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Die USA unter Joe Biden

Joe Biden ist der neue Hausherr im „Weißen Haus“. Joe Biden ist der neue Hausherr im „Weißen Haus“. © Pixabay

Tektonische Verschiebungen – die EU, China und Russland

Grundsätzlich hat eine US-Präsidenten-Wahl immer besondere Auswirkungen in die deutsche und europäische Politik. Das weltweite politische Koordinatensystem wird wesentlich durch die jeweilige politische Führung im Weißen Haus in Washington beeinflusst. Wird die globale Politik (und damit auch die Wirtschaft) unter Präsident Joe Biden wieder stärker durch eine atlantische Brücke zwischen den Vereinigten Staaten und den EU-Ländern inklusive dem Vereinigten Königreich geprägt? Werden die USA wieder „America First“ aufgeben – was eher unwahrscheinlich ist, weil die Vereinigten Staaten ihren Führungsanspruch auch unter Joe Biden behaupten wollen – oder stehen unter dem neuen Präsidenten, wie bereits unter Barack Obama, die Asien-Pazifik-Staaten mehr im Fokus? Dafür spricht viel.

Der Ton wird höflicher – und sonst?

Der neue US-Außenminister Anthony Blinken hat durchblicken lassen, dass die USA wieder mehr ihre Rolle als Ordnungsmacht wahrnehmen, aber neue Akzente im Umgang mit Europa setzen wollen. Der Ton mag für Brüssel, Paris und Berlin höflicher werden, aber auch Joe Biden verlangt von den Europäern mehr militärische Anstrengungen. Denn Amerika setzt neue geographische Prioritäten. Bereits die Ankündigung, China sogar noch härter angehen zu wollen (Taiwan soll einen höheren Stellenwert für die Amerikaner bekommen; damit wird China bis aufs Blut gereizt), macht deutlich, dass in Europa und insbesondere in Deutschland viele Erwartungen einer Ernüchterung weichen müssen. Die US-Militärpolitik soll mehr auf den asiatisch-pazifischen Raum ausgerichtet werden. Und schließlich werde auch Amerikas nuklearer Hauptrivale Russland „mehr Kosten und Konsequenzen“, sprich weitere Sanktionen, tragen müssen. Auf Deutschland hat das direkte Auswirkungen, etwa beim Energie-Megaprojekt Nord-Stream II, das auch Präsident Biden verhindern will.

USA oder China

Vereinfacht formuliert, geht es um die künftige Vorherrschaft: USA oder in absehbarer Zeit China. Die EU scheint wirtschaftlich für die Amerikaner nicht mehr so interessant zu sein. Nach dem Verlust der zweitgrößten Volkwirtschaft der EU – das Vereinigte Königreich – wird die EU definitiv von China (gemessen am Bruttoinlandsprodukt) demnächst überholt. Während Deutschland durch die Pandemie bereits im vergangenen Jahr 5% Wirtschaftskraft verlor, hat China trotz Corona zugelegt. Und was wäre die frühere deutsche Vorzeigebranche Automobilindustrie ohne den chinesischen Absatzmarkt? Böse Zungen sagen bankrott! 41,4% der VW-Verkäufe gehen inzwischen nach China, bei Mercedes-Benz sind es fast 36% und bei BMW auch schon ein Drittel, nämlich 33,4%. Angesichts dieser nüchternen Zahlen ist ein China-Bashing unsinnig.

Noch lagen die USA beim Bruttoinlandsprodukt (die wichtigste Kennziffer für die Wirtschaftskraft) 2020 mit 17, 1 Billionen Euro an der Spitze; es folgte die EU (2020 noch mit dem Vereinigten Königreich) mit 13,2 Billionen Euro knapp vor China mit 12,2 Billionen. Das jetzt ausgehandelte EU-Investitionsabkommen ist daher im Interesse der deutschen Wirtschaft sinnvoll, weil es den Zugang in den chinesischen Markt erheblich verbessert. Vor allem die zahlreichen deutschen mittelständischen „Hidden-Champion“ können bei einer Realisierung des Abkommens viel leichter am chinesischen Großprojekt „Belt & Road“ partizipieren.

Was soll daher beim EU-Investitionsabkommen mit der neuen US-Administration abgestimmt werden? Die Amerikaner werden natürlich – wie bei Nord-Stream II gegenüber Russland – Vorbehalte haben. Sie sehen in dem Abkommen eine weitere Stärkung Chinas. Noch haben die USA ihre führenden mächtigen Digitalkonzerne, während die deutsche Industrie – auch durch hausgemachte politische Fehler – immer mehr verliert. China hingegen peilt mit dem Projekt „Made in China 2025“ führende Positionen in den Bereichen Pharma, Energie, Luft- und Raumfahrt, Robotik und in anderen Technologien an. Das Land wird in vielen weiteren Segmenten Konkurrent, aber deshalb brauchen die europäischen Unternehmen zum Ausgleich einen besseren Marktzugang in China.

EU verliert – Asien gewinnt

Bereits im vergangenen Jahr wurde durch eine chinesische Initiative ein Freihandelsabkommen RCEP (Regional Compreshensive Economic Partnership) mit 15 Asien-Pazifik-Staaten – darunter neben China selbst, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland – abgeschlossen. Das Abkommen umfasst ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung. China forciert mit Russland eine enge Energiepartnerschaft. Im Eiltempo wurde dafür auf russischem Gebiet die Gaspipeline „Power of Siberia“ mit einem Abzweig nach China realisiert. Insofern haben sowohl Expräsident Donald Trump als auch sein Nachfolger Joe Biden die tektonische Verschiebung in der globalen Politik richtig erkannt. Der europäisch-atlantische Raum verliert, die neuen Zentren entstanden und entstehen in Asien. Dafür stehen insbesondere China und Indien.

Last but not least haben die globalen weltpolitischen Verschiebungen auch einen militärischen Charakter. Die Liaison zwischen China und Russland wird immer deutlicher; hier verbinden sich die wirtschaftliche Kraft Chinas mit der nach wie vor vorhandenen militärisch-nuklearen Potenz Russlands. Immer noch ist Russland (oder nach dem Zerfall der Sowjetunion wieder) die einzige Macht, die den Vereinigten Staaten militärisch Paroli bieten kann.

Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag

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