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Der Atomausstieg ist zu ernst – er eignet sich nicht für Politdemagogie

Der Atomausstieg ist zu ernst – er eignet sich nicht für Politdemagogie EnBW

Alle reden von der Energiewende – aber bitte wohin und wie schnell?

Deutschland steigt aus der Kernenergie definitiv aus. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat es jetzt so beschlossen. Große Worte werden gebraucht. Die Bundeskanzlerin sieht riesige Chancen für kommende Generationen, man habe mit der Entscheidung einen Weg zur Energie der Zukunft aufgezeigt, von einem neuen Gesellschaftsvertrag wurde gesprochen, was immer damit im Zusammenhang mit dem Atomausstieg gemeint sein soll. Einige Kommentatoren haben sich gar in der Bewertung des Ausstieges überschlagen. Vom größten wirtschafts- und energiepolitischen Projekt seit Jahrzehnten war zu lesen. Darf der Ball etwas flacher gehalten werden?

Sortieren wir einmal einige Gedanken. Ob richtig oder falsch: spätestens seit dem Gau in Tschernobyl im Jahre 1986 bekam die Anti-Atombewegung zumindest in Deutschland einen enormen Zulauf. Zwar gab es noch später einige Zwischenhochs im Umfeld der Klimadiskussionen, aber die Kernenergie führte doch zu einer Spaltung der Gesellschaft. Nach der neuen Katastrophe in Atomkraftwerksblöcken in Fukushima im März 2011, losgelöst durch ein Erdbeben und einen folgenden Tsunami, ist zumindest in Deutschland die Kernenergie nicht mehr zu halten. WirtschaftsReport-Leser konnten dies bereits ausführlich in unserem März-Report 2011 auf der Titelseite lesen. Die Kernenergie bekam endgültig in Deutschland einen wahlpolitischen Drive. Parteien, die dies immer noch nicht einsehen wollten oder wollen, bekamen dies, siehe Landtagswahl in Baden-Württemberg, überdeutlich zu spüren. Eine Partei, die sich in Deutschland zur Kernenergie bekennt, braucht erst gar nicht mehr anzutreten. Dies haben die Unionsparteien endgültig erkannt und das Ergebnis zeigt sich jetzt beim Ausstiegsbeschluss. Ob die Entscheidung energiepolitisch richtig ist, dies allerdings ist eine völlig andere Frage. Zwar hat die jetzige deutsche Marschrichtung eine gewisse Signalwirkung – etwa in der Schweiz – ausgelöst; weltweit und insgesamt ist aber die Kernenergie noch lange nicht out. Im Gegenteil, die Russen planen sogar, künftig Weltraumraketen mit einem Atomantrieb zu bestücken.

Das Primat der Politik muss auch in der deutschen Gesellschaft anerkannt werden – alles andere wäre Anarchie. Aber eine verantwortliche Politik, und dies schließt alle Parteien ein, muss auch die Konsequenzen einer Entscheidung durchplanen und offen den Bürgern erläutern. Ein Ausstieg aus der Kernenergie kann wünschenswert sein und wenn die Bundeskanzlerin von riesigen Chancen und einem Weg zur Energie der Zukunft spricht, dann hätten wir dies schon etwas konkreter. Vor kurzem galt noch eine andere Meinung. Eine kurzfristige einseitige Ausrichtung etwa auf Windkraft allein ist nicht realistisch. Dies haben zahlreiche unabhängige Fachleute aufgezeigt. Nun kann man politisch – etwa aus der fundamentalistischen Sicht – trotzdem das Gegenteil behaupten, solange die Lichter nicht ausgehen. Es geht nämlich leider nicht nur um den Abbau von Ängsten durch den Verzicht auf die Kernenergie; es geht auch um die Versorgungssicherheit und um die Bezahlbarkeit. Energiefragen haben nämlich auch eine sozialpolitische Komponente: inwieweit gefährdet eine falsche Energiestruktur die Leistungsstärke der Exportnation Deutschland und somit letztendlich den Wohlstand aller Bürger?

