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Frontalangriff auf die Autoindustrie

Vulkan-Ausbrüche wie Bárdarbunga in Island und die Umwelt – dagegen sind die Abgase in Europa einschließlich des Autoverkehrs „harmlos“. Vulkan-Ausbrüche wie Bárdarbunga in Island und die Umwelt – dagegen sind die Abgase in Europa einschließlich des Autoverkehrs „harmlos“. © Pixabay

Das böse Erwachen kommt noch

Selten kommentieren wir ähnliche Themen hintereinander. Wenn wir dies machen, muss der Anlass nicht nur kritisch, sondern alarmierend sein! Nun ist es wieder soweit. Die deutsche Automobilindustrie steht vielleicht jetzt vor ihrer größten Herausforderung seit der Erfindung der motorisierten Fahrzeuge. „Sein oder Nichtsein, das ist die Frage“ (Hamlet) und gemeint ist im übertragenen Sinne heute die Zukunft einer entscheidenden Schlüsselbranche mit Auswirkungen für die gesamte deutsche Volkswirtschaft: Die deutsche Automobilindustrie. Was ist passiert?

Tatsächlich erleben wir derzeit Frontalangriffe gegen die Automobilindustrie, die zum Teil einen ideologischen Hintergrund haben. War es noch vor gut einer Woche ein bedenkliches Urteil eines EU-Gerichts, demnach sogar neue Dieselfahrzeuge der Euro-6-Norm vom Bannspruch der Aussperrung in Städte betroffen sein können (siehe hierzu unseren Kommentar „Wie man eine Autokäufer verunsichert und eine Erfolgsbranche kaputt machen kann“), könnten jetzt neue Planungen der EU, sofern sie endgültig rechtsverbindlich werden, der Automobilindustrie den Rest geben. In den Trilog-Verhandlungen (Vertreter EU-Kommission sowie des EU-Parlaments und EU-Rats) haben sich die Verhandlungsführer auf deutlich strengere CO2-Grenzwerte für die Zeit nach 2021 geeinigt. Demnach soll der CO2-Ausstoß neuer PKW durch die Fahrzeughersteller in der EU bis zum Jahr 2030 um 37,5% abgesenkt werden. Bei leichten Transportfahrzeugen soll die entsprechende Quote 31% betragen und bereits 2025 ein Zwischenziel von 15% gelten. Ausgangsbasis für die Ziele ist das Jahr 2021. Betroffen ist nicht jedes einzelne Fahrzeug. Die Vorgaben sind Durchschnittswerte für das gesamte Fahrzeugflotten-Angebot der einzelnen Hersteller. Autofirmen mit einem hohen Anteil von schwereren Premium-Fahrzeugen bzw. geländegängiger SUVs müssen zum Ausgleich für den zu erreichenden Durchschnittswert entsprechende Null-Emissionen-PKW in den Markt bringen. Die geplanten Regelungen sind allerdings noch nicht verbindlich und bedürfen der Zustimmung durch den EU-Rat und des EU-Parlaments.

Wir brauchen eine ausgewogene Balance

Nun könnte man ja durchaus – oberflächlich gesehen – der EU Beifall zollen. Einer gesunden Luft und einer intakten Umwelt zuliebe können die Brüsseler Vorgaben nicht ehrgeizig genug sein, so vielleicht die Meinung nicht weniger Bürger. Doch so einfach liegen die Dinge nicht. Natürlich wollen alle, auch die Autoindustrie, eine intakte Umwelt. Da darf Einigkeit vorausgesetzt werden. Doch was heißt intakt, wo liegt die Messlatte für einen vernünftigen Maßstab? Eine leistungsstarke Wirtschaft braucht auch ein realistisches Umfeld, eine ausgewogene Balance zwischen Ökologie und Ökonomie. Ohne eine starke Ökologie, ohne Steuern zahlende Unternehmen, wird alles auch in Sachen Ökologie nichts werden. Nur durch eine starke Wirtschaft kann Deutschland Umweltprogramme finanzieren, einen weltweiten Beitrag zur Reduzierung der Emissionen leisten und den Schwellenländern helfen. Deshalb brauchen wir auch im deutschen Interesse starke Branchen, die letztendlich Beschäftigung bzw. Arbeitsplätze bereitstellen und auch sichern können. Was nützten ideale oder gar weltfremde Ziele und Vorstellungen, wenn die Menschen keine Arbeit mehr hätten?

