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Die politische Instrumentalisierung des Sports

Sport – symbolisierend durch das olympische Feuer – steht für Völkerverständigung. Nicht für Boykott. Sport – symbolisierend durch das olympische Feuer – steht für Völkerverständigung. Nicht für Boykott. © Pixabay

Olympische Spiele und Weltmeisterschaften eignen sich nicht für Boykotte

Der Sport wird immer öfters als Bühne für politische Meinungsäußerungen und Boykottandrohungen missbraucht. Gründe dafür lassen sich immer finden.

Einmal sind es – immer aus der Sicht der Boykottforderer – kriegerische Handlungen oder politische Bewertungen, dann werden ständig auch Rassismus, Minderheiten- und Menschenrechte und schließlich das Thema Arbeitsbedingungen zum Hintergrund für die geforderten Boykotte. Neuerdings wird selbst die Corona-Pandemie – siehe die Fußball-Europameiserschaft 2021 – politisiert. Denn Ungarn hat sich „erdreistet“, 60.000 Fans den Besuch der EM-Begegnung Ungarn-Frankreich in Budapest zu ermöglichen. Prompt wurde eine „Bestrafung“ des Landes gefordert. Ist es die Aufgabe des Sports, sozusagen zum Oberschiedsrichter der Politik zu werden? Wohl kaum, denn Sport und Politik müssen aus guten Gründen getrennt bleiben – ansonsten wird es bald keinen internationalen Sport mehr geben.

Schon 1980 boykottierten die USA die Sommerolympiade in Moskau. U.a. schloss sich Deutschland an. Als Grund nannten die Amerikaner den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan.  Die Retourkutsche erfolgte prompt 1984 mit dem Boykott der Spiele in Los Angeles durch die Sowjetunion und zahlreicher sozialistischer Länder. Der völkerverbindende Charakter des Sports drohte zu zerbrechen.

Sport soll verbinden – nicht politisch missbraucht werden

1980 und 1984 schien der Charakter der Spiele, nämlich auch einen Beitrag zur internationalen Völkerverständigung zu leisten, in Vergessenheit zu geraten. Doch Olympia soll nicht polarisieren, sondern die „Jugend der Welt“ zusammenführen. Das war der Grundgedanke von Pierre de Coubertin, als er 1894 die Olympischen Spiele der Neuzeit gründete. Diese Idee von Verständigung und Fairness gilt auch für Mega-Events der Leichtathletik sowie für den Fußball- und Handballsport. Papst Franziskus sieht im Sport einen Beitrag der Harmonie (Konferenz der europäischen NOK in Rom 2013). Boykotte hingegen sind kontraproduktiv.

Doch inzwischen leben Boykottforderungen, auch bei Europa- und Weltmeisterschaften im Fußball, wieder auf. 2008 wurde ein Boykott der Olympischen Spiele in Peking gefordert. Im Vorfeld der olympischen Winterpiele 2014 in Sotschi gab es eine Kampagne gegen Präsident Putin. Als Grund für die geforderten Boykotte in Peking und Sotschi wurden jeweils Menschenrechtsverletzungen sowie angebliche katastrophale Arbeitsbedingungen beim Bau der Sportanlagen genannt. Doch das „Kesseltreiben“ verpuffte: 40 Staats- und Regierungschefs wohnten z.B. der großartigen Eröffnungsfeier in Sotschi bei. Die deutschen Sportler waren übrigens voll des Lobes über den Ablauf der Spiele sowohl in Peking als auch in Sotschi.

2018 sollte die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland mit einer breiten Medienkampagne u.a. in Deutschland unter dem Vorwand Rassismus und wiederum aufgrund angeblich fehlender Menschenrechte torpediert werden. Doch wer bestimmt eigentlich, ob und wann Menschenrechte verletzt wurden? Sind es gesteuerte Institutionen? Die Dinge nahmen zum Teil hysterische Züge an.  Ein deutsches Massenblatt kritisierte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus (5 WM)), weil dieser mit anderen internationalen Fußballgrößen eine Einladung des russischen Präsidenten Putin am Rande der Fußball-WM 2018 annahm. An Putins Hände, so die Zeitung, klebe Blut. Inzwischen rufen einzelne Medien und Nichtregierungsorganisationen – aber auch Teile der deutschen Politik – zum Boykott der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking und der Fußballweltmeisterschaft in Katar, ebenfalls 2022, auf. Boykott und kein Ende? Es sieht leider so aus.