Nun kann man auch da sagen, dass die Szenarien der Kosten und Versorgungssicherheit von der Wirtschaft geschürt würden und dass mit dem Aufbau regenerativer Energien „Jobs“ verbunden sind. Natürlich entstehen mit Windparks – auch zur See – neue Arbeitsplätze. Aber es gehen nicht nur „alte“ Beschäftigungen in Atomkraftwerken verloren. Diese wären vom Volumen noch verkraftbar. Viel gefährlicher ist die Tatsache, dass die regenerativen Energien – mit Ausnahme der Wasserkraft – noch lange nicht wettbewerbsfähig sind. Auch da könnten ja die Endverbraucher die These vertreten, dass uns allen an einer „sauberen regenerativen Energie“ gelegen sein muss, dass diese eben ihren zugegebenermaßen höheren Preis habe. Eine derartige Überlegung wäre aber grundfalsch.

Unsere großen Unternehmen befinden sich im globalen Wettbewerb. So wie in Deutschland aus Kostengründen keine Tanker oder Containerschiffe mehr gebaut werden, weil deren Herstellung in Südkorea wesentlich kostengünstiger ist, so könnte es ganz schnell kommen, dass energieintensive Branchen etwa aufgrund der EEG-Umlagen in Deutschland nicht mehr produzieren können. Die Betonung liegt auf „können“! Deutschlands größter Stahlkonzern ThyssenKrupp wird bei steigenden Stromkosten durch die EEG-Umlage mit jährlich 200 Millionen Euro belastet und da stellt sich ganz schnell die Frage, ob in Deutschland dieses Unternehmen noch wettbewerbsfähig produzieren kann. Bereits jetzt hat ThyssenKrupp im Schwellenland Brasilien in ein leistungsfähiges Stahlwerk investiert. Kann in Deutschland künftig noch Aluminium oder Zement produziert werden? Werden die deutsche Chemie oder andere energieintensive Branchen von den Kosten her gezwungen, im Ausland in neue Werke und Arbeitsplätze zu investieren? Dies wäre für Deutschland eine Beschäftigungskatastrophe.

Die einseitige und gefährliche Ausrichtung auf „nur“ regenerative Energien mag politisch für die eine oder andere Partei populistisch verlockend sein – verantwortlich ist sie nicht. Wir gefährden auch bei unrealistischen Zeitvorgaben unsere Versorgungssicherheit, denn wir haben für die regenerativen Energien nicht „über Nacht“ die notwendige Netzinfrastruktur und bei Gas machen wir uns vom Ausland abhängig. Noch können wir Engpässe durch die Reaktivierung älterer Kohleblöcke und übrigens auch durch den Bezug von Strom aus ausländischen Atomkraftwerken (Temelin) ausgleichen. Wir können als Wirtschaftsnation nicht aus der Kernenergie aussteigen und gleichzeitig auch die durchaus inzwischen mögliche Kohleverstromung mit modernsten und effizienten Anlagen ablehnen. Damit sind noch nicht einmal CCS-Technologien (Speicher für CO 2) gemeint. Derzeit entstehen modernste und, wir sagen es bewusst, saubere Kohlekraftwerke in z.B. Neurath, Karlsruhe und Mannheim (deren neue Kraftwerks-Blöcke Altanlagen ersetzen und somit enorme Mengen CO 2 einsparen), die gerade jetzt beim Kernenergieausstieg dringend benötigt werden. Modernste Kohlekraftwerke sind durch den Einsatz neuer Materialien und effizienter und leistungsstarker Turbinen längst Hightech pur!

Eine Energiewende muss in ein Gesamtkonzept eingebettet werden. Da sollen doch die regenerativen Energien durch Wind und Sonne eine herausragende Rolle einnehmen. Der Ausbau geht ja auch bereits vonstatten. Dazu gehört aber auch Akzeptanz für die Wasserkraft und letztendlich auch für die Sicherstellung der Grundlast durch die saubere Kohleverstromung. Und alles nützt nichts, wenn in Deutschland der Ausbau der Stromnetze behindert wird, denn die Netze sind der Blutkreislauf der Energieversorgung.

 

Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag

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