Es geht daher beim Zieldreieck neben der Ökologie und der Ökonomie – selbstredend auch für die Autofirmen – auch um den Erhalt des sozialen Friedens in Deutschland. Dieser wäre dann in Gefahr, wenn die wirtschaftlichen Grundlagen der Menschen in einem Wahn, ja sogar in einem regelrechten Kult gegen das Automobil, in der deutschen Industrie gefährdet werden. Was damit gemeint ist, sehen wir derzeit in unserem westlichen Nachbarland. Frankreich hätte ganz gewiss weniger soziale Probleme, wenn das Land eine bedeutende Autoproduktion mit wesentlich mehr Arbeitsplätzen im Land hätte. Lediglich 112.000 Menschen sind in Frankreich in der Autoindustrie tätig und selbst wenn man die französischen Autozulieferer hinzurechnet, erreicht das Land auch nicht ansatzweise die hohe Anzahl von Beschäftigten der deutschen Automobilindustrie. Laut Statistischem Bundesamt sind in Deutschland 842.000 Menschen in deutschen Fabriken der Automobilindustrie und der Zulieferer tätig.

Warnrufe der Autoindustrie sind keineswegs „erbärmlich“

Die Warnrufe der Autobauer und des VDA (Verband der deutschen Automobilindustrie) sind eben genau deshalb nicht „erbärmlich“, wie eine Zeitung schrieb, sondern bittere Realität. Darauf wies Bernhard Mattes, Präsident des VDA hin: „Die deutsche Automobilindustrie steht für eine emissionsfreie Zukunft der Mobilität. Sie muss aber bezahlbar und umsetzbar sein.“ Das Trilog-Ergebnis setze scharfe Ziele und schaffe andererseits aber wenig Impulse für neue Technologien. Und in der Tat gibt es in keinem anderen Teil der Welt vergleichbare CO2-Ziele. Alle reden heute von der E-Mobilität, aber niemand kann garantieren, ob diese Technik sich überhaupt durchsetzt und ob die Kunden mitspielen. Wie lange halten die Batterien und in welch einer Zeitachse steht in der EU eine allumfassende Infrastruktur für die E-Mobilität zur Verfügung? Ist die E-Mobilität überhaupt so umweltfreundlich oder wird von interessierten Kreisen nur so getan? Wie abhängig ist Deutschland z.B. von Rohstoffen aus instabilen Ländern für die Batterienproduktion? Wie soll die Stromversorgung – bisher sollte ja elektrische Energie eingespart werden – für die E-Mobilität gesichert werden? Wie groß ist die Zeitachse, welche die Autoindustrie benötigt, um dual eine weitere Technologie für den Antrieb aufzubauen? Was geschieht in der Zwischenzeit, wenn verunsicherte Autokäufer ihre Anschaffung zurückstellen, was geschieht, wenn die enormen Investitionen für eine E-Mobilität sich nicht rechnen, weil sich möglicherweise auf den Weltmärkten eine andere Technologie, dies könnte das Brennstoffzellenauto bzw. Wasserstoff sein, durchsetzt?

