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Presse- und Meinungsfreiheit – ein Graubereich

Das Grundgesetz garantiert mit dem Artikel 5 die Meinungs- und Pressefreiheit. Von Missbrauch ist freilich nicht die Rede. Das Grundgesetz garantiert mit dem Artikel 5 die Meinungs- und Pressefreiheit. Von Missbrauch ist freilich nicht die Rede. © Pixabay

Das Beispiel Tönnies

Der Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes (GG) gehört zu den großen Leistungen des „Parlamentarischen Rates“ der jungen Bundesrepublik im Jahre 1949. Er regelt das Recht der Meinungsfreiheit in Wort, Schrift und Bild. Eine Zensur findet nicht statt. Der Artikel 5 ist darüber hinaus insbesondere die Grundlage der garantierten Pressefreiheit – ein hohes Gut für eine funktionierende Demokratie. Doch auch die Medien sind keineswegs die 4. Gewalt. Diesen Begriff gibt es de jure nicht.

Wer auch immer – insbesondere auch die Medien – sich auf den Artikel 5 beruft, sollte auch den zweiten Absatz nicht übersehen. „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“, heißt es dort. Dies ist auch nur logisch, denn Meinungsfreiheit ist kein Freibrief etwa für Beleidigungen (§ 185 StGB), Verleumdungen (§ 187 StGB) oder der üblen Nachrede (186 StGB). Auch die Geschäftsschädigung durch unwahre Behauptungen bzw. üble Nachreden regelt zum Beispiel der § 824 BGB. Der Artikel 5 ist in seiner Gänze auch für die Medien kein Freibrief etwa für unwahre oder verletzende Berichterstattungen.

Wo aber beginnt beim Recht der freien Meinungsäußerung und Pressefreiheit der Tatbestand einer Straftat? Besonders gravierend ist diese Frage bei der Volksverhetzung nach § 130 StGB. Wo endet die garantierte Meinungsfreiheit und wird zur Volksverhetzung? Und wer bestimmt im Vorfeld einer juristischen Klärung, was etwa Volksverhetzung ist. Dies sind alles – auch für die Justiz selbst – sehr schwierige Fragen und zweifelsohne befinden wir uns da oft in einem Graubereich. In der überwiegenden Anzahl geht es noch nicht einmal um politische Bewertungen. Unternehmen und Unternehmer können zum Beispiel mit einem enormen Imageverlust – und damit Schaden – konfrontiert werden, wenn fragwürdige Behauptungen einen breiten Spielraum für Interpretationen offen lassen.

Kein Freibrief für Beleidigungen

Ein Beispiel lässt sich am Fleisch- und Wurstwaren-Unternehmen Tönnies-Gruppe festmachen. Im Umfeld des Corona-Ausbruchs im Juni 2020 wurde insbesondere Clemens Tönnies selbst in der Öffentlichkeit durch Berichterstattungen in den Medien zur „Persona non grata“ und zur Reizfigur bzw. zum angeblichen Übeltäter. Dies ging so weit, dass der promiente SPD-Politiker Ralf Stegner indirekt Gefängnis für Tönnies vorschlug. „Vielleicht kommt er irgendwann in staatliche Kost und Logis“ – so Stegner. Viele Anschuldigungen hielten auch einer Überprüfung durch staatliche Stellen nicht stand. So hat die Bezirksregierung Ostwestfalen-Lippe am 15. Mai 2020 den Tönnies-Betrieb in Rheda-Wiedenbrück überprüft und anschließend bestätigt, dass das Corona-Hygiene-Konzept bei Tönnies sich im Einklang mit Arbeitsschutzstandards befinde. Auch die Wohnungen der Mitarbeiter hätten keine gravierenden Mängel gehabt. Laut Landrat Adenauer waren diese „alle pikobello“.

Das Unternehmen Tönnies wollte die aus seiner Sicht unwahren Behauptungen von Ralf Stegner in einer Talkshow nicht auf sich sitzen lassen und beantragte beim Landgericht Hamburg eine Unterlassung seiner Äußerungen per Einstweiliger Verfügung. Doch das Gericht lehnte eine Einstweilige Verfügung gegen Stegner ab, weil es sich nach Ansicht des Gerichts um eine Meinungsäußerung handele. Wie kann dies aber so sein? Stegner ist nicht irgendwer und seine Äußerungen – erst Recht die gegen Tönnies – finden ein breites Medienecho. Verbunden ist damit eine Beschädigung des Ansehens der Firma Tönnies und insbesondere auch der Person Clemens Tönnies in der Öffentlichkeit. Nicht mehr die unternehmerische Leistung eines Unternehmers, der schließlich ein familiengeführtes Großunternehmen schuf, steht im Mittelpunkt, sondern der vermeintliche „Bösewicht“. Die persönliche Ehre, von der der Artikel 5 GG schreibt, wurde jedenfalls im Falle Clemens Tönnies erheblich verletzt.

Ein weiteres übles Beispiel war eine Spiegel-Überschrift „Tönnies-Fleisch lag in von Ratten bevölkertem Kühlhaus“. Die ekelerregende plakative Überschrift hat im negativen Sinne „gesessen“ und erst beim Lesen des gesamten Beitrages wurde deutlich, dass es sich um ein Kühlhaus einer Drittfirma handelte, die im Rahmen ihrer Logistikkette das Fleisch einlagerte und selbstverständlich wurde das Logistikunternehmen von Tönnies gesperrt. Doch der Imageschaden und möglicherweise auch Geschäftsschaden durch die Überschrift war da. Medien haben eine große Verantwortung und leider werden sie dieser nicht immer gerecht.

Letzte Änderung am Sonntag, 23 August 2020 12:41
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag

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