte an die guten Zeiten der sozial-liberalen Koalitionen unter Willy Brandt/Walter Scheel und Helmut Schmidt/Hans-Dietrich Genscher erinnern. Die Grünen können andererseits z.B. mit Robert Habeck und dem Schwaben Cem Özdemir kompromissbereite Männer vom Schlage eines Winfried Kretschmann in die Regierung abstellen. Das Finanzministerium sollte allerdings die FDP für Christian Lindner beanspruchen.

Eine lange Hängepartie kann sich Deutschland angesichts der Pandemie nicht erlauben. Deshalb gilt für rot-grün-gelb ab sofort eine klare Devise: Kein unendliches Pokerspiel. Die Pandemie mit ihren unglücklichen Entscheidungen muss repariert werden. Angst und Hysterie sind schlechte Ratgeber. An die Arbeit!

Letzte Änderung am Mittwoch, 29 September 2021 09:19
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag

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