Gefährliche Wege der EU

Interessanterweise sind es neben der Autobranche die Gewerkschaften (leider weniger die Politik), die längst die Problematik des Verlustes der Arbeitsplätze durch unrealistische politische EU-Vorgaben erkannt haben. Bereits jetzt wird die EU, im Prinzip eine großartige Sache, von den Bürgern nicht mehr mitgenommen, weil sie an den Bürgern vorbei reglementiert. Die EU-Verdrossenheit kann nicht nur am Brexit und Großbritannien festgemacht werden, wie die aktuellen Beispiele Frankreich, Italien oder auch Schweden zeigen. Auch bei den Deutschen könnte sich die Stimmung gegen die EU durchaus drehen, wenn eine Schlüsselbranche wie die Automobilindustrie in den Problemkreis gestürzt wird. Letztendlich will die EU einen Beitrag leisten, um bis zum Jahr 2050 ohne Abgase auszukommen. Dies hört sich zwar edel und gut an, ist aber in der praktischen Umsetzung nicht nur weltfremd, sondern eine Verbeugung vor fundamentalistischen Klimaaktivisten, denen es zweifelsohne gelang, mit Hilfe der Medien und der Nichtregierungsorganisationen – zum Teil mit Desinformationen – die öffentliche Meinung insbesondere in Deutschland zu beeinflussen. Wäre dies alles nicht so bedenklich für die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand der Menschen, könnte man getrost zur Tagesordnung übergehen.

Isländische Vulkane – mehr Abgase als durch alle Industrieanlagen Europas

Die plakativen Schlagworte heute gehen in die Richtung der Apokalypse. Doch sind die Verhältnisse überhaupt so schlecht? Viele negativen Szenarien beruhen auf einem Betroffenheitsjournalismus, wie gerade jetzt wieder der Supergau gefälschter Stories beim Nachrichtenmagazin Spiegel zeigt. Wie hoch ist der Graubereich, die Dunkelziffer? Warum wird nicht geschrieben, dass sich die Luftverhältnisse etwa in Deutschland gegenüber früheren Zeiten entschieden verbessert haben? Unzählige Beispiele aus Industrieregionen können angeführt werden, das Ruhrgebiet, das Saarland, die Industrieregion Mannheim/Ludwigshafen mit dem größten Chemiestandort der Welt. Die Luft- bzw. Emissionsverhältnisse wurden in den letzten Jahrzehnten ganz erheblich verbessert. Fahrzeugemissionen wurden bereits deutlich reduziert, trotz des zunehmenden Verkehrs auf den Straßen. Saubere Luft – dies ist ein relativer Begriff. Wo liegt der Vergleichsmaßstab, wer bestimmt, was „saubere Luft“ ist? Die Probleme für eine weltweite Reduzierung von verschiedenen Emissionen liegen weniger in Deutschland bzw. Europa. Beispiele gefällig? Wer misst die enormen Emissionen durch das Abfackeln riesiger Wälder in Südamerika oder in Asien? Welchen Stellenwert haben Emissionen durch natürliche Entwicklungen. Wissenschaftler der Universitäten Leeds und Edinburgh haben errechnet, dass z.B. beim Ausbruch isländischer Vulkane wie Bádarbunga (28./29.8.2014) mehr Abgase entstanden, als durch alle Industrieanlagen Europas zusammen.

 

Natürlich wollen wir nicht aufrechnen. Fakt ist aber, dass erstens Deutschland nicht der Nabel der Welt ist und zweitens natürliche Einflüsse auf die Umwelt durchaus real sind. Selbstverständlich muss die deutsche Industrie Beiträge für die Umwelt erbringen. Aber dies geschieht doch längst. Seit über zwanzig Jahren hören und lesen wir vor jeder Klimakonferenz, dass die Uhr abgelaufen und die Apokalypse nicht mehr aufzuhalten sei, wenn nicht schleunigst umgesteuert würde. Dann entsteht immer ein blinder Aktionismus. Wer getraut sich eigentlich – dies wäre ja auch ein symbolischer Beitrag – den Menschen an Silvester das Abschießen von Feuerwerkskörpern zu verbieten? Wir brauchen alle wieder mehr Realitätssinn. Auch für Zeitachsen der technischen Machbarkeit. 2011 hat die Bundesregierung ein weiteres Kapitel der Energiewende aufgeschlagen. Die Zwischenbilanz ist nicht ermutigend. Wir leben in Zeiten der Wende: Energiewende, Verkehrswende, Agrarwende, Ernährungswende. Vor allem leben wir nicht mehr in der Steinzeit. Ein Wirtschafts- und Industriestandort ist nun mal kein Paradies. Es gilt einen Kompromiss zu finden, eben die Balance zwischen Ökonomie und Ökologie.

Letzte Änderung am Freitag, 21 Dezember 2018 14:14
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag

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