Afghanistan und die Fußball-WM 2022 in Katar

Leider entwickelt sich die Instrumentalisierung des Sports mit seinen Großveranstaltungen zum Geschäftsmodell von Nichtregierungsorganisationen. Ein Beispiel ist das Emirat Katar als Gastgeber der Fußball WM 2022. So organisiert z.B. WeAct, eine sogenannte Petitionsplattform von Campact, einen Boykottaufruf gegen die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar. Campact hat mit seinen zwei Zweigen, Verein und Stiftung, im Jahr 2020 laut eigenem Bericht Einnahmen in Höhe von 13,7 Millionen Euro durch Spenden und Fördergelder eingenommen. Doch inzwischen gibt es sogar schon „Konkurrenz“ bei der Einwerbung von Unterschriften und (darauf kommt es den Initiatoren ja an) Fördergeldern gegen die Fußball-WM 2022.

Reißerisch heißt es in der WeAct-Petitionsplattform (Campact) zum WM-Boykott 2022, dass über 6.000 Menschen beim Bau der Sportstätten, vorwiegend ausländische Gastarbeiter in Katar, „sterben mussten, um dem Emirat eine Werbebühne zu erschaffen“. Diese Meldung ist falsch! Die Plattform beruft sich auf eine Sendung der Tagesschau, die wiederum auf einen Bericht der linksliberalen britischen Tageszeitung „The Guardian“ abhebt. Was bei den Meldungen völlig untergeht, ist die Tatsache, dass selbst der Guardian berichtet, dass die Todesfälle nicht explizit den Baustellen der WM in Katar zuzuordnen sind. In Katar sind landesweit ca. 1,5 Millionen ausländische Gastarbeiter beschäftigt. Die Sterberate liegt mit den genannten Todesfällen (im Zeitraum von 10 Jahren seit dem Zuschlag der Fußball-WM) im normalen Rahmen. Selbst Amnesty International Deutschland rät von einem Boykott der WM 2022 ab. Es sei sehr schwierig, zu überprüfen, wie viele Todesfälle (und welche Ursachen dafür verantwortlich sind) es im Umfeld der WM gegeben habe. Katar habe inzwischen den Dialog gesucht und im Ergebnis seien Fortschritte bei den Arbeitsbedingungen erkennbar. Ein Boykott wäre daher kontraproduktiv.

Vorläufiger Höhepunkt der politischen Instrumentalisierung der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 im Emirat Katar ist die aktuelle Entwicklung in Afghanistan. Einige Medien und Politiker kritisierten jetzt den Flug des Taliban-Mitgründers Mullah Abdul Ghani Barador von Doha nach Kabul mit einer Maschine der Luftwaffe des Emirat. Sie sahen darin eine Parteinahme und Unterstützung durch Katar für die Taliban und forderten umgehend den Boykott der Fußballweltmeisterschaft 2022. Doch ganz im Gegenteil nimmt Katar eine vermittelnde Rolle zu den Taliban ein. Der kritisierte Flug des Taliban-Führers war übrigens mit den Vereinigten Staaten abgestimmt. Die  Amerikaner sehen in Ghani Barador einen wichtigen Ansprechpartner, der schon beim Doha-Abkommen eine Rolle spielte. US-Präsident Biden hat jetzt ausdrücklich die Rolle Katars bei der Evakuierung aus Kabul gewürdigt. Die USA haben in Abstimmung mit Katar unweit von Doha eine bedeutende Luftwaffen-Basis für die US-Air-Force.

Sanktionen und Boykotte sind selten zielführend und erweisen sich oft als Eigentore. Deshalb sollte der Sport für Boykotte nicht missbraucht werden.

Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